Das große Wettrüsten
Was die ddp-Eigner mit dem zugekauften AP-Dienst vorhaben. Und was der neue dpa-Chef Wolfgang Büchner dagegensetzt. Aktuelle Hintergründe und Ergänzungen zum Bericht in „medium magazin“ 1-2010, Seite 30f.
Von Daniel Bouhs
Wolfgang Büchner ist angetreten, die wohl größte Herausforderung zu meistern, die der deutsche Medienmarkt derzeit zu bieten hat: Er muss das Dickschiff Deutsche Presse-Agentur (dpa) nicht nur in ein wendiges Schnellboot verwandeln. Büchner, der zum Jahreswechsel Wilm Herlyn an der Spitze der dpa ablöste, muss den historisch gewachsenen Marktführer auch noch durch den hohen Wellengang manövrieren, den zwei Privatinvestoren mit ihrem Deutschen Depeschendienst (ddp) verursachen, die mit immer stärkeren Geschützