Kurznachrichtendienst: Was tut sich bei X und Co. 2025?

In seiner Kolumne Kurznachrichtendienst leistet Gavin Karlmeier allen, die auf der Suche nach dem ­„neuen Twitter“ den Überblick verloren haben, Hilfe. Im „medium magazin“ 06/24 wagt er Prognosen für das Jahr 2025.


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"medium magazin"-Kolumnist Gavin Karlmeier In seiner Signatur steht „Internettyp“ – und das trifft es viel besser als Bezeichnungen wie „Digitaljournalist“, ­„Formatentwickler“ oder „Podcaster“. Gearbeitet hat er schon für Redaktionen ­quasi aller öffentlich-rechtlichen ­Häuser, für private Medien und ab und an für Unternehmen. Meistens saß er dabei am Rechner und hat getwittert. Internettyp eben. In dieser Kolumne leistet Karlmeier allen, die auf der Suche nach dem ­„neuen Twitter“ den Überblick verloren haben, Hilfe. Foto: Daniel Senzek“ width=“220″ height=“220″> „medium magazin“-Kolumnist Gavin Karlmeier
In seiner Signatur steht „Internettyp“ – und das trifft es viel besser als Bezeichnungen wie „Digitaljournalist“, ­„Formatentwickler“ oder „Podcaster“. Gearbeitet hat er schon für Redaktionen ­quasi aller öffentlich-rechtlichen ­Häuser, für private Medien und ab und an für Unternehmen. Meistens saß er dabei am Rechner und hat getwittert. Internettyp eben. In dieser Kolumne leistet Karlmeier allen, die auf der Suche nach dem ­„neuen Twitter“ den Überblick verloren haben, Hilfe.
Foto: Daniel Senzek

Das Jahr 2024 geht zu Ende – und ich spreche sicherlich für viele, wenn ich sage: Na endlich! 2024 hat Social-Media-Profis wie User an die Grenzen des Denkbaren gebracht. Elon Musk wurde zum ­De-facto-Oligarchen und hat mit seiner Plattform X den einst von dort verbannten Donald Trump tatkräftig auf dem Weg ins Weiße Haus unterstützt. Dafür hat er (wie so oft) bereitwillig Versprechen, diesmal hinsichtlich der Neutralität der Plattform, gebrochen. Aber nicht nur politisch hat Musk Willkür walten lassen. Man erinnere sich an die Klagen gegen Unternehmen, die sich dazu entschieden haben, nicht mehr auf X zu werben. Oder an den Streit mit Brasilien, der dazu führte, dass die Plattform dort für einige Wochen nicht mehr erreichbar war. Oder an das Interview mit Ex-CNN-Moderator Don Lemon, den Musk exklusiv unter Vertrag nahm, dann aber wegen seiner Fragen noch vor der Premiere des Formats wieder rauswarf.

Bluesky hingegen hat als eine der hier so oft besprochenen potenziellen Twitter­alternativen ein Momentum erlebt, bei dem wir nun abwarten müssen, wie nachhaltig es ist – oder ob am Ende doch Threads der neue „place to be“ wird. Das Rennen scheint offener denn je. Zumal auch Threads mit Mark Zuckerberg einen bisweilen abstrus auftretenden Eigentümer aufweisen kann. Wer hätte es zum vergangenen Jahreswechsel schon für möglich gehalten, dass ausgerechnet Zuckerberg mal mit Goldketten, eigenem Modelabel und Raptrack (Cover von „Get Low“) von sich reden macht?

Die größten Veränderungen 2024 rührten aber nicht von eigenwilligen Eigentümern und Nutzerwanderungen her, sondern von EU-Regulierungen. Denn „Digital Services Act“ und „Digital Markets Act“ sind vermutlich die wirksamste Waffe im Kampf gegen die Willkür der Unternehmen. Bislang resultierte zwar keines der Verfahren in einer Geldstrafe – aber vielleicht führt schon das Säbelrasseln der EU zum Umdenken bei den Netzwerken. Fest steht: Auch 2025 werden wir über diese Themen sprechen müssen. Und darüber, ob der Bundestagswahlkampf tatsächlich Dieter Bohlen zum deutschen Musk gemacht haben wird.

 


 

X (Twitter)

Was 2024 geschah

2024 war das Jahr, in dem X ganz unverhohlen das Versprechen, politisch unabhängig zu bleiben, gebrochen hat. Eigentümer Elon Musk sprang nicht nur bei Wahlkampfauftritten Donald Trump zur Seite (und dabei auf und ab), sondern wird 2025 auch für die Regierung arbeiten. Sein Netzwerk zieht voll mit: Seit dem 13. Juli 2024, an dem Musk seinen Trump-Support verkündete, wuchs das Engagement auf X auf republikanischen Accounts deutlich stärker an als auf demokratischen.

 

Was 2025 ansteht

Die Nähe zwischen Musk und Trump wird uns auch 2025 noch beschäftigen – denn: Musk profitiert aus vielerlei Gründen von der Nähe zum künftigen Präsidenten: Als CEO von Tesla hofft er auf eine unternehmensfreundliche Regulierungspolitik, als CEO von SpaceX auf lukrative Regierungsdeals – und als Inhaber von X, dem früheren und neuen Sprachrohr des früheren und neuen Präsidenten, darf er jetzt schon von wiederkehrenden Werbetreibenden profitieren.

