Ulrike von der Groeben: Älter werden vor der RTL-Kamera
Ganz ehrlich, warum hier bei RTL gelingt, was in anderen Sendern nicht so gut klappt, das könne sie auch nicht genau sagen. Aber, und dann setzt Ulrike von der Groeben zu einem Erklärversuch an: „Das Verrückte ist: Als es damals mit dem Sen- der losging, dachten alle, ja, die Privaten, dort ist hire and fire. Jetzt ist es aber so, dass die Kolleginnen, vor allem die von den Öffentlich-Rechtlichen, die aus Al tersgründen ausscheiden müssen, auf uns zeigen: Das gibt es nicht, ausgerechnet RTL hält an den immer älter werdenden Moderatorinnen fest.“
Ja, wirklich verrückt. Ausgerechnet RTL, dieser 1984 so jung und wild gestartete und wegen seines Programms so oft und heftig geprügelte Privatkanal, avanciert als Arbeitgeber von TV-Moderatorinnen jenseits der 50 zum Vorbild? Zumindest zeigte RTL bislang kein ausgeprägtes „programmliches Abwechslungsbedürfnis“ wie der Sender auf der anderen Rheinseite Kölns: 2011 feuerte der WDR mit Angela Maas, Claudia Ludwig und Benedicta Junghanns gleich drei nicht mehr ganz so junge Moderatorinnen, woraufhin die CDU im NRW-Landtag ihm Jugendwahn vor-warf.
Zum Kontrast der Blick in die RTL-Annalen: lauter Karrieren seit mehr als 20 Jahren. Frauke Ludowig, die Frau für die Promi-News seit 1992. Katja Burkard, die Frau für die Mittags-News seit 1996. Birgit Schrowange, die Frau fürs Infotainment seit 1994 und, weil frisch ergraut, die Fernsehaufregung in diesem Herbst.
Aber keine (und keiner!) steht länger vor der RTL-Kamera als diese zierliche blonde Person in Jeans und Häkelpulli, die an einem Oktobernachmittag für ihren Gast zwei Kuchenteller auf dem Unterarm unfallfrei durch die Senderkantine balanciert.
Das Germanistikstudium habe sie mit Kellnern finanziert, erklärt Ulrike von der Groeben und nimmt auf einem der RTL-roten Hartstühle Platz. Den Apfelkuchen wird sie vor lauter Reden nicht aufessen und später mitnehmen in die Redaktion. Um 18.45 Uhr ist wieder Action in der Hauptnachrichtensendung „RTL aktuell“, wie jeden Montag bis Freitag und wie immer an der Seite von Anchor Peter Kloeppel.
Die beiden bilden seit 1992 ein untrennbares Gespann ähnlich wie Claus Kleber und Gundula Gause, wobei die ZDF-Kollegen erst schlappe 13 Jahre am „Heute-Journal“-Pult vereint sind. Anders als Gause ist von der Groeben bei RTL ausschließlich für die Sport-News zuständig. Und sie wird es bis auf Weiteres auch sein, obwohl sie im März die für Fernsehverhältnisse biblischen 60 vollendet hat.
Drei Jahrzehnte hält sie dem Sender nun schon die Treue. Nie war sie woanders an- gestellt. Angebote gab es gleichwohl. Das „Aktuelle Sportstudio“ (ZDF) klopfte gleich zweimal an, auch „Ran“ (Sat.1). Aber von der Groeben, die vom Niederrhein stammt, wo man den Menschen ein gewisses Phlegma nachsagt, wechselte nicht. „Ich bin wahnsinnig loyal“, sagt sie, „und ich vergesse nichts.“ Natürlich laufe bei RTL nicht alles perfekt, aber, und das ist ihr sehr wichtig: „Mir gegenüber war der Sender immer fair.“
1985, im Präkambrium des Privatfernsehens, als RTL noch unter dem Namen RTL plus aus Luxemburg sendete (1988 wurde Köln Senderstandort), stieg von der Groeben mit einem Volontariat bei Radio Luxemburg in die damals noch überschaubare RTL-Welt ein. Die Welle galt als hip im Vergleich zu öffentlich-rechtlichen Schnarchstationen. Schon bald moderierte die Endzwanzigerin mit Benno Weber den legendären „Sportshop“. Dann rief das Fernsehen an.
Ihre Endorphine tanzen noch immer Samba, als von der Groeben von ihrem Wochenende in Luxemburg mit der „alten Truppe“ erzählt. Auf den Tag genau vor 30 Jahren war „Guten Morgen Deutschland“ auf Sendung gegangen, das allererste Frühstücksmagazin im deutschen Fernsehen, mit Ulrike Elfes, wie sie damals noch hieß, als Sportmoderatorin. Bis morgens um sechs hätten sie das Jubiläum gefeiert und sich erinnert an das, was im Nachhinein schon sehr gewagt gewesen sei: „Die meisten kamen vom Radio wie ich. Die Premiere war eine Katastrophe. Es ging gar nichts zusammen.“ Nach der Sendung eilte sie zum „richtigen“ RTL-Fernsehen und stellte sich vor: „Guten Tag, ich bin die Ulrike Elfes, ich mache seit heute Fernsehen, kann es aber nicht. Ich muss un- bedingt schneiden lernen.“
Die Zeit beim Frühstücksfernsehen habe sie „stark gemacht für die Zukunft“, sagt von der Groeben, auch weil sie gelernt habe, die Disziplin für Nachtschichten aufzubringen. „Ich habe damals praktisch nur für den Job gelebt.“ Ein bisschen tut sie das noch heute. Als 2014 Weltfußball gespielt wurde, übernahm die Sportsfrau über vier Wochen zusätzlich zur Abend- sendung die Schicht in den 6-Uhr-Nach- richten. Mehr als drei Stunden Schlaf da- zwischen waren nicht drin.
