Fit für den Journalismus von morgen

Weiterbildungen sind im Beruf unerlässlich. Doch oft ist Medienschaffenden nicht klar, was ihnen an Bildungszeit zusteht und wer dafür zahlt. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Text: Antonia Groß

Das Neue und Wichtigste zuerst – dieser Leitsatz bestimmt nicht nur die Berichterstattung, sondern auch den handwerklichen Anspruch, den sich Medienschaffende auferlegen. Wie aber bleibt man dran, am Wichtigen und Neuen, wenn der Arbeitsalltag drängt? Wie eignen wir uns als Journalistinnen und Journalisten neue Fähigkeiten an, bleiben auf dem Laufenden bei neuen Themen, Techniken und Trends? 

Fest steht: Das Interesse, sich weiterzubilden, ist im Journalismus groß. Allein: Nicht immer erlaubt das Arbeitspensum, stunden- oder tageweise zu fehlen, nicht immer sorgen Vorgesetzte dafür, dass Redaktionsmitglieder sich fortbilden können. Denn leider gilt: Einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildungen gibt es nicht. Doch es gibt ein paar nützliche Hebel, die man ansetzen kann.

Was gilt für Angestellte?

Grundsätzlich besteht in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern und Sachsen ein Anspruch auf einen Bildungsurlaub von entweder fünf Tagen im Jahr oder zehn Tagen alle zwei Jahre. An diesen Tagen müssen Arbeitgeber die Angestellten wie an Urlaubstagen bezahlen. Der Inhalt muss dabei nicht an die berufliche Tätigkeit gekoppelt sein, Arbeitgeber haben aber auch keine Pflicht, die Kosten zu übernehmen. Ob Bildungsurlaub oder berufliche Weiterbildung – in der Regel ist es an den Angestellten, die Initiative zu ergreifen und ihre Teilnahme an einer Veranstaltung bei der Chefin zu beantragen. „Redaktionen, die Wert auf qualifizierte Mitarbeiter legen, werfen den ‚Bildungshungrigen‘ keine Knüppel zwischen die Beine, so unsere Erfahrungen“, sagt dazu DJV-Sprecher Hendrik Zörner. „Aber es kommt leider immer wieder vor, dass der soziale Druck in personell unterbesetzten Redaktionen groß ist. Denn wenn ein Kollege drei Tage auf einem Seminar ist, müssen andere seine Arbeit machen.“ Es heißt dann also, gut zu argumentieren – und die Details zu klären. Weshalb ist die Weiterbildung sinnvoll? Kann die Veranstaltung ganz oder teilweise in der Arbeitszeit gestaltet werden? Welche Fristen und Termine müssen dafür verlegt werden? Kann der Verlag die Weiterbildung finanzieren? Gibt es Fördermöglichkeiten? 

Anders ist es, wenn Weiterbildungen im individuellen Arbeitsvertrag geregelt sind. So verweist das Rechtsportal LTO darauf, dass ein Anspruch auf Fortbildungen im Arbeitsvertrag verhandelt werden kann. Oft beließen es Arbeitgeber jedoch bei Absichtserklärungen. Zudem sei es üblich, dass bei kostenaufwendigen Fortbildungen sogenannte Rückzahlungsklauseln eingeführt würden. Das kann etwa heißen: Der Arbeitgeber zahlt, und der oder die Angestellte verpflichtet sich, für einen festgelegten Zeitraum im Anschluss nicht zu kündigen. 

Der Karrierecoach Attila Albert empfiehlt, Weiterbildungen in Vertragsverhandlungen zwar anzusprechen, das Arbeitsverhältnis aber nicht davon abhängig zu machen. Besser sei es, „Gehalt, Kompetenzen, eventuell Stellentitel und persönliche Freiräume“ klar zu bestimmen. „Wenn das Gehalt ausreichend hoch ist, können Sie die Kosten selbst übernehmen. Wenn eine geplante Weiterbildung absehbar mit Ihren Arbeitszeiten kollidieren würde, sollten Sie das dagegen ansprechen, und den Umgang damit klären.“ Auch hier heißt es also wieder: Nach Argumenten suchen. Etwa: Was hat der Verlag oder die Redaktion davon? 

Was gilt für Selbstständige? 

Für freie Journalistinnen und Journalisten sind Weiterbildungen enorm wichtig – sie sind noch stärker als Angestellte selbst dafür zuständig, neue Methoden zu lernen und Themen zu erschließen. Gleichzeitig sind die Kosten bei Selbstständigen höher. Denn: Sie müssen nicht nur die Kursgebühren selbst bezahlen, sondern fallen zu diesen Zeiten beruflich aus und haben keine Einnahmen. Anja Reiter, im Vorstand des Berufsverbandes Freischreiber zuständig für Fortbildungen, erklärt: Es wäre richtiger zu sagen, dass sich Freie Fortbildungen „gönnen“ müssen. Aus ihrer Erfahrung an Fortbildungsinstituten wisse sie, dass Freie bei den meisten kostenpflichtigen Angeboten unterrepräsentiert seien. „Das liegt auch an der Barriere, in Vorleistung zu gehen“, sagt Reiter. 

Sie empfiehlt Freien deshalb, sich nach Stipendien umzusehen und in Berufsverbänden oder Gewerkschaften zu organisieren. Dort gibt es oft Angebote mit Freien-spezifischem Fokus. Viele Verbände bieten günstige Webinare, Workshops oder kostenlose Mini-Formate wie Online-Mittagspausen-Kurse an. „Und wenn das Geld gar nicht reicht, sind Stammtische, Tandemprogramme oder Konferenzbesuche auch eine gute Gelegenheit zur Fortbildung und Vernetzung“, sagt Reiter.

Alle Ausgaben für Bildungsprogramme und dazugehörige (Reise-)Kosten sollten unbedingt in der Steuererklärung auftauchen. Sie gelten als Betriebsausgabe. „Das ist ein guter Nebeneffekt“, sagt Reiter. Kürzlich wurde die Vorsteuerpauschale für Freie abgeschafft. „Deshalb kann es von Interesse sein, wenn die jährlichen Einnahmen durch Betriebsausgaben sinken, um auch die Steuerlast zu senken“, sagt Reiter. Weiterbildungsinstitute ruft die Freischreiberin zu mehr Kooperationen mit Berufsverbänden auf. Die Bedarfe und Bedürfnisse von Freien seien oft nicht gedeckt, weder thematisch noch preislich.


Dieser Text stammt aus Ausgabe 01/23. 

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