Medium Magazin 03/2020
EDITORIAL / Annette Milz, Chefredakteurin
Bitte mehr Respekt!
Nichts ist sicher in diesem aktuellen Ausnahmezustand. Gewiss aber ist: Wir alle sollten besser zuhören.
Wen wird es treffen – und wen nicht? Welcher Arbeitsplatz bleibt sicher, welcher nicht? Wie und wann kann ein Aufschwung gelingen in einer Situation, die jetzt schon als schlimmste Krise der Nachkriegszeit historische Dimension hat?
Der Sommer 2020 ist eine Zeit der großen Verunsicherung. Gespeist durch düstere Wirtschaftsweisen-Prognosen scheint nur eines gewiss: Die Erholung wird schwer und für einige unmöglich. Noch ist Kurzarbeit fast überall das Mittel der Wahl, um Schlimmeres zu vermeiden. Auch in der Medienbranche. Und auch in unserer Verlagszentrale. Deshalb haben wir diese Ausgabe in weiten Teilen erneut gemeinsam mit unseren Schwesterzeitschriften „Schweizer Journalist“ und „Österreichischer Journalist“ produziert.
Doch welche berufliche Zukunft erwartet sie und all die anderen Top30er nun? „Nichts wird mehr so sein, wie es war“ war eine so häufige Aussage zu Beginn der Krise, dass wir uns gefragt haben: Stimmt das wirklich? Wird der „Booster für die Digitalisierung“ – wie nicht nur Verleger Robert Dunkmann die Corona-Krise nannte (medium magazin 02/2020) – nachhaltig Strukturen und Inhalte der journalistischen Arbeit verändern? Wird der faktisch erzwungene Wandel von Terminzum Themenjournalismus im Lokalen Bestand haben (Seite 60), wie wird sich das Arbeiten im Homeoffice auf die Newsrooms auswirken (Seite 88), wie verhalten sich Verlage in Zeiten der Not gegenüber ihren Freien (Seite 54), für wen sind Freien-Kollektive eine Alternative (Seite 84)?
Zumindest in den Grundregeln unseres Berufs sieht Anne Will keine Änderungen (Seite 36). Wir haben mit ihr über die neue Gesprächskultur des Zuhörens gesprochen, die sich in der Zeit des Stillstands entwickelt hat. Ob das Bestand hat? Es wäre wünschenswert – wahrlich nicht nur in Talkshows. Denn in der auflebenden Bewegung nach dem Stillstand entlädt sich eine brachiale Emotion hierzulande, die überrascht – vor allem diejenigen, die vorher vielleicht zu wenig zugehört haben: Wie es Menschen in Deutschland und auch Kolleginnen und Kollegen ergeht, die nur aufgrund von äußeren Merkmalen wie Hautfarbe schlechter behandelt werden, wie es ist, unter Generalverdacht zu stehen, nur weil man anders als die Mehrheitsgesellschaft aussieht.
In dieser Ausgabe beschreiben sechs junge Journalistinnen und Journalisten – Top30er der Vorjahre –, wie sie Diversität in Redaktionen erleben (Seite 24). Dort ist oft die Rede von „People of Color“ (PoC) oder „Black, Indigenous, People of Color“ (BIPoC). Die Tragweite an Bedeutung dieser Kürzel wird spätestens klar, wenn man das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher liest. Dennoch frage ich mich, ob diese Anglizismen im deutschsprachigen Journalismus der richtige Weg sind, um den berechtigten Anliegen breitere Akzeptanz zu verschaffen. Eine verständliche Sprache ist das wichtigste Handwerkszeug im Journalismus. Daran ändert auch der Corona-Ausnahmezustand nichts. Ebenso klar ist aber auch: Wir sollten einander besser zuhören, auch was die Diversität unserer eigenen Branche betrifft. Und Respekt üben!