Ihre Kondition beeindruckt. Von der Groeben hat das Durchschnittsalter der RTL-Couchpotato (50 Jahre) um ein Jahrzehnt überschritten. Die 60 sieht man ihr, auch aus direkter Nähe, nicht an. Für Michael Wulf, der für die RTL-Tochter InfoNetwork alle journalistischen Formate verantwortet, ist sie ein Phänomen: „Immer jung geblieben, immer frisch und voller Lebensfreude. Sie hat sich wirklich fast gar nicht verändert, seit sie bei ,RTL aktuell‘ auf dem Schirm ist.“ Er muss es wissen. Beide fingen zeitgleich bei den News an, sie vor, er hinter der Kamera.
Wie sie sich selbst sieht? Von der Groeben überlegt. „Jung und frisch trete ich auch gerne vor den Spiegel. Der Spiegel sagt mir leider an manchen Tagen ganz was anderes. Das ist ärgerlich, denn innendrin bin ich noch genauso wie vor 30 Jahren.“ Leider könne man gegen die im Fernsehen verpönten Falten nicht viel tun, „außer sich unters Messer legen, wie es ja viele Frauen aus dem Medienbereich tun“. Sie selbst hätte zu viel Angst: „Was, wenn es schiefgeht? Dann kann ich erst recht nicht mehr vor die Kamera. Und noch lassen sie mich ja.“
2013 setzte sich die Führungsebene von RTL zur großen Strategieanalyse zusammen: Wo wollen wir hin, mit unserem Programm, mit unseren Gesichtern? Ergebnis war, dass man bei den Moderatoren auf Kontinuität setzt. „Sie sind unser Kontakt zum Zuschau- er. Sie schaffen Vertrauen, bieten Verlässlichkeit, sind kompetent“, sagt Chefredak- teur Wulf. Gerade im Nachrichten- und Magazinbereich seien Moderatoren enorm wichtig. Denn in einer Zeit, in der auf die Menschen jeden Tag eine Contentflut hereinbreche, hülfen sie, die Dinge richtig einzuordnen und zu erklären. „Deshalb wollen wir unsere Gesichter, so lange es geht, auf dem Schirm halten.“
Das Publikum spricht da ein Machtwort mit. Jedes Jahr zieht RTL die Medienfor- schung zurate. Alle Moderatorinnen und Moderatoren, jung oder alt, werden von ausgewählten Zuschauern begutachtet, wie kompetent sie rüberkommen oder wie modern sie wirken. Wer im Ergebnis schwächelt, bekommt vom Sender einen Coach an die Seite gestellt.
Interessanterweise hat die Testerei ergeben, dass die Moderatoren und Reporter älteren Semesters sehr gut auch bei den jüngeren Zuschauern ankommen. Antonia Rados, Chefreporterin fürs Ausland der RTL-Mediengruppe und Jahrgang 1953, habe mit die besten Werte bei den unter 29-Jährigen, sagt Wulf. Günter Wallraff, 75, genauso. Warum das so ist? „Das sind Menschen, die im Leben etwas geschafft haben und offensichtlich bei unserer jungen Zielgruppe Eindruck hinterlassen.“ An Ulrike von der Groeben haben die Tester offenbar nichts zu mäkeln. Von ihren Chefs bekomme sie regelmäßig zu hören: Ulrike, solange deine Ergebnisse so sind, wie sie sind, werden wir einen Teufel tun, dich vom Schirm zu nehmen.
„Ich werde diesem Sender bis zur Rente – so lange ist es ja nicht mehr hin – ganz klar erhalten bleiben“, lacht sie. Auch vor der Kamera? Eher nicht, winkt sie ab und holt zu einer Antwort aus, die in feministisch empfindlichen Ohren schrillt: „Ganz ehrlich: Harry Valérien, Dieter Kürten, all die Herren früher im ZDF-,Sportstudio‘, wurden, auch optisch, immer interessanter, je älter sie wurden. Keiner kam auf die Idee zu sagen: zu alt. Aber Frauen? Im Sport? Wenn da nur diese jungen Sportler um einen herumhüpfen? Ich weiß nicht. Das passt irgendwann nicht mehr.“
Sie glaube, sagt von der Groeben zum Schluss, „dass Peter und ich irgendwann gemeinsam aufhören“. Für den Fall ist der Sender gewappnet. Für jede Sendung wird ein Nummer-2-Gesicht aufgebaut, „und zwar ganz langsam und behutsam“, sagt Wulf, „damit die Zuschauer genug Zeit haben, sich an das neue Gesicht zu gewöhnen“. In der Aufbauphase befindet sich zum Beispiel Maik Meuser, der wie eine jüngere Kopie von Peter Kloeppel aussieht, so wie Steffen Hallaschka, der Schlaks von „Stern TV“, der seinem Vorgänger Günther Jauch auffallend ähnelt. Absicht? Michael Wulf weicht elegant aus: „Mir ist ganz wichtig, dass die jungen Nummer-2-Gesichter nicht nur moderieren, sondern auch journalistisch arbeiten. Sie sollen als Reporter rausgehen, Interviews führen.
Die Autorin:
Senta Krasser ist Redaktionsmitglied des „medium magazins“ und freie Journalistin in NRW. senta @ krasserjournalismus.de
Erschienen in „Journalistin 2017“ / medium magazin 6/2017.
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