Medium Magazin 06/2018
EDITORIAL / Annette Milz, Chefredakteurin
Ein gutes Zeichen
Der journalistische Nachwuchs hat viele Fragen: Wer sie ernst nimmt, tut Gutes für die Zukunft unseres Berufs.
Wir wollten ein Zeichen setzen, als wir 2006 unsere Wahl zu den Top 30 bis 30, also zu herausragenden Nachwuchstalenten in der Medienbranche, ins Leben gerufen haben: Seht her! Schaut auf die jungen Kollegen und Kolleginnen, die die Zukunft unseres Berufs prägen werden. Denn damals wie heute gilt: Die beste Zukunftssicherung für jedes Unternehmen ist qualifizierter Nachwuchs.
Doch der Wettbewerb um die talentiertesten Köpfe im Journalismus ist heute ungleich härter geworden.
Das liegt auch daran, dass junge Leute nicht mehr auf die klassische Laufbahn in einem etablierten Medienhaus angewiesen sind, um ihre eigenen Wege zu gehen, gar „ihr eigenes Ding“ zu machen (unsere aktuelle Journalisten-Werkstatt von Pauline Tillmann „Erfolgreich gründen“ liefert gute Beispiele dafür). Wer sich also nachhaltig mit der Zukunftssicherung des Journalismus beschäftigt, sollte die Fragen und Anliegen der Jungen ernst nehmen.
Dem wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb haben wir unsere Top 30 bis 30 gefragt: „Welche Branchen-Fragen treiben Euch um?“
Die Resonanz war außerordentlich ebenso wie die Vielfalt der Fragen in Bezug auf Ethik, Glaubwürdigkeit, Diversität, Formate, Technik, Handwerk und noch etliche Aspekte mehr.
Wir haben die individuellen Fragen der Top 30 in 30 Komplexe geclustert. Und rund 30 Branchenexperten um Antworten darauf gebeten. So ist eine große und außergewöhnliche Debatte über die Zukunft unseres Berufs entstanden – die zugleich ein Dialog zwischen den Generationen im Journalismus ist.
In dieser Ausgabe lesen Sie den 1. Teil: 15 der 30 Fragen und die Antworten darauf, die wir auch als Anstoß für weiterführende Diskussionen verstehen. Darunter Fragen wie diese: „Was kann Journalismus gegen die Spaltung(en) in der Gesellschaft tun? Wie können wir uns das Vertrauen der Bevölkerung zurückholen?“ Und: „In den Medien verschieben wir das Overton-Fenster nach rechts: Wie können wir diese Dynamik aufhalten?“
Dazu rät beispielsweise Friederike Herrmann, als Journalistin und Professorin an der Uni Eichstätt spezialisiert auf Narrative, auch zu Mitteln wie diese, die auf den ersten Blick ungewöhnlich scheinen: „Nicht an den Fakten kleben bleiben.“
Denn: Rechtspopulistische Propaganda arbeite nun mal mit Ängsten und Stereotypen. Und eine emotionale Ansprache wirke stärker als rationale Argumente. „Deshalb scheinen vernünftige Analysen oft so hilflos gegen rechtspopulistische Thesen.“ Herrmann empfiehlt daher, dem Publikum das Spiel mit der Angst bewusst zu machen und auf einer Metaebene zu erklären. „Dann verlieren die Frames an Macht.“
Wie sehr gerade solche Themen die Jungen umtreiben, zeigte sich eindrücklich auch bei unserer 3. Top-30-Konferenz am 12. Oktober in Frankfurt und der Plenumsdiskussion: „Wie gehen wir mit dem Hass um?“ Die Suche nach Antworten dort wie überall in der Branche zeigt aber auch: Die Zeit eines abgehobenen journalistischen Selbstbewusstseins ist vorbei. Aber seien wir ehrlich: Das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen für die Zukunft unseres Berufs.
Außerdem:
„Die Journalistin“: unsere jährliche Doppelausgabe.
Werkstatt-Heft: „Erfolgreich gründen“ von Pauline Tillmann – für Abonnenten gratis in dieser Ausgabe enthalten. Nachbestellungen über www.newsroom.de/shop oder per E-Mail an: vertrieb @ oberauer.com
Unsere kostenlose Heftvorschau, 16 Seiten zum Reinlesen: