Kampf der Lokalen gegen die Voloflaute

vrnl: Claus Liesegang (LR/MOZ), Nina Harms (Zeitungsgruppe Ostfriesland) , Markus Weckesser (JAB Baden-Württemberg), Holger Paesler (VSZV)
vrnl: Claus Liesegang (LR/MOZ), Nina Harms (Zeitungsgruppe Ostfriesland) , Markus Weckesser (JAB Baden-Württemberg), Holger Paesler (VSZV)

Nachwuchs zu finden ist in Lokalredaktionen nicht mehr selbstverständlich. Eine Bestandsaufnahme von Ursachen und Lösungsansätzen. Den vollständigen Beitrag gibt es in der Ausgabe 03/24 des „medium magazin“ zum Nachlesen.

Text: Olivia Samnick


Die Veränderung kam schleichend, doch inzwischen ist sie nicht mehr zu übersehen: „Es stand lange Zeit immer ein Bewerber da und Verlage konnten einen Volo frei auswählen“, sagt Markus Weckesser, Seminarleiter bei der Journalistischen Aus- und Berufsbildung e. V. (JAB) in Baden-Württemberg. Nun aber kämpften die Lokalredaktionen Weckesser zufolge gegen schwindendes Interesse am Einstieg ins Lokale: weniger Bewerbungen, Imageprobleme, Konkurrenzdruck. Er glaubt: Die fetten Jahre, in denen sich die Medienhäuser den Nachwuchs spielend leicht aussuchen konnten, sind vorbei. Und das nicht nur im Südwesten.

„Das“ Volo gibt es nicht

24, so viele Lokalredaktionen sind es, die laut der JAB in Baden-Württemberg Volontärinnen und Volontäre ausbilden. Einem Adventskalender ähnlich verbirgt sich hinter jedem der 24 Türchen zum Start in den Journalismus etwas anderes: Mal dauert das Volontariat zwei Jahre, mal länger. Mal müssen Bewerber studiert haben, mal geht’s per Quereinstieg oder gerade erst bestandenem Abitur. Von Digitalvolo bis zu Videojournalismus variiert auch der Inhalt der Ausbildung stark.

Auch in anderen Regionen wirkt es, als seien die Wege in den Lokaljournalismus vielschichtig und damit attraktiv: „Früher hieß es: Wir fahren in die Druckerei! Heute machen wir das natürlich nicht mehr“, so Nina Harms. Das multimediale Volontariat beinhaltet stattdessen nun auch eine Station in der Videoabteilung. Die Redaktionsleiterin der Bezirksredaktion Emden-Norden ist seit 2016 für die Nachwuchsausbildung bei der Zeitungsgruppe Ostfriesland mitverantwortlich. Harms’ Zeitungsgruppe bildet für vier Lokalmedien aus: die „Ostfriesen-Zeitung“, die „Ostfriesischen Nachrichten“, den „General-Anzeiger“ und die „Borkumer Zeitung“, inklusive Station in der Videoredaktion.

Die Volos der Zeitungsgruppe sollen heute vor allem lernen, ein Thema in verschiedenen Formaten und Kanälen zu denken: vom Liveticker über klassische Berichte bis zu Social Videos. Gut gelungen sei das etwa beim regionalen Volksfest in Leer, dem Gallimarkt: „Da hieß es ‚Feuer frei auf allen Kanälen!‘.“ Die jungen Leute, sagt Harms, könnten so ihre Stärken kennenlernen und ausspielen.

