Medium Magazin 02/24
EDITORIAL / Frederik von Castell, Chefredakteur
Krachs Hoffnung, König Fußball und Feedback
Vielleicht geht es Ihnen auch so: Wir waren schon ein wenig verwundert darüber, was Wolfgang Krach meiner Kollegin Senta Krasser und mir in den vergangenen Tagen mehrfach geraten hat. Oder wie er es formulieren würde: Was er doch sehr hofft. Nämlich, dass das „medium magazin“ sich an die „journalistische Tugend“ halte, „eine Geschichte nicht ausschließlich auf anonyme Zitate zu stützen“. Tja.In den vergangenen Wochen haben wir intensiv recherchiert, wie es um die krisengeschüttelte SZ bestellt ist. Schließlich erscheinen über das Medienhaus schon seit einer Weile fast so viele Schlagzeilen, wie die SZ sie selbst produziert. Sei es die Kritik an der Berichterstattung zu Hubert Aiwanger und dem antisemitischen Flugblatt, seien es die jüngsten Nachrichten von weiteren Stellenkürzungen und dem Verprellen von Pauschalistinnen und Pauschalisten oder der öffentliche Selbstzerlegungsprozess um Krachs Suche nach einem Maulwurf in der Redaktion. Und dann ist da noch der ungewöhnlich lang anhaltende Braindrain: Zu viele Topkräfte kehren dem Münchner Medienhaus den Rücken.
Auf der Suche nach dem Warum haben wir viele Gespräche geführt, haben mit vielen ehemaligen und aktiven Beschäftigten der SZ unabhängig voneinander geredet. Sie sprachen offen, baten aber um Anonymität. Sie eint die Sorge um die SZ. Und dass sie immer wieder vor allem einen Namen nennen: Wolfgang Krach. Alle unsere Gesprächspartner halten ihn für einen ausgezeichneten Journalisten. Und zugleich sehen alle in ihm und seiner Redaktionsführung eine Ursache der SZ-Dauerkrise. Natürlich gaben wir ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme, mehrfach. Ein Interview lehnte er ab, bot aber ein Hintergrundgespräch an. Eine Stunde lang hörte er sich an, was wir zusammengetragen hatten, und äußerte sich dazu. Zitate wollte er uns nicht freigeben, auch nicht, als wir nach dem Gespräch noch einmal nachhakten. Er wiederholte lediglich seine „Hoffnung“.
Schade: Ausgerechnet Krach, der zu Recht als ausgezeichneter Investigativer gilt und dessen glorreichste Phase in der SZ-Chefredaktion jene war, in der er die „Panama Papers“ (Ausgangspunkt: eine anonyme Quelle) ermöglichte, missinterpretiert ein Grundprinzip journalistischen Arbeitens. Quellen und ihre Motive sind sorgfältig zu prüfen; aber Quellen die Möglichkeit zur anonymen Äußerung zu geben, ist ebenso wichtig. Ob Krachs Ratschlag tatsächlich seiner Haltung entspricht? Oder doch vom Umstand herrührt, dass unsere Recherche im Ergebnis nicht gut für ihn aussieht? Wissen wir nicht. Was wir dafür erfahren haben, können Sie in unserer Titelgeschichte lesen (Seite 16, zur Leseprobe).
Und nun zum Sport
Das „Spezial“ dieser Ausgabe wiederum geht der Frage nach, wie Sportjournalismus gelingt, ohne König Fußball am Spielfeldrand zu hofieren. Ein Überblick: Florian Reis war als Kaiserslautern-Fan lange mit einer Dauerkarte im Stadion. Inzwischen sitzt er auf der Pressetribüne des FCK, berichtet als Sportreporter für dpa über den eigenen Lieblingsverein. Geht das denn überhaupt? (Seite 70.)
Außerdem: Welche Gefahr Holger Gertz, Sportjournalist des Jahres 2023, für seine Zunft sieht (Seite 60), was die „Sportschau“-Moderatorin Lea Wagner über das Standing von Frauen im Sportjournalismus sagt (Seite 64) und wie sich ausgerechnet ein englischer Reporter in deutschen Bundesligastadien hervortut (Seite 74).
Danke für das (allermeiste) Feedback
Sehr positiv aufgenommen wurde unsere neue Kolumne „einerseits … andererseits“, die wir natürlich fortsetzen (Seite 29). Zuletzt hatte Tanjev Schultz sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Idee Caren Miosgas, auch AfD-Gäste in ihre ARD-Sendung einzuladen, eine gute sei.
Inzwischen hat Miosga den Plan in die Tat umgesetzt, mit Tino Chrupalla als Gast. Sie hätte es lassen sollen. Recherchefehler, die Chrupalla zum Konter einluden, paarten sich mit heiterem Gelächter von Publikum, Chrupalla und auch Miosga. Es bleibt zu konstatieren, was Tanjev Schultz vorhersah: Talkshows wie diese tragen lediglich zur Normalisierung dieser Partei bei. Und: „Niemand wird dadurch schlau.“ Als wir den Text online stellten, dauerte es nicht lange, bis ich wütende Anrufe erhielt. Ein Anrufer nannte uns Demokratiefeinde und „Schaben“. Ein weiterer empfahl uns schlicht, „das Maul zu halten“. Wie geht es da erst Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich mit solchem Hass konfrontiert werden? Falls Sie darüber oder über andere Themen mit uns sprechen wollen, melden Sie sich gerne.
Herzlich,
Ihr Frederik von Castell
Die Ausgabe medium magazin 02/2024 mit der Titel-Geschichte über die Dauerkrise bei der SZ, Beiträgen zur Fehlerkultur im Journalismus und dem Umgang von Chefredaktionen mit Krisen, dem „medium magazin“-Spezial zum König Fußball und der Frage, wie Journalismus am Spielfeldrand gelingt, ohne den Profisport zu hofieren und jeder Menge Nutzwert für die journalistische Praxis (etwa zu Bilderrückwärtssuchen, Gesichterkennungs-KI und Do-It-Yourself-Monitoring) ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich.
Die Journalisten-Werkstatt „Kreative Routinen“ mit wertvollen Tipps ist im Abo von „medium magazin“ enthalten. Einzelhefte sind in unserem Shop erhältlich.