Gisela Friedrichsen erhält den jdjmm-Lebenswerk-Preis 2019
Die medium magazin-Jury der „Journalisten und Journalistinnen des Jahres“ (JdJ) zeichnet die langjährige Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen für ihr Lebenswerk aus.
In der Jury-Begründung für den Ehrenpreis als Journalistin des Jahres in der Kategorie Lebenswerk heißt es:
„Gisela Friedrichsen ist die Großmeisterin der Gerichtsreportage, die sie seit Ende der 80er-Jahre nachhaltig geprägt hat. Die gebürtige Münchnerin (*1945) hat – nach Studium (Germanistik und Geschichte), Volontariat (Augsburger Allgemeine, 1972) und Redakteurstätigkeit für die FAZ – von 1989 bis 2016 für den Spiegel geschrieben, seither berichtet sie für die Welt. Sie hat Maßstäbe gesetzt in dem Genre der Gerichtsberichterstattung: Ihre Geschichten sind stets sorgfältig recherchiert, ihr Stil ist beispielgebend und ohne Sensationshascherei. Ihr Blick auf die Protagonisten ist unbestechlich und vorurteils- frei, ihr Fachwissen immens. Gisela Friedrichsen gelingt es exzellent, die Hintergründe von Prozessgeschehen verständlich zu machen – und Laien den hohen Wert des Rechts in einer freiheitlichen Demokratie zu verdeutlichen. Sie hat sich damit um den Rechtsstaat verdient gemacht.“
Die rund 100-köpfige unabhängige Jury der Branchenzeitschrift wählt die „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ in zehn Fachkategorien. Davon unabhängig wird ein Preis an die oder den Journalist/in des Jahres vergeben: 2019 wurde Juan Moreno zum „Journalist des Jahres“ gewählt.
Die Begründungen der „medium magazin“-Jury für die „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ 2019 in den Fachkategorien:
CHEFREDAKTION
National: Georg Löwisch, taz
„Georg Löwisch führt zusammen mit seinen Stellvertreterinnen Katrin Gottschalk und Barbara Junge die taz als Chefredaktion des Jahres: Und fördert damit eine Redaktion, die analysestark, engagiert und dennoch „tazzig“ ist. Im anhaltenden mutigen Umbauprozess hin zur reinen Digitalversion positio- niert Löwisch die taz als nachhaltiges Recherchemedium (von Hannibal bis Ost-taz), stärkt europaweite Kooperationen, baut Livestream-Reports aus – und ermöglichte damit exklusive Storys. Nicht nur dank der Hannibal-Recherche: Die taz setzte 2019 in der ersten Riege der Überregionalen neue Standards.“
Regional: Lorenz Maroldt, Tagesspiegel / Anna Sauerbrey, Tagesspiegel-CAUSA (Berlin)
„Obwohl 15 Jahre im Amt, erfindet Lorenz Maroldt sich und seine Zeitung immer wieder neu – mit weiteren Newslettern wie den profitablen Backgrounds für Fachleser, als Kontrabassist in der Checkpoint-Band oder mit dem journalistischen Großprojekt „Story First“. Seine beste Entscheidung 2019: Anna Sauerbrey ins Chefredaktionsboard zu holen. Mit ruhiger, kluger Hand führt sie das Meinungsressort; das von ihr aufgebaute Debattenportal Causa sucht seinesgleichen. Ihr frischer Blick tut dem Hauptstadtblatt gut. Beide machen den Tagesspiegel zur Nr. 1 in Berlin.
POLITIK
Annette Dittert, ARD/NDR
„Das ARD-Büro in London sollte ihre letzte Station als Auslands- korrespondentin werden. Sagte Annette Dittert vor fünf Jahren. Gut, dass sie es sich anders überlegt hat. Im Januar 2019 kehrte sie für eine zweite Runde an die Themse zurück, als Studioleiterin und international bestens vernetzte Korrespon- dentin. Ihr Publikum hierzulande weiß es zu schätzen: Ditterts Brexit-Analysen in Tagesschau und Tagesthemen sind erstklassig. Geistreich und lesenswert auch ihre Tweets. Kaum jemand kann britische Demokratie on- und offline so gut erklären wie sie.“
WIRTSCHAFT
Horst von Buttlar, Capital
„Der Chefredakteur und Geschäftsführer von Capital hat dem Magazin nach einem Relaunch gerade die drei wirtschaftlich erfolgreichsten Jahre beschert und sich gegen Herausforderer wie Bilanz souverän behauptet. Fast unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit hat von Buttlar Capital zu einem spannenden und lebensnahen Debattenmagazin für Wirtschaft und Gesellschaft gemacht. Das ist ein erfolgreicher Neustart, der über einen Relaunch weit hinausgeht.“
(Kategorie ausgezeichnet in Kooperation mit der Fachzeitschrift „Wirtschaftsjournalist“)
KULTUR
Jana Hensel, freie Autorin (Zeit/Zeit Online)
„Allein für ihr präzises, analytisches Stück „Ihr und Wir“ zur Frage, inwiefern die Wiedervereinigung ein kolonialer Akt war, hat Jana Hensel diesen Preis verdient. Bei der Zeit war sie in einem für Ostdeutschland ereignisreichen Jahr eine aufklärende Stimme, die andere Perspektiven auf Deutschland aufzeig- te. Dank ihrer Essays, Kommentare, Reportagen oder dem erhellenden Interview mit Angela Merkel sind in der öffentlichen Ost/West-Debatte all die blinden Flecke und Vorurteile präsent. Es kann ihr nicht hoch genug angerechnet werden.“