Auch in Brandenburg versucht man sich breit aufzustellen: Claus Liesegang ist Chefredakteur der „Märkischen Oderzeitung“ und der „Lausitzer Rundschau“. Er verantwortet über 30 lokale und zentrale Teams mit gut 180 Mitarbeitenden und ist auch in die Volo-Auswahl involviert.
2017, als er den Posten des Chefredakteurs bei der „Märkischen Oderzeitung“ antrat, hat er das Volo erst mal umgekrempelt. Nun beinhaltet es unter anderem externe Stationen, etwa bei der Deutschen Presse-­Agentur (dpa) und in einer Pressestelle, und ist inklusiver geworden: „Das Hochschulstudium als Voraussetzung für eine Bewerbung haben wir komplett abgeschafft.“

Außerdem dauere das Volontariat inzwischen statt zwei ganze drei Jahre; mit dem Ziel, einen „vollumfänglichen Einblick in den Journalismus“ zu ermöglichen. Heißt: mehr Digitales, ohne die anderen, klassischen Ausbildungsinhalte zu kürzen. Der lange Zeitraum ist eher ungewöhnlich und ein Wagnis, wie Liesegang selbst einräumt.

Das Nachwuchsproblem

Solche Anpassungen wirken modern, sind letztlich aber auch aus einer Not heraus geboren: Die Umstellung des Volos in Brandenburg war nötig, da die Bewerberzahlen stark gesunken waren. Pro Ausbildungsjahr starten heutzutage mindestens drei neue Volontäre. Wird ein neuer Jahrgang ausgeschrieben, liegt die Anzahl an Bewerbungen im „satten, zweistelligen Bereich“, so Liesegang. Er selbst hat noch Zeiten erlebt, in denen sie deutlich höher, in jedem Fall dreistellig waren.

In der Zeitungsgruppe Ostfriesland sind derzeit vier Volontäre in der Ausbildung. Obwohl man mit aktuell gut 30 Bewerbungen pro Jahr und einer hohen Übernahme-Quote in Sachen Nachwuchs solide dasteht, sind die Zeiten der Bewerberflaute im Nordwesten nicht lange her. Es habe schon Jahre gegeben, in denen es nicht mal zehn Bewerber gab. „Durststrecken“ nennt Nina Harms das.

Und auch im Südwesten ist „der größte Schmerzpunkt aktuell die schwindende Bewerberzahl“, sagt Weckesser. Als Seminarleiter hat er Einblick in gleich mehrere Lokalmedien in Baden-Württemberg. Er macht sich Sorgen: „Es gibt Redaktionen, die Seminarplätze stornieren müssen, weil sie dann doch keinen geeigneten Bewerber gefunden haben.“ Ein Zeitungsvolontariat zu bekommen, das sei früher eine Auszeichnung gewesen. „Redaktionen mussten nicht einmal ausschreiben“, sagt auch Holger Paesler, Geschäftführer des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV).

Um das journalistische Handwerk zu lernen, müsse man unbedingt im Lokalen gearbeitet haben, hieß es lange wie selbstverständlich in der Branche. Deshalb nahmen Volontärinnen und Volontäre schlechte Bezahlung bei zugleich hohen Voraussetzungen an ihre eigene Vorbildung (Studium, Praktika) genauso in Kauf wie schwierige ­Arbeitsbedingungen.

Hat sich der Lokaljournalismus zu lange auf dieser komfortablen Situation ausgeruht?


Die Autorin

Olivia Samnick ist freie Journalistin, Filmemacherin, Podcasterin und Online-Redakteurin für das medium magazin.  Zum Thema empfiehlt sie eine Folge ihres „medium magazin“-Partnerpodcasts „Bonjourno“: Lokaljournalismus is not dead!


 

Cover des Die Ausgabe medium magazin 03/2024  mit allen „Top 30 bis 30“-Talenten im Journalismus und dem großen Interview mit Peter Kloeppel zu seinem Abschied als RTL-Anchorman über seine Fähigkeiten, seine Defizite und wertvolle Tipps, etwa dazu, wie man live Blutleere im Kopf meistert. Außerdem: Im „Spezial: Talente finden“ finden Sie diesen Beitrag in voller Länge. Dazu wie immer jede Menge Nutzwert für die journalistische Praxis (etwa zu sicheren Recherchieren und wie man Berliner Behörden-Chaos mit Datenjournalismus auf die Schliche kommt). Das neue „medium magazin“ ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich.