Medium Magazin 04/23
EDITORIAL / Alexander Graf, Chefredakteur
Was Sie für Ihre Arbeit wirklich verdienen
Was verdienen Sie? Die Frage klingt gleich aus zwei Gründen ungewohnt. Zum einen, weil in Deutschland nicht gerne über Geld und Gehälter gesprochen wird. In manchen Arbeitsverträgen wird es Beschäftigten sogar explizit untersagt, gegenüber Kolleginnen und Kollegen die Höhe ihres Einkommens offenzulegen. Zum anderen, weil es beim Wort „verdienen“ auch um Gerechtigkeit und Fairness geht: Welches Gehalt, welches Honorar ist für die eigene Arbeit angemessen? Könnten Sie das spontan beantworten?
Gerade freie Journalistinnen und Journalisten dürften damit Probleme haben. Welche Honorare einzelne Medien zahlen, ist seitens der jeweiligen Redaktionen ein gut gehütetes Geheimnis. Kein Wunder, denn nur wer Vergleichsgrößen kennt, kann auf Augenhöhe verhandeln. Das Gleiche gilt natürlich auch für Festangestellte. Können Sie sich sicher sein, dass Sie ein ähnliches Gehalt wie ein Kollege mit gleichwertiger Erfahrung und Qualifikation erhalten?
Ich halte diese Intransparenz für nicht mehr zeitgemäß. Weil sich aber von allein daran nur wenig ändern wird, haben wir jetzt einen ersten Schritt getan. Vielleicht erinnern Sie sich: In Ausgabe 02/23 hatte ich an dieser Stelle von unserer Kooperation mit den Freischreibern berichtet. Gemeinsam haben wir ein digitales Tool neu aufgelegt, mit dem Medienschaffende bequem Informationen zu Gehältern und Honoraren in der Branche eintragen und abrufen können. Sie finden das Tool im Netz (gehalt.mediummagazin.de). Dort gibt es aktuell 3.059 Dateneinträge zu 388 Medien.
Wir haben diese Datenbank nun erstmals ausgewertet. Das Ergebnis finden Sie in dieser Ausgabe. Wer zahlt faire Honorare, wer speist Freie mit Mini-Beträgen ab? Wo können Festangestellte gut verdienen? Die Antworten mit den jeweiligen Listen der „Top 15“ und „Flop 15“ gibt es ab Seite 68. Dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen: 1. Wer wirklich allein von der Arbeit als freier Journalist leben möchte, sollte seine Texte an Magazine verkaufen. Titel wie „Süddeutsche Zeitung“ oder auch „Die Zeit“ mögen sich in den Arbeitsproben gut machen, fürs Konto bringen sie eher weniger. 2. Der Kahlschlag bei Gruner + Jahr war nachweislich ein herber finanzieller Einschnitt für viele Freie. Denn zahlreiche, mittlerweile eingestellte Titel des ehemaligen Verlagshauses wären im Honorarranking eigentlich ganz weit oben gestanden. Diese lukrativen Kunden fallen für Autorinnen und Autoren nun weg – entsprechender Ersatz ist nicht in Sicht.
Wir haben uns auch an weiteren Stellen im Heft dem Thema Geld & Finanzen gewidmet. Auf Seite 76 erklären die Freischreiber, wie Freelancer ihren optimalen Tagessatz berechnen können. Auf Seite 78 stellen wir Mitarbeiterbeteiligungsmodelle vor – ein ziemlich spannendes Konzept, von dem die Beschäftigten beim „Spiegel“ schon lange profitieren. Vielleicht ja auch ein Vorbild für Neugründungen in der Medienbranche? Und auf Seite 24 hat sich unser Autor Thomas Schuler den Fall der ehemaligen ZDF-Reporterin Birte Meier vorgenommen und ordnet ein, welche Wirkung ihr Kampf gegen den Gender-Pay-Gap haben könnte
Von Menschen und Maschinen
Einen weiteren Schwerpunkt im Heft haben wir erneut dem Zukunftsthema „Künstliche Intelligenz“ gewidmet. Denn nach der Phase des großen Hypes geht es jetzt darum, über die tatsächlichen Konsequenzen dieser rasanten Entwicklung nachzudenken. Wer könnte da ein besserer Gesprächspartner sein als KI-Forscher und „German Wunderkind“ Richard Socher? Der gebürtige Dresdner gilt als einer der wenigen Deutschen, die in der höchsten Liga des Silicon Valley mitspielen können. Wie gut, dass unsere Herausgeberin Annette Milz gerade in Kalifornien weilte und Socher einen Besuch auf seiner Ranch in den Bergen bei Palo Alto abstatten konnte. Ihr Gespräch lesen Sie ab Seite 38.
Lassen Sie mich gerne wissen, wie Ihnen diese Ausgabe von „medium magazin“ gefällt. Ich freue mich über Lob, Kritik und Anregungen an: alexander.graf@mediummagazin.de.
Herzlich, Ihr Alexander Graf