Praxis: Tipps zur Taktik für Honorarverhandlungen
Coach und Trainerin Cordula Nussbaum über Honorarkalkulation und die richtige Taktik in Auftragsgesprächen: „Viele Freiberufler gehen blauäugig in Honorarverhandlungen“.
Frau Nussbaum, warum setzen viele Berufseinsteiger ihre Honorare zu niedrig an?
Cordula Nussbaum: Aus zwei Gründen: Einerseits wollen sie als Einsteiger unbedingt ihren Fuß in die Türe der Redaktionen oder Unternehmen bekommen und denken, wenn sie mit einem niedrigen Satz reingehen, dann steigen die Chancen genommen zu werden. Zum Anderen kennen viele die üblichen Marktpreise einfach nicht und geben einen Satz an, denn sie aus der Luft greifen. Die Praxis zeigt jedoch, dass niedrige Sätze doppelt blöd sind. Denn natürlich verschenken viele Einsteiger aus Unwissen Geld. Und dann werden Redaktionen oder Auftraggeber, die sich einmal bei Ihnen billig eingedeckt haben, nicht den Satz problemlos erhöhen. Warum auch? Einmal Dumping-Preis-Lieferant, immer Dumping-Preis-Lieferant.
Warum haben Sie einen eigenen Honorar-Kalkulator entwickelt?
Mir haben die am Markt verfügbaren Ansätze für die Bedürfnisse der Freiberufler und Kleinunternehmer nicht gefallen, da sie lediglich die Kosten im Büro auflisten. Und sie boten auch keine vernünftige Kalkulation der Stundensätze. Ich habe dann einen Kalkulator für meine Marketing-Seminare und meine Coachings entwickelt, den ich schließlich programmieren ließ und als Service auf die Website stellte.
Was unterscheidet Ihre Methode von anderen?
Der Honorarkalkulator auf www.Erfolg-Reich-Frei.de bietet die Möglichkeit, dass Sie für alle Lebensbereiche Beträge eingeben können und damit auf einen Umsatz kommen, der Ihnen den Lebensstandard ermöglicht, den Sie gerne haben wollen. Automatisch errechnet das Programm dann den entsprechenden Stundensatz, und berücksichtigt dabei die von Ihnen gewünschte Anzahl an Urlaubstagen, Wochenenden, Weiterbildung, Leerlaufzeiten für Akquise, Verwaltung etc. Das hilft zu erkennen, dass ich als Freiberufler oder Kleinunternehmer eben nicht rund um die Uhr arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Bewusst ermuntere ich die User oder meine Seminarteilnehmer sowie Coaching-Klienten dazu, die „Das-wäre-toll“-Summen einzugeben für Kino-Gehen, Geschenke kaufen, Urlaub fahren etc. die Spaß ins Leben bringen und für die wir letztendlich ja auch arbeiten. Andere Programme listen lediglich die Kosten der Selbständigkeit auf und ermitteln, was Sie Minimum verdienen müssen, um die Kosten zu decken. Viele gehen zudem von einer 40-Stunden-Woche aus und planen keinen Urlaub ein. Das halte ich für wenig motivierend. Schöner ist es doch zu wissen, dass ich mit einem errechneten Stundensatz von sagen wir 54 Euro bei einer überschaubaren Arbeitszeit und Zeit für Urlaub alle meine Wünsche erfüllen kann.
Wie gehe ich mit dem errechneten Satz weiter vor?
Meinen ermittelten Wunsch-Satz kann ich dann abgleichen z. B. mit Honorar-Sätzen der Medien. Ich kann im Vorfeld schon mal prüfen (z. B. unter www.mediafon.net), was eine Redaktion zahlt, für die ich gerne arbeiten möchte. Manche der dort genannten Sätze sind zwar etwas veraltet, aber sie geben in jedem Fall eine Daumengröße an. Wenn ich z. B. sehe, dass „Telepolis“ 0,02 Euro pro Zeichen zahlt, bis maximal 80 Euro, dann ich kann ich sehr schnell erkennen, dass ein Beitrag, den ich für die mache, nicht mal 90 Minuten Arbeit in Anspruch nehmen darf, damit ich in meinem gewünschten Satz bleibe. Kriege ich das hin (weil ich z. B. einen anderen Beitrag zweitverwerte oder lediglich ein Kurz-Interview redigiere, das ich per Mail geführt habe), dann lohnt es sich, dort anzubieten. Wenn nicht, dann kann ich noch überlegen, ob ich einen anderen Nutzen aus diesem Auftrag habe: Imagegewinn, Kontakte, Schreiben üben, Reisekosten absetzen etc. Die Selbstständigen erkennen dabei, dass es gar nicht so schwer ist, an ein gewünschtes Einkommen zu gelangen, weil die Beträge nicht utopisch sind und wir durch eine clevere Auswahl an Auftraggebern ganz hübsche Summen erwirtschaften können.
Wie kann man sich auf Honorarverhandlungen vorbereiten?