UNTERHALTUNG
Jan Böhmermann / ZDFneo
„Mit seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ hat Jan Böhmermann 2019 erneut gezeigt, was ZDFneo, ach, was TV-Deutschland an ihm hat: Unterhaltung, die mutig und grenzüberschreitend ist, dabei satirisch und politisch-präzise. Und er wird mit seinem Team immer besser. Wie er die Story über die Restitutionsforderungen der Hohenzollern weiterdrehte, den „Ibiza“-GAU Österreichs immer wieder anstachelte, die Kandidatenkür für den neuen SPD-Vorsitz aktiv „begleitete“ oder wie er mit dem Lied „Licht an, Licht an!“ die FAZ-Geburtstagsfeier kommentierte – Glanzstücke, die Debatten anstoßen. 2020 geht’s nun ins ZDF-Hauptprogramm. Glückwunsch!“
SPORT
Benjamin Best, freier Autor / ARD
„Ohne Zweifel die beste Rechercheleistung im Sport 2019: die TV-Reportage „Gefangen in Katar“ über die Ausbeutung von Gastarbeitern im WM-Land Katar, die die Fifa wissentlich duldete. Als Folge seiner Beiträge für WDR Sport inside und die ARD-Sportschau musste die Fifa erstmals öffentlich einräumen, dass es auch auf WM-Baustellen zu Verstößen gegen internationale Arbeitsstandards gekommen ist, zwei Baufirmen wurden von ihrem Auftrag abgezogen. Der Korruptionsspezialist Best hat bewiesen, wie wirkmächtig aufklärender Sportjournalismus sein kann.“
WISSENSCHAFT
Malte Kreutzfeldt, taz
„Kreutzfeldt ist eigentlich primär Redakteur für Wirtschaft und Umwelt. Aber er war es, der 2019 mit wissenschaftlicher Präzision aus der Diesel-Feinstaub-These der Lungenärzte, nun, die Luft rausließ. Indem er das machte, was andere längst hätten machen müssen: Er rechnete nach. Und enthüllte, dass dem Lungenarzt-Aufruf über die Harmlosigkeit von Diesel-Fein- staub falsche Berechnungen zugrunde liegen. Das Ergebnis präsentierte Kreutzfeldt in einer für Zeitungsstandards ungewöhnlichen Form: Er veröffentlichte seinen Rechenweg auf einer ganzen Doppelseite.“
REPORTAGE
National: Julian Feldmann, freier Autor / NDR
„Ende November 2018 fuhr Julian Feldmann nach Niedersachen, klingelte – und es gelang ihm (mit Robert Bongen für Panorama) ein Interviewscoop: ein Gespräch mit dem ehemaligen SS-Mann und verurteilten Kriegsverbrecher Karl M. („Ich bereue nichts“). Dies und seine langjährigen Recherchen in der rechten Szene (aktuell im Mordfall Lübcke) machten ihn zur Zielscheibe von Rechtsextremisten, die NPD rief zur Demonstration gegen ihn auf. Dass Feldmann trotzdem an dem Thema dranbleibt, gerade als freier Journalist, verdient höchste Anerkennung.“
Regional: Katharina Iskandar, FAZ / Rhein-Main-Zeitung
„Sie ist eine Journalistin für extreme Fälle: Ob rechtsradikale Umtriebe in der Frankfurter Polizei oder islamistische Terroristen in Südhessen – Katharina Iskandar fällt stets durch hartnäckige Recherche auf, gepaart mit einer wohltuend kühlen, klaren Schreibe in aufgeregten Zeiten. So deckte die Polizeireporterin der Rhein-Main-Ausgabe der FAZ unbekannte Verbindungen zum NSU auf und wandte sich gegen Einzelfall-Vermutungen. Auch wie sie im Kasseler Mordfall Lübcke recherchierte und die Informationen analysierte, zeugt von großer Sorgfalt.“
TEAM
„Hannibals Schattenarmee“ (taz):
Sebastian Erb, Alexander Nabert, Daniel Schulz, Christina Schmidt (Leadautorin), Martin Kaul (bis zu seinem Wechsel zum Rechercheverbund von NDR, WDR und SZ im Sommer 2019)
„Mit Christina Schmidt als Leadautorin und Teamleiterin deckte das Team der taz ein rechtes Untergrundnetz auf, in dem sich Demokratiefeinde radikalisieren – bis tief in deutsche Behörden, Verfassungsschutz, Bundeswehr. Ihre Reportage wie die weiteren Recherchen rund um „Hannibals Schattenarmee“ und die „Feindeslisten“, Prepper und Polizisten, die Munition beiseiteschaffen, erregten international Aufsehen. Und trieben andere Medien von BR bis SZ an, ins Thema einzusteigen. Ihrer Arbeit, die zudem Feingefühl und Ausdauer verlangt, verdanken wir ein eindrucksvolles Konvolut investigativer Berichte und analytischer Artikel, die ein so erschreckendes wie komplexes Gesamtbild zeichnen. Sie haben damit einen elementaren Beitrag für die Demokratie unseres Landes geleistet.“
Die Liste mit allen „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ 2019 und Begründungen erschien in medium magazin 6/2019 und ist ab sofort digital verfügbar. (gedruckt ab 3. Januar 2020).