„Hallo, wie ist nun die Jahresbilanz, Herr Klusmann? – Teil 8
„Ein ganz harter Schnitt“ („FAZ“), „Kulturschock am Baumwall“ („Spiegel“), „Strategie aus Pappe“ („Focus“) – die Schlagzeilen der Medienseiten ließen nichts Gutes erwarten, als Gruner + Jahr (G+J) verkündete: Wir legen unsere Wirtschaftstitel zusammen, bauen 60 Stellen ab und lassen „Capital“, „Impulse“, „Börse Online“ und die „Financial Times Deutschland“ von einer Zentralredaktion in Hamburg befüllen. Die Konkurrenz spottete: „Gruner-Gulasch“, nannte „Wirtschaftswoche“-Chef Roland Tichy das Konzept, von „Kahlschlag“ war die Rede.
Entworfen hatte die Mammutredaktion Steffen Klusmann, damals als Chefredakteur ausschließlich für die „FTD“ verantwortlich – und eigentlich auch voll ausgelastet. Doch seit einem Jahr hat sein Arbeitstag noch ein paar Stunden mehr: Zum 1. März 2009 wurde sein Konzept umgesetzt, mit ihm als gesamtverantwortlichen Chefredakteur der G+J-Wirtschaftsmedien. Und wie lautet nun seine Jahresbilanz? Klusmann sagt: „Journalistisch ist es gut gelaufen. Nur die Wirtschaftskrise hat die Stimmung getrübt.“
Erstaunlich gut habe es funktioniert, 250 Zeitungs- und Magazinkollegen unter einem Dach zusammenzubringen. Klusmann handelte da nach der Devise: Nichts schweißt so schnell zusammen wie gemeinsame Arbeit. „Grabenkämpfe gab und gibt es bei uns nicht, dafür ist einfach keine Zeit.“ Die Mitarbeiter, die aus München und Köln neu dazukamen, hatte er in der Konferenz und den Ressorts vorgestellt, „aber dann haben wir einfach losgelegt“. Seither sind nur wenige wieder gegangen, von einem halben Dutzend spricht Klusmann. Wobei er einräumt, dass die Personalstabilität nicht an der guten Stimmung liegen muss, sondern auch der Krise zu verdanken sei: „Wenn auf dem Stellenmarkt mehr Bewegung gewesen wäre, hätte es natürlich sein können, dass ein paar mehr von den Pendlern gewechselt hätten.“
Inhaltlich steuerte Klusmann vor allem bei „Capital“ um; weniger Nutzwert, mehr Unternehmensgeschichten, so lautete sein erklärtes Ziel. Doch gleich bei der ersten Unternehmensgeschichte, an der er selbst mitgeschrieben hatte, kam es zur Panne. Auf dem Titel hatte der Chefredakteur „Die Erblast des Josef Ackermann” getextet – nur wenige Tage, bevor der Chef der Deutschen Bank seinen Vertrag bis 2013 verlängerte.“ Da war ich rückblickend gesehen einfach zu unvorsichtig”, sagt Klusmann. Zumal in der Geschichte selbst ja stand, dass sich die Signale für einen Verbleib von Ackermann an der Spitze mehren. Es war zudem das Heft, das sich am schlechtesten verkaufte im vergangenen Jahr. Klusmann will aber bei seinem Kurs bleiben – auch wenn klassischer Nutzwert am Kiosk weit besser läuft: Die bestverkaufte „Capital“-Ausgabe (knapp 33.000 Einzelverkäufe) hat mit dem „Immobilienkompass“ aufgemacht. Noch ein, zwei Jahre werde es dauern, bis die „Umpositionierung“, wie Klusmann es nennt, funktioniere.
Überhaupt die verkaufte Auflage: Bei „Capital“ (175.000) und „Impulse“ (112.000) sank sie im letzten Quartal 2009 um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als die Titel noch eigenständige Redaktionen hatten (s. Kasten). „Jeder Verlag schaut mittlerweile sehr genau darauf, welche Auflage betriebswirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Klusmann; er habe überhaupt nichts dagegen, wenn weniger Bord- exemplare und Sonderverkäufe in den Markt gedrückt werden. Er sei froh, wenn er die Auflage einigermaßen halten könne, so wie bei der „FTD“ (100.000), für die er im Laufe des Jahres ein Re-Design ankündigt – ausdrücklich keinen Relaunch, wie ihn der Konkurrent „Handelsblatt“ hinlegte. Denn an Zuwachs glaubt Klusmann höchstens im Digitalen, nämlich wenn es gelänge, die Frage zu lösen, die derzeit so gut wie jeden Verlagsmanager beschäftigt: Wie präsentieren wir unsere Angebote auf mobilen Lesegeräten wie dem iPad von Apple? „Innovation findet nicht mehr innerhalb von Print statt“, den Readern gehöre die Zukunft. Vor allem für die „FTD“ sieht er da Chancen. Aber warum gibt es die iPhone-App der rosa Zeitung dann gratis? „Das ist nur die Einführungsphase, wir legen mit einer Premium-App nach“, sagt Klusmann.
Für 2010 hat er angekündigt, sich wieder intensiver um die tagesaktuelle „FTD“ zu kümmern, an Zeilen zu schrauben, das Team anzutreiben – auch wenn er betont, wie sehr er seinen Stellvertretern Stefan Weigel (44) und Sven-Oliver Clausen (36) vertraue. Dass seine Zeitung weit seltener von anderen Medien zitiert wird als zum Beispiel das „Handelsblatt“, sieht Klusmann nicht als Relevanzverlust. „Ich weiß, wir haben mit dem Quatsch zwar mal angefangen, aber der Wettstreit um Zitationen führt zu haufenweise irrelevanten Meldungen“, sagt er. Er wolle mit echten, großen News zitiert werden, nicht mit Hinterbänklern, die auch noch ihren Senf dazugeben.
Bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen der „FTD“ Ende Februar konnte sich Klusmann immerhin über die Worte einer Politikerin aus der allerersten Reihe freuen: Angela Merkel sprach der Redaktion ihre Glückwünsche und Anerkennung aus – und sagte: „Ein bisschen Papier zwischen den Fingern – das wird auch die nächsten zehn Jahre noch gut tun.“ Ob die „FTD“ dann schwarze Zahlen schreiben wird? Klusmann versprach bei der Geburtstagsparty: „Alles wird gut.“ Oliver Trenkamp
* Das „medium magazin“ hat die ersten turbulenten zwölf Monate der neuen Groß-Wirtschaftsredaktion in der Rubrik „Wie geht‘s, Herr Klusmann?“ seit „mm“ 3/2009 kontinuierlich begleitet – nachzulesen im Online-Archiv unter www.mediummagazin.de.
Erschienen in Ausgabe 03/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 15 bis 15. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.