Cover des "medium magazins" 03/24. Abgebildet: Tessniem Kadiri. Sie ist 23, Moderatorin, freie Autorin und Host - und eines der Top-Talente im Journalismus, Außerdem: Peter Kloeppel zum Abschied über Fähigkeiten, Defizite und wie man live Blutleere im Kopf meistert. Und das "Spezial: Talente finden". Fotos: Simon Röwer (Kadiri), RTL (Kloeppel)
  • "Top 30 bis 30" 2024

    Wer begeistert mit Kreativität und Mut? Wer steht für die Zukunft der Branche?

  • Goodbye, Anchorman

    Peter Kloeppel zum Abschied über Fähigkeiten, Defizite – und die Zukunft des Journalismus.

  • "Spezial": Talente finden

    Medien müssen umdenken, sonst stehen sie ohne Nachwuchs da.

Medium Magazin 03/24

 

EDITORIAL / Frederik von Castell, Chefredakteur

 

 

Das eine tun und das andere nicht lassen

Die „Top 30 bis 30“ 2024 zeigen: An Talent und Vielseitigkeit mangelt es der Gen Z nicht. Umso erstaunlicher, dass immer mehr Medien Nachwuchsprobleme haben.

Ein Freitag Ende Juni war einer der schönsten Arbeitstage, die ich jemals hatte. In den Wochen zuvor haben Herausgeberin Annette Milz, meine Kollegin Inge Seibel und ich unsere jährlichen „Top 30 bis 30“ aus 450 Nominierungen ausgewählt. Ein hartes Ringen um eine Mischung, die schon seit der Premiere 2006 alle möglichen Facetten eines jungen Journalismus zeigen soll. Hart wird es jedes Mal, weil wir aus den vielen sehr guten Nominierungen eben nur 30 auswählen können. An jenem Freitag war die Zeit gekommen, die „Top 30“ persönlich zu informieren, dass sie zum Jahrgang 2024 gehören.
 
Von Telefonat zu Telefonat zeigte sich: Unsere „Top 30“ sind äußerst umtriebig, vielseitig und wirklich überall erreichbar. Dabei meine ich jetzt nicht nur den einen, der meinen Anruf annahm, während er sich ein Tattoo stechen ließ. Oder die andere, die gerade in Indien einen Yoga-Kurs absolvierte, als das Telefon klingelte. So wartete eine weitere in Peking auf ihren Dreh zum China-Besuch des Wirtschaftsministers Robert Habeck, wiederum andere waren in ihren Rollen als Korrespondentinnen und Korrespondenten in New York, London, Tel Aviv oder Beirut unterwegs. Und natürlich genauso viele, die hierzulande im Lokalen unverzichtbare Arbeit leisten oder als Freie oder Feste in den unterschiedlichsten Formaten und Medien die Zukunft des Journalismus verkörpern. Stellvertretend für das Talent und die Vielseitigkeit unserer aktuellen „Top 30“ steht Tessniem Kadiri auf dem Cover dieser Ausgabe – mit 23 Jahren ist sie die jüngste in unserer Nachwuchs-Liste 2024. (Seite 52, Leseprobe hier)
 
Ach ja. Beim ersten Blick auf diese Liste werden Sie sich vielleicht wundern. Denn dort sind gleich fünf Talente der „Süddeutschen Zeitung“ vertreten. Hieß es aber nicht erst vor wenigen Wochen in diesem Magazin („Chaos, Krise, Krach“), der SZ laufen die Talente weg? Beides stimmt. Ja, die SZ hatte und hat überproportional viele Abgänge. Und ja, sie hat außergewöhnliche Talente in ihren Reihen. Wenn wir über Medienhäuser, ihre Akteurinnen und Akteure kritisch berichten, heißt das selbstverständlich nicht, dass wir nicht ebenso Positives würdigen. Dort genauer hinzusehen, wo es Licht und Schatten gibt, gehört schließlich zu unseren Kernaufgaben. So schaffen es (auf einem gemeinsamen Platz als Team) vier Talente aus dem SZ-Datenressort auf unsere Liste. Genauso wie eine junge Kollegin aus dem Investigativen. Und ebenso junge Kolleginnen und Kollegen, die sich beim öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerk Funk einen Namen machen, obgleich wir in dieser Ausgabe auch auf die Schatten von Funk blicken. (Seite 28)
 
