Medium Magazin 02/2022
EDITORIAL / Alexander Graf, Chefredakteur
Schlechte Stimmung im Süden
Ich finde, man darf auch nachträglich seinen Geburtstag feiern. Bevor deshalb gleich alle Profi-Rechercheure den Taschenrechner rausholen: Ja, dieses Jubiläumsheft zu 35 Jahren „medium magazin“ erscheint rein rechnerisch als „35 + 1“. Das hat verschiedene Gründe – vor allem aber die redaktionelle Neuausrichtung im vergangenen Jahr. Dennoch wollten wir nicht darauf verzichten, diese Zahl, auf die wir durchaus stolz sind, mit Ihnen gemeinsam zu würdigen. Allerdings nicht mit eitler Selbstbeweihräucherung, sondern mit einem Jubiläumsheft, das fragt, was auch morgen im Journalismus wichtig ist – und Sie als Medienprofis in Ihrem Berufsalltag weiterbringt.
Wenn Sie zum Beispiel über eine berufliche Veränderung nachdenken: Nur Mut! Immer wieder heißt es ja, der Arbeitsmarkt im Journalismus sei an Trostlosigkeit nicht zu überbieten. Schlechte Bezahlung, miese Stimmung, kaum Perspektiven. Gleichzeitig blieben Talente aus diesem Grund zunehmend der Branche fern. Ein Teufelskreis, aus dem es schleunigst auszubrechen gilt. Völlig aus der Luft gegriffen ist diese Beschreibung nicht. Wir wollten es aber genauer wissen und haben uns deshalb auf dem Medien-Arbeitsmarkt umgeschaut. Und siehe da: Es gibt sie, die offenen Stellen. Und zwar überall. Medienhäuser suchen fähige Leute. Wo 2022 sogar noch Stellen ausgebaut werden sollen und welche journalistischen Skills besonders gefragt sind, lesen Sie ab Seite 74.
Ein bemerkenswert offenes Gespräch
Unsere Titelgeschichte möchte ich Ihnen ganz besonders ans Herz legen. Auch oder gerade weil sie wie ein Paradebeispiel für den eben erwähnten Pessimismus scheint. Denn sie zeigt, dass kleingeistige Sparmaßnahmen, eine veraltete Unternehmenskultur und unattraktive Bezahlung auch in die renommiertesten Häuser Unmut bringen können. Aktuell ist bei der „Süddeutschen Zeitung“ in München nämlich ziemlich dicke Luft. Mehrere journalistische Spitzenkräfte haben in der jüngeren Vergangenheit die Redaktion verlassen. Mein Kollege Wolfgang Messner vom „Wirtschaftsjournalist“ hatte dazu schon seit Wochen zahlreiche Recherchegespräche geführt und mir immer wieder von Frust in der Redaktion und den Gründen dafür berichtet. Unter anderem wird mangelnde Wertschätzung seitens der Chefredaktion und eine knallharte Durchsetzung des Sparplans beklagt. Mitte April schrieb dann auch der Branchendienst Medieninsider über diese Probleme.
Bislang haben die Chefredakteure Judith Wittwer und Wolfgang Krach allerdings auf ausführliche und offene Stellungnahmen zu den Vorwürfen verzichtet. Mit dieser Ausgabe von „medium magazin“ ändert sich das nun. Denn Messner konnte Ende April exklusiv mit den beiden über die Situation und die durchaus persönliche Kritik an ihnen sprechen. Es ist zugleich das erste Interview überhaupt, das die SZ-Doppelspitze gemeinsam gibt.
Es ist ein bemerkenswertes Gespräch geworden. Zum einen, weil Messner immer wieder kritisch nachbohrt und die richtigen Fragen stellt. Zum anderen, weil Wittwer und Krach teilweise tief in das Verhältnis zu den Gesellschaftern der SWMH blicken lassen und gleichzeitig ein unerschütterliches Selbstbewusstsein demonstrieren, von dem man nicht weiß, ob es Lösung oder Ursache der kolportierten Probleme sein könnte. Aber machen Sie sich ab Seite 20 am besten selbst ein Bild.
Auf ein Wiedersehen
Auch wenn derzeit wieder so etwas wie Normalität in die Veranstaltungskalender einkehrt: Mein Bedürfnis nach persönlichem Austausch ist nach über zwei Jahren Pandemie noch lange nicht gestillt. Da kommt zur rechten Zeit, dass ich in den kommenden Wochen wieder einige von Ihnen bei unseren Veranstaltungen treffen oder kennenlernen darf. Am 23. Mai steigt die Preisverleihung für die „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ im Berliner Hotel Oderberger.
Am 19. und 20. Juni findet dann der European Publishing Congress in Wien statt. Dort wartet ein Programm voll mit hochkarätigen Speakern und zukunftsweisenden Themen aus unserer Branche auf Sie. Tickets gibt es auf www.publishing-congress.com. Ich freue mich auf Sie!