Medium Magazin 11/2016
// Übrigens: ein Doppelheft mit unserer jährlichen Ausgabe der Journalistin
EDITORIAL / Annette Milz, Chefredakteurin
Verstehen wir uns?
Sprache ist das wichtigste Werkzeug unserer Arbeit. In der digitalen Welt macht sie aber nicht mehr bei A bis Z Halt.
Verstehen ist der Schlüsselbegriff des menschlichen Miteinanders. Er ist damit zugleich die Basis aller journalistischen Arbeit. Ihm haben wir das Schwerpunktthema dieser „medium magazin“-Ausgabe zur Zukunft des Journalismus gewidmet – mit den verschiedenen Facetten, die dieser Prozess des Verstehens beinhaltet: Verstehen wir wirklich den Vertrauensverlust in die Medien der aufgeklärten westlichen Demokratien? Wie verstehen wir unsere Rolle in der digitalen Welt, die jedem die Teilhabe an öffentlicher Kommunikation ermöglicht? Und: Wie verstehen wir uns untereinander in den redaktionellen interdisziplinären Teams, die die Medien von morgen gestalten sollen?
Das alles sind längst keine neuen Fragen, aber sie sind drängender denn je: Das Misstrauen an der Wahrhaftigkeit journalistischer Arbeit – das im monströsen Missverständnis „Lügenpresse“ gipfelt – zieht inzwischen so weite Kreise, dass es selbst vor dem privaten Umfeld vieler Journalisten nicht haltmacht.
„In der Diskussion um die ,Lügenpresse‘ habe ich den Eindruck, dass unsere Gesellschaft gerade 250 Jahre zurückzufallen droht, vor die Zeit der Aufklärung“, sagt Miriam Meckel in unserem Titelgespräch (Seite 20). Aber auch das: „Ich gebe niemanden verloren. Ich betrachte es auch als journalistische Aufgabe, jemanden aus solchen Ecken der Gesellschaft zurückzuholen.“
Sie glaubt trotz aller Schmähkritik, die alle möglichen Medienkanäle flutet, an die Kraft der Argumente – und steht damit zum Gück nicht allein.
Das zeigen auch andere Beiträge in dieser Ausgabe: So tritt Fernsehjournalistin Tina Soliman engagiert für eine „offene Gesellschaft“ ein (Seite 36) ebenso wie „The European“-Gründer Alexander Görlach für eine lebendige Debattenkultur (Seite 38). Afrika-Korrespondentin Simone Schlindwein hat mit Jaafar Abdul Karim, dem Star im arabischen Programm der Deutschen Welle, über die politisch-religiöse Radikalisierung gesprochen und wie er als deutsch-arabischer Journalist damit umgeht: „Wir brechen gerade alle Tabus“, sagt er (Seite 30). Er hat mit seinem #Shababtalk eine erfolgreiche „Plattform für Dialoge“ geschaffen – die trotz Tabubrüchen nicht auf Provokation, sondern Fakten und Argumente setzt: „Mir ist es immer wichtig, dass wir eine gut recherchierte Sendung haben. Dann kann die Kritik von allen Seiten kommen.“
Doch wenn wir verstanden werden wollen, müssen wir uns auch selbst um eigenes „Verstehen“ bemühen. Das beginnt bei der Sprache, unserem wichtigsten Werkzeug. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, allerdings reichen die bisherigen Sprachkenntnisse nicht mehr aus, um den Anforderungen digitalen und crossmedialen Publizierens gerecht zu werden. So sagt Miriam Meckel zu Recht: „Wer die digitale Welt mitgestalten will, muss ihre Sprache sprechen“ (Seite 21). Das gilt für alle Medien, die nationalen wie regionalen. „Teams in Redaktionen sind die Zukunft, Journalisten und Entwickler müssen Hand in Hand arbeiten. Journalisten müssen die Sprache der Entwickler zumindest verstehen können“, sagt beispielsweise auch Holger Schellkopf, Digitalchef der „Mittelbayerischen Zeitung“.
Wir wollen es nun nicht mehr bei Appellen belassen: Zusammen mit dem Next Media Accelerator (nma) und dem Google News Lab planen wir derzeit für 2017 eine Initiative, die Journalisten in voraussichtlich 14-tägigen Kompaktkursen einen einfachen Zugang zur „Code-Sprache“ durch Learning by Doing ermöglichen soll. Der Arbeitstitel der Initiative, die im Idealfall eine feste Einrichtung wird: „Coding Academy“. Sie wird sich an freie und Nachwuchsjournalisten ebenso richten wie an Medienhäuser, die ihre Redakteure in zusätzlichen Qualifikationen schulen wollen.
Noch steckt die „Coding Academy“ in der Planungsphase. Weitere Details werden wir bei unserer 1. „Top30-Konferenz“ am 16. November in Frankfurt und in „medium magazin“ 1/2017 bekanntgeben.
PS: Falls Sie sich schon unverbindlich vormerken lassen wollen für die „Coding Academy“, schreiben Sie mir: annette.milz@mediummagazin.de
Hier eine kostenlose Leseprobe: