Sophia Maier: „Erst einmal: mit allen reden“

 

RTL-Sonderkorrespondentin Sophia Maier, (c) RTL/Claudia Ast-Juergens
RTL-Sonderkorrespondentin Sophia Maier, (c) RTL/Claudia Ast-Juergens

Zum Schrecken ihrer Familie brach Sophia Maier 2016 das Volontariat bei Burda ab, um sich selbst ein Bild zu machen von den europäischen Flüchtlingsrouten. Im Zeltlager in Idomeni lernte sie Norbert Blüm kennen, wurde Protagonistin einer „Stern TV“-Reportage über den CDU-Politiker – und schließlich selbst Fernsehreporterin, inzwischen u. a. ausgezeichnet mit dem Katholischen Medienpreis. Für „Stern TV“ und ihr eigenes Langformat #Why dreht Maier oft mit dem Smartphone. Die gebürtige Münchnerin (1987), die eine Zeit lang in Beirut lebte, wird als Sonderkorrespondentin weiterhin viel auf Reisen sein. Erschienen in der Ausgabe 04/24.

Interview: Senta Krasser


RTL-Sonderkorrespondentin – was ist toll an Ihrem neuen Job?

Sophia Maier: Er ging erst diesen Monat los und ich arbeite schon an meinem ersten Thema. Unsere Welt scheint dieser Tage besonders aus den Fugen zu sein – politische und gesellschaftliche Umbrüche, Krisen und Kriege. Für RTL darüber zu berichten: Das ist großartig.

Ihr Chefredakteur lobt, dass Sie stets bereit sind, dorthin zu gehen, wo es wehtut. Wo tat es besonders weh?
Ich bin recht robust. Was mich seelisch beschäftigt, sind immer wieder Begegnungen mit traumatisierten Menschen. Ich kann beispielsweise bis heute nicht die Kinder auf Samos vergessen, die in einem Lager für Geflüchtete voller Dreck, Krankheiten und Ratten vegetierten.

Ihr bisher schwierigstes Interview?

Im ukrainischen Frontgebiet. Artilleriefeuer, Gefechte und Todesangst – ich in einem Keller mit Frauen, die dort lange verharrten. Sie schütteten mir unter Tränen ihr Herz aus, während ich mit Schutzweste und Helm danebenstand und das Gefühl hatte, ihnen in dieser verzweifelten Situation nicht gerecht zu werden.

Mit Rechten reden – ja oder nein?

Unbedingt. Erst einmal: mit allen reden. Wichtig ist es, Populismus, Desinformation und Lügen – egal von wem – kenntlich zu machen.

Was ist mit der Hamas?

Auch. Ich habe für mein Hamas-Interview im „Stern“ viel Hass bekommen. Während es bei meinen Interviews mit z. B. den Taliban keinerlei Aufschrei gab. Elementar ist doch immer: ein kluges, kritisches Interview zu führen, Falschaussagen klar benennen und einordnen. Das ist für mich Journalismus.

Warum wurden Sie Journalistin?

Die Welt zu bereisen, in fremde Realitäten einzutauchen, Unrecht benennen zu können. Das bin ich. Es ist meine DNA. Und der Journalismus ermöglicht mir das täglich.

Ihre Vorbilder im Journalismus?

Frauen wie Clarissa Ward, Marie Colvin oder Antonia Rados empfinde ich als ungemein inspirierend. Klar, versiert, mutig. Und: Roger Willemsen. Einer der feinfühligsten Autoren und Denker unserer Zeit.

War Norbert Blüm auch ein Vorbild?

Sehr. In meinem Buch, das bald erscheint, widme ich ihm und seinem Einsatz für die Menschlichkeit ein eigenes Kapitel. Sein humanistisches Wirken hat mich immer sehr berührt.

Sie packen Ihren Koffer. Was kommt als Erstes rein?

Meine Selfie-Stange, die seit Jahren ihre Dienste tut. Darauf klemme ich das iPhone und drehe auch viel selbst. Ansonsten: faltbare Yogamatte und warme Einlegesohlen. Ich friere einfach immer.

München oder Köln? Oder doch Beirut?

Mein Herz ruft nach Beirut. Immer.

 


 

Cover des "medium magazin" 04 / 2024 mit Foto von dpa-Geschäftsführer Peter Kropsch und dpa-Chefredakteur Sven Gösmann. Schlagzeile: Wieso nimmt die dpa Geld vom Staat? Unterzeile: Haben damit kein Problem: Geschäftsführer Peter Kropsch und Chefredakteur Sven Gösmann. Außerdem: CASHFLOW: Frei sein muss man sich leisten können. Wie das gelingt. Holger Stark: „Blicken viel zu selten in den Maschinenraum der Macht.“ Geldquellen: Welche helfen, welche gefährden den Journalismus?
Foto: Michael Kappeler / dpa

Dieser Fragebogen mit Sophia Maier ist zuerst im neuen „medium magazin“ 04/24 erschienen. Darin auch enthalten: Das SPEZIAL „Cash für Freie“. Denn so schön die Selbstständigkeit sein kann, sie hat einen Preis, den man sich leisten können muss.  Außerdem klären wir in dieser Ausgabe die Frage, welche Geldquellen dem Journalismus helfen – und welche ihn gefährden. Beispiel dpa: Die Deutsche Presse-Agentur feiert ihren 75. Geburtstag bescheiden mit Bratwurst und Festschrift. Gleichzeitig entbrennt eine Diskussion über staatliche Fördergelder und deren Einfluss auf die Unabhängigkeit des Medienunternehmens. Zudem liefern wir spannende Einblicke in die Branche. „Zeit“-Investigativchef Holger Stark etwa kritisiert: „Wir Blicken viel zu selten in den Maschinenraum der Macht.“ Was er über Anwälte wie Christian Schertz und die „Correctiv“-Recherche zum Treffen in Potsdam denkt, können Sie jetzt im Interview lesen: Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.