Wenn sich so viele Talente mit großartigem Potenzial finden – und es sind angesichts der spannenden Nominierungen noch deutlich mehr, als wir sie in den „Top 30 bis 30“ abbilden können –, dann sind wir in Sachen Nachwuchs doch auf einem guten Weg in unserer Branche. Oder? Jein. Das „Spezial“ dieser Ausgabe widmet sich der anderen Seite der Medaille: einer zunehmenden Nachwuchsflaute bei Medienhäusern, die Schwierigkeiten haben, Talente für den Journalismus zu gewinnen und zu halten. Und das betrifft nicht nur Lokalredaktionen. (Seite 66)
 
Goodbye, Anchorman
 
Es müsste der erste Schultag in der sechsten Klasse gewesen sein. Ich lag auf der Couch im Wohnzimmer meines fränkischen Elternhauses, als meine Mutter zur Haustür hereinstürmte und rief: „Schnell, mach den Fernseher an!“ Ein bisschen irritiert zappte ich durch die Kanäle und landete rasch bei RTL: So sah ich mit meiner Mutter gemeinsam das zweite Flugzeug in das World Trade Center einschlagen.
 
Was klingt wie eine Plattitüde, ist wahr: Meine Welt war fortan eine andere. Später sollten mich die Kriege in Afghanistan und im Irak politisieren. An jenem 11. September aber wurde mir, all dem Schrecken zum Trotz, den ein Elfjähriger kaum in seiner Tragweite erfassen konnte, schon klar: Was der Fernsehmoderator Peter Kloeppel bei RTL da gerade leistet, ist ungeheuer wichtig. Es war wohl der Moment, in dem ich Journalismus in seiner Bedeutung, aber auch erstmals als Berufsfeld anfing zu begreifen.
 
Nun hört Peter Kloeppel, der für Millionen Menschen mit den Erinnerungen an 9/11 verbunden ist, der im Lauf der Jahre immer wieder zum beliebtesten Nachrichtenmoderator Deutschlands gewählt wurde, nach über 30 Jahren als Anchorman auf. Herausgeberin Annette Milz, die 2001 längst schon die Geschicke des „medium magazins“ leitete und Kloeppel kurz nach dem Terroranschlag zum „Anker im Bildermeer“ auf dem Titel machte, und ich hatten eine Idee: Lass ihn uns für ein Gespräch zu dritt anfragen. Annette, die als langjährige „medium magazin“-Chefredakteurin Peter Kloeppel dessen gesamte Laufbahn über begleitet hat, und ich, der in ihm eines der frühen Vorbilder sah, aber noch nie mit ihm gesprochen hatte. So folgte auf seine prompte Zusage ein Gespräch, in dem es gleichermaßen um seine Karriere ging wie um das, was guten Journalismus ausmacht und künftig prägen wird. (zur Leseprobe, Seite 18)

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Herzlich,

Ihr Frederik von Castell

 

 
Cover des Die Ausgabe medium magazin 03/2024  mit allen „Top 30 bis 30“-Talenten im Journalismus und dem großen Interview mit Peter Kloeppel zu seinem Abschied als RTL-Anchorman über seine Fähigkeiten, seine Defizite und wertvolle Tipps, etwa dazu, wie man live Blutleere im Kopf meistert. Außerdem: Im „Spezial: Talente finden“ erfahren Sie, welche Probleme Medienhäuser bei der Suche nach Nachwuchs haben – und wie sie sie lösen wollen. Dazu wie immer jede Menge Nutzwert für die journalistische Praxis (etwa zu sicheren Recherchieren und wie man Berliner Behörden-Chaos mit Datenjournalismus auf die Schliche kommt). Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich. 
 
 
 
 
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