 

Emotionen und Prognosen

Selbst Disney ist bereits als Werbetreibender wieder zu X zurückgekehrt. Ja, Disney, dessen CEO von Musk von einer Bühne in vulgärster Sprache zugerufen wurde, er möge sich verziehen. Das zeigt: Der Respekt vor Präsident Trump ist bei den Unternehmen in den USA immens. Wie lange es zwei machtbesessene Alphamänner wie Musk und Trump allerdings miteinander aushalten, wird die spannendste Frage des neuen Jahres.

 


 

Bluesky

Was 2024 geschah

Erst fangen sie ganz langsam an, aber dann: Bluesky nahm spätestens zur US-Wahl massiv an Fahrt auf. Innerhalb weniger Tage meldeten sich mehrere Millionen Menschen an. Sie haben dem Netzwerk ein Momentum beschert, das einigen das Gefühl gab, es sei möglicherweise endlich eine echte Twitteralternative gefunden worden. Der von Armin Wolf (ORF) losgetretene #eXit in Österreich zeigt: Es ist möglich, gemeinsam woanders neu anzufangen.

 

Was 2025 ansteht

2025 wird für Bluesky spannend – und mühsam. Zum einen müssen die Betreiber einige Features (lange Videos? Live­streams?) nachliefern, die von der Twitterdiaspora erwartet werden. Zum anderen muss Bluesky zeigen, dass es Probleme bei der Content-Moderation oder auch immer wieder auftretende Serverausfälle in den Griff kriegt. Denn wer oben mitspielen will, braucht die richtigen Werkzeuge.

 

Emotionen und Prognosen

Ich bin höchstens vorsichtig optimistisch. Nichts wünsche ich mir mehr als eine richtige Echtzeit-Microbloggingplattform, die nicht in Elon Musks Händen liegt. Aber wir haben schon viele Hypes in der Social-Media-Welt erlebt: Was haben sich Menschen auf Google+ oder Clubhouse gestürzt und gehofft, beim Entstehen des neuen digitalen Zuhauses dabei zu sein, nur um kurz darauf ihre Lobeshymnen klammheimlich wieder zu löschen. Das kann auch Bluesky noch passieren.

 


 

Threads

Was 2024 geschah

Threads hat in diesem Jahr einige Berg- und Talfahrten durchgemacht. Wir haben Phasen erlebt, in denen Menschen in höchsten Tönen vom Instagram’schen Twitterklon schwärmten – aber als Nutzerinnen und Nutzer auch immer wieder Frust über kaputte Algorithmen erlebt. Der Stresstest US-Wahl hat Threads wackelige Architektur deutlich gezeigt. Es war kaum möglich, in Echtzeit informiert zu bleiben. Das muss eine Twitter-Alternative aber leisten können – oder sie ist wertlos.

 

Was 2025 ansteht

Werbung! Threads ist in rasendem Tempo gewachsen und erfüllte damit wohl die Kriterien, um auch wirtschaftlich für Meta interessant zu werden. Zum Start des neuen Jahres will man mit der Monetarisierung beginnen. Netzwerke, die das anstreben, erleben eigentlich immer den gleichen Prozess: Qualitativ hochwertige Angebote werden seltener. Threads könnte diese „Enshittification“ in Rekordzeit erreichen.

 

Emotionen und Prognosen

Die Entscheidung, dass Threads „unpolitisch“ qua Steuerung durch Algorithmen bleiben soll, lässt sich nicht durchdenken: Einerseits kommen „Custom Feeds“ und locken politische Akteure, die sich dort in Stellung bringen, andererseits pusht der Algorithmus vornehmlich unverfänglichen Content. Die Zielgruppe solcher Microbloggingplattformen wollen aber mindestens beides – und ich hoffe, dass Meta das auch merkt.

 


 

„Haken dran“ am 08.01.2025

Im Podcast „Haken dran“ schaut Gavin Karlmeier dreimal wöchentlich darauf, was sich in sozialen Netzwerken tut – mit wechselnden Gästen wie Nicole Diekmann oder Lorenz Meyer. Am 8. Januar 2025 ist „medium magazin“-Chefredakteur Frederik von Castell zu Gast in „Haken dran“.

 

 


 

Die "Journalistinnen und Journalisten des Jahres 2024": Marcus Bensmann, Justus von Daniels, Anette Dowideit, Gabriela Keller und Jean Peters von CorrectivAlle Preisträgerinnen und Preisträger in sämtlichen Kategorien der „Journalistinnen und Journalisten des Jahres“ 2024 können Sie im „medium magazin“ 06/24 entdecken. Dort finden Sie auch das große Titel-Interview mit Justus von Daniels, Anette Dowideit und Jean Peters. Außerdem in dieser Ausgabe: Der Jahresvorausblick 2025: Zwölf Medienschaffende wagen (nicht ganz ernstgemeinte) Prognosen für das kommende Jahr. Und: Wer ist das Mats Schönauer? Das Portrait des Mannes hinter „Topf voll Gold“. Dazu gibt es wieder jede Menge praktischer Tipps von unsichtbar Recherchieren bis zum Test von KI-Transkriptions-Tools. Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.