Viele Freiberufler gehen wahnsinnig blauäugig in Honorarverhandlungen. Dabei ist erwiesen, dass eine gute Vorbereitung 50 Prozent des Erfolgs in der Verhandlung ausmacht. Alles, was ich im Vorfeld weiß, über das Projekt und über den Kunden, hilft mir bei der Kalkulation und bei möglichen Argumenten. Nachdem Sie ja nun wissen, was Sie verdienen wollen – und diesen Betrag beim Gespräch im Hinterkopf haben, oder am Telefonat auf einem Zettel direkt vor sich –, haben Sie schon mal einen super Rückenstärker. Jetzt können Sie Ihren Wunsch-Satz umrechnen je nach geschätztem Recherche-, Schreib- und Abstimmungsaufwand und vermutlichem Umfang in ein Zeilen-, Zeichen-, oder Seitenhonorar bzw. Minuten-Satz und gehen mit dieser Zahl in die Verhandlung. Zudem definieren Sie für sich eine Untergrenze, ab der ein Einsatz für Sie sich einfach nicht mehr lohnt. Das alles natürlich wieder unter Berücksichtigung der „Neben-Gewinne“ wie Image, Üben, Kilometergeld etc. Wenn jetzt in der Verhandlung der Kunde Ihr Honorar drücken will, wissen Sie, wo Ihre Schmerzgrenze liegt. Wenn ich 500 Euro verlange und der Kunde will 300 zahlen, kann ich mir ganz schnell ausrechnen, dass ich, bei einem angepeilten Umsatz von 54 Euro die Stunde, etwa sechs Stunden für die Aufgabe hätte. Vielleicht ist das Briefing schon sehr präzise, der Kunde unkompliziert und ich habe schon eine erste Idee und erstes Material, dann kann das gehen.
Gibt es Checklisten, die ich im Vorfeld eines Gesprächs anschauen kann?
In den Marketing-Seminaren bereiten wir Akquise- und Verhandlungsgespräche anhand von Checklisten vor, einige davon finden Sie in meinem neuen E-Book „Erfolg.Reich.Frei. Marketing & Strategie für freie Journalisten“ (Bezug unter www.Erfolg-Reich-Frei.de, Shop). Und natürlich hilft es, wenn wir uns vor den Gesprächen hinsetzen und unseren eigenen Leitfaden notieren, mit den Eckbeträgen meines Honorars (Schmerzgrenze, maximal-genialer Satz) sowie Argumente auf vermutliche Einwände.
Wie verhalte ich mich, wenn das von mir geforderte Honorar nicht gezahlt wird?
Cool bleiben, nicht persönlich nehmen. Das ist normal, das gehört zum Spiel. Im Gegenteil: Akzeptieren die Redaktionen Ihren Satz sofort, dann waren Sie vermutlich sogar zu preiswert. Fragen Sie dann, welches Budget der andere hat. Ist es völlig indiskutabel, dann freundlich „Auf Wiedersehen“ sagen. Kommt es in den Bereich des von Ihnen gewünschten Satzes oder wäre Ihr Nebengewinn (Image o. ä.) akzeptabel, dann können Sie Details besprechen und z. B. überlegen, wie Sie den Recherche-Aufwand reduzieren können. Muss ich hinreisen für ein Interview oder kann ich es telefonisch machen? Kann die Redaktion einen Zuschuss zahlen zu den Recherche-Kosten, kann ich zusätzliche Elemente liefern, die dann zusätzlich vergütet werden. Es gibt hier sehr viele Möglichkeiten. Seien Sie offen für unkonventionelle Ideen, eine Seminarteilnehmerin von mir hat sich z. B. mal von einem Kundenmagazin mit einem Leasing-BMW für ein Jahr honorieren lassen. Auch so etwas ist möglich. Gehen Sie im Gespräch jedoch nicht einfach runter („Ich will 500 Euro!“ – „Wir zahlen 300 Euro!“ – „Ist o.k.“), denn das schaut blöd aus. Wenn Sie schon um 200 Euro runtergehen, dann muss für den anderen nachvollziehbar sein, warum.
Was kann ich tun, um langfristig mehr zu verdienen (Eigenwerbung, Auftraggeber wechseln, Portfolio erweitern)?
Natürlich muss Ihre Arbeit topp sein. Sie müssen super recherchieren, gut schreiben oder produzieren und für die Redaktion ein Gewinn sein. Also pünktlich und zuverlässig liefern, keine Arbeit machen, sondern Arbeit abnehmen. Das ist das A und O. Mindestens ebenso wichtig ist, dass Ihr Image stimmt und Sie z. B. als Experte für ein bestimmtes Thema gelten und die Menschen Ihre Beiträge schätzen. Klar, dass Sie als Neuling noch nicht so viel Geld verlangen wie jemand, der sich schon einen Namen gemacht und Erfahrung gesammelt hat. Aber das kommt, wenn Sie strategisch am Ball bleiben. Zudem können Sie sich ein Image aufbauen, indem Sie Ihr Netzwerk pflegen. Denn Aufträge über Netzwerke oder über Empfehlungen schaffen Vertrauen beim Auftraggeber – und das kann sich im Preis niederschlagen. Im Coaching erarbeiten wir häufig gezielt solche Strategien, damit sich Journalisten oder PR-Fachleute in möglichst wenig Zeit ein gutes Image, eine gute Positionierung und gut zahlende Kunden aufbauen. Die Zeit, die Sie in Nachdenken investieren, ist gut angelegt.
Interview: Katy Walther
Zur Person: Cordula Nussbaum trainiert und coacht Freiberufler in Sachen Marketing, Positionierung und Honorarverhandlung. Sie ist langjährige freie Wirtschaftsjournalistin („Focus“, WiWo u. a.). Mehr Infos gibt’s auf ihrer Homepage unter www.Erfolg-Reich-Frei.de.