Medium Magazin 01/25
EDITORIAL / Frederik von Castell, Chefredakteur
Nie dürft ihr so tief sinken …
… von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken – Erich Kästner. Warum wir mit dem nächsten Shitstorm rechnen und auch den in Kauf nehmen.
Entweder hat Sie niemand vor uns gewarnt – oder Sie sind kein anständiger Mensch. Denn ein solcher sollte unser „Blatt“ nicht „mehr in die Hände nehmen“, lässt uns jemand per Mail wissen. Jemand anderes schreibt uns, dass wir nun in der Phase wären, in der „Herr Göbbels bis
kurz vor Kriegsende unterwegs war“. „Und weil es so gut passt“, schließt er mit einem „Zitat von Theodor Körner“, das dem Dichter fälschlicherweise zugeschrieben wird: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und dann Gnade euch Gott.“ Man muss wissen: Körners patriotische Gedichte wurden von den Nationalsozialisten für Propaganda genutzt. Körners „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ etwa landete abgewandelt in Joseph Goebbels’ Sportpalastrede.
Was wir getan haben? In unserer vergangenen Ausgabe haben wir das Correctiv-Team hinter „Geheimplan gegen Deutschland“ als „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ (JdJ) 2024 ausgezeichnet, gemäß unserem Jury-Votum. Auch auf X bekommen wir zu der Ausgabe so allerhand zu lesen. „Das nennt man Rudelbumsen. Was seid ihr nur für ein widerlicher Dreckhaufen, die sich selbst einen runterholen und das Volk mit Regierungspropaganda verblöden. Ihr seid zum Kotzen.“ 13 Brech-Emojis vollenden diesen Post. Der anonyme Verfasser reagierte auf einen Post des Accounts „Maischberger“, in dem das ARD-Format die JdJ-Auszeichnung für Sandra Maischberger (Kategorie Unterhaltung) geteilt hat. An Robin Alexander, Platz 2 in der Kategorie Politik, schreibt eine andere Person: „Überbezahlte #Journobonzen pudern sich gegenseitig den Arsch. Geh auf der Autobahn mit Kreide spielen. Sie sind ein Unsympath.“
Allein unsere Redaktion hat Hunderte solcher Posts und Mails um den Jahreswechsel bekommen. Welche Emojis ich für deren Beantwortung gewählt hätte, soll hier keine Rolle spielen. Dafür aber: Correctiv, Maischberger, Alexander und die vielen anderen Journalistinnen und Journalisten, die unsere Jury gewählt hat, haben unsere Anerkennung verdient.
Der nächste Shitstorm?
Unsere Titelgeschichte, an der Veronika Völlinger und ich über Monate saßen, nimmt die Redaktion „Apollo News“ und ihren 22-jährigen Gründer, Geschäftsführer und Chefredakteur Max Mannhart in den Blick. Die Geschichte von „Apollo“ ist bemerkenswert. 2018 als Schülerblog gestartet, ist das Portal inzwischen der Shootingstar unter den Alternativmedien – und will eine „Führungsrolle erobern“, wie Mannhart sagt. Die Konkurrenz: „Tichys Einblick“, wo „Apollo“ mal als Jugendredaktion angegliedert war, oder „Nius“ von Julian Reichelt, für den einige „Apollo“-Redaktionsmitglieder zuvor gearbeitet haben. Der ehemalige „Bild“-Chef hat auch im Zuge unserer Recherche eine für ihn typische Rolle gespielt. Aber dazu in der Titelgeschichte mehr.
Unser Ziel war von Anfang an: recherchieren, analysieren, mit „Apollo“ selbst sprechen, konfrontieren, fair sein. Zur Fairness gehört auch, zu sagen, wenn man selbst Fehler macht, also einmal freiwillig ab durch den Kakao: Als wir Max Mannhart die Aussagen aus unserem langen Gespräch zur Autorisierung und weitere Fragen zusenden, vertue ich mich im Datum – statt drei Werktagen (plus Wochenende dazwischen), wie wir es im Gespräch grob verabredet hatten, gebe ich aus Versehen eine Woche später als geplant als Frist an. Da wären wir aber bereits im Druck. Als der Fehler ein paar Tage später auffällt, vereinbaren Mannhart und wir von da an drei volle Werktage. Mannhart antwortet pünktlich.
Post, über die wir uns freuen
Wir sind gespannt auf Ihr Feedback zu unserer Recherche und freuen uns über jeden Hinweis. Melden Sie sich gerne per Mail (redaktion[at]mediummagazin.de) oder über unsere Social-Media-Kanäle. Denn Shitstorms hin oder her, es gilt wie immer: Lob tut gut. Kritik bringt uns weiter.
Herzlich,
Ihr Frederik von Castell
PS: Bis 25. April können Sie Ihre Vorschläge für die „Top 30 bis 30“ abgeben!
Die neue Ausgabe ist da: Welche Mission verfolgt das junge Alternativmedium „Apollo News“, das einen Raketenstart in die rechte Umlaufbahn hingelegt hat? Eine exklusive „medium magazin“-Recherche zu Apollos fragwürdiger Mission. Außerdem geht es in der neuen Ausgabe um die großen Zukunfts-Themen der Branche: Warum „Kollege KI“ trotz aller Bedenken und Herausforderungen eine Chance für den Journalismus darstellt. Ob die Räume des Sagbaren wirklich so ausgedehnt werden sollten, wie es sich Mathias Döpfner vorstellt. Wie Regionalzeitungen in Ostdeutschland um die Zukunft ringen. Wie und warum man ohne Chefredaktion arbeitet. Was sich ändern muss, damit Kinder für Journalist:innen nicht mehr zum Karrierekiller werden. Wie Journalismus ohne Selbstausbeutung gelingen kann. Und warum Schluss damit sein muss, dass Medien Fake-Anzeigen Platz einräumen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit erhalten wollen. Dazu im Interview Ranga Yogeshwar, der sagt: „Wir dürfen das nicht mehr zulassen!“ Diese und viele weitere Themen und wie immer jede Menge Praxis-Tipps ab jetzt im neuen „medium magazin“ – ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.
Um das „Megathema Zukunft“ geht es übrigens auch in der neuen „Journalisten-Werkstatt“ von Barbara Maas. Die „Werkstatt“ liegt im „medium magazin“-Abonnement gratis bei. Einzeln ist sie zudem im Shop erhältlich.