Top30-Konferenz 2024: Was jungen Journalismus bewegt
Am 15. November fand die diesjährige „Top 30 bis 30“-Konferenz im Münchner O2-Tower statt – ein Highlight für Talente im Journalismus. Und ein deutlicher Fingerzeig, an welchen Stellschrauben wir in der Branche drehen müssen. Aus dem „medium magazin“ 06/2024.
Superwahljahr, Kriege oder KI-Neuerungen: So turbulent, wie sich dieses Jahr gestaltete, so vielschichtig war auch der Austausch auf der „Top 30 bis 30“-Konferenz 2024 in Münchens höchstem Gebäude. Vom Einsatz von Algorithmen in Redaktionen bis zu den Herausforderungen im Lokalen, von Kriegsberichterstattung aus Nahost bis zu TV-Debatten vor den Landtagswahlen – es gab einiges unter den ausgezeichneten Top30ern zu besprechen.
Die Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten wurden Mitte des Jahres von unserer Redaktion aus insgesamt 450 Nominierungen ausgewählt und sollen einen Querschnitt von zukunftsweisendem Journalismus abbilden. Auf der Konferenz erhielt der aktuelle Jahrgang nun seine Urkunden – und traf sich vor allem persönlich.
„Unter drei“: die etwas andere Konferenz
Die Veranstaltung wurde wie gewohnt von „medium magazin“-Herausgeberin und Erfinderin des „Top 30 bis 30“-Formats Annette Milz eingeläutet – erstmals von Chefredakteur Frederik von Castell unterstützt. „Mich beeindruckt die Souveränität, die der diesjährige Top30-Jahrgang mitbringt, trotz all der Herausforderungen in der Branche“, so von Castell.
Den Input für das Programm geben die Ausgezeichneten selbst. Alle Beiträge und Diskussionen finden dabei traditionell „unter drei“ statt, kurz: keine Tweets, keine Insta-Posts und kein Getratsche im Anschluss. Ungewöhnlich für ein Branchentreffen? Ja. Die Top30-Konferenz versteht sich seit jeher als besonderes Format. Sie soll Freiräume schaffen, um selbst sensibelste Themen vertrauensvoll diskutieren zu können. Das schafft auch Vertrauen untereinander: „Junger Journalismus braucht viel weniger Konkurrenzdenken, als es in den Generationen zuvor der Fall ist. Stattdessen: viel mehr zusammenarbeiten, auch ressortübergreifend“, sagt etwa Kilian Genius, freier Redakteur (dpa) und aktueller Top30er, gegenüber dem „medium magazin“.
Debattenformate: maximales Publikum oder maximale Erkenntnis?
Im ersten Themenblock ging es um Journalismus, der das Publikum fesselt – und einbezieht. Im Mittelpunkt standen Beteiligungs- und Debattenformate. Dass solche Formate vielfältig sein können und nicht immer das Gleiche und dieselben erreichen wollen, zeigte sich in der Diskussion. Sollten Dialogformate eher therapeutische Zwecke erfüllen, um gesellschaftliche Spannungen zu lösen, oder sind sie vor allem darauf ausgerichtet, neue Erkenntnisse zu gewinnen? Sind Verticals, die nur einen bestimmten Kreis erreichen, vergleichbar mit Call-in-Formaten? Welche Formate dienen lediglich der Selbstdarstellung von Eliten? Und wie tragen andere Formate zur Verbesserung des Publikumsjournalismus bei? Und natürlich durfte auch die Frage nach den politischen Debattenformaten nicht fehlen. Gerade jetzt wäre doch ein guter Zeitpunkt, politische Diskussionen inklusiver zu gestalten und mehr Menschen einzubeziehen. Die Suche nach neuen Formaten, die einen Dialog zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen fördern, wird wohl eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre, so der Konsens.
Auslandsjournalismus: vom Schreibtisch ins Feld
Viele Krisen und Kriege haben das Jahr 2024 geprägt – und damit auch die jungen Talente im Journalismus: die, die von Deutschland aus arbeiten, und jene, die vor Ort recherchieren. Eine zentrale Frage: Können Journalistinnen und Journalisten auch vom Schreibtisch aus etwa über Krisengebiete berichten, ohne dabei den Kontakt zu den realen Gegebenheiten und den betroffenen Menschen zu verlieren? Und andersherum gefragt: Welche Herausforderungen müssen Auslandskorrespondentinnen in Nahost meistern, um für die Heimatredaktionen in Deutschland mitten aus dem Geschehen heraus zu berichten – und dabei auch verstanden zu werden?
Handwerk: Daten, Storytelling und Künstliche Intelligenz
Die Vorzüge von innovativem Storytelling und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben manche der Top30er bereits entdeckt: Besonders spannend war die Frage, wie KI-gestützte Workflows, etwa in der Erstellung von Teasern, der Produktion von Print-Seiten oder im Faktencheck, den Arbeitsalltag von Journalistinnen und Journalisten verbessern können. Wie es sich für eine Diskussion über KI im Journalismus gehört, gab es auch bei dieser kritische Stimmen. Sie warnen, dass eine zu starke Abhängigkeit von Automatisierungen und Algorithmen zu einer Entfremdung von der eigentlichen journalistischen Arbeit führen könnte. Intensiv diskutiert wurde im Panel auch, wie man messen kann, ob Journalismus tatsächlich ein demokratieförderndes Element ist und inwieweit er zur Förderung des öffentlichen Diskurses beiträgt.
Fazit: Junge Medienschaffende gestalten die Zukunft
Die Teilnehmenden der Konferenz bewiesen, dass sie nicht nur den aktuellen Diskurs verstehen, sondern auch aktiv an der Weiterentwicklung und Neugestaltung der Medienlandschaft mitwirken wollen. „Ich wünsche mir für den Lokaljournalismus, dass er mit besseren Ressourcen ausgestattet wird, damit wir Lokaljournalist:innen weiterhin verantwortungsvoll und vielleicht sogar besser arbeiten können als bisher“, sagte Kathleen Kröger, Lokalreporterin („Thüringer Allgemeine“) und Top30er in diesem Jahr, dem „medium magazin“.
Denn eines ist allen Top30ern längst klar: Es geht nicht nur um das Anwenden des klassischen Handwerks. Im Zentrum der Arbeit steht heute zumeist die Fähigkeit, neue Formate zu schaffen, die die Breite ansprechen und dabei die Herausforderung meistern, komplexe Themen verständlich und gleichzeitig tiefgründig zu vermitteln. Ganz nebenbei sollen dabei auch noch neue Möglichkeiten, die Social Media, neue Technologien wie KI und Spezialfähigkeiten wie Datenjournalismus bieten, die Berichterstattung erweitern.
Diese Möglichkeiten erkennen – und sich dann auch noch dafür einsetzen, das ist eine große Herausforderung in diesem anspruchsvollen Berufsfeld. Viele der „Top 30 bis 30“ entsprechen dem schon jetzt und wollen auch künftig an Lösungen feilen, wie die Konferenz eindrücklich gezeigt hat.
Dieser Text ist aus dem „medium magazin“ 06/24. Dort können Sie außerdem alle Preisträgerinnen und Preisträger in sämtlichen Kategorien der „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ 2024 entdecken und finden auch das große Titel-Interview mit Justus von Daniels, Anette Dowideit und Jean Peters. Außerdem in dieser Ausgabe: Der Jahresvorausblick 2025: Zwölf Medienschaffende wagen (nicht ganz ernstgemeinte) Prognosen für das kommende Jahr. Und: Wer ist das Mats Schönauer? Das Portrait des Mannes hinter „Topf voll Gold“. Dazu gibt es wieder jede Menge praktischer Tipps von unsichtbar Recherchieren bis zum Test von KI-Transkriptions-Tools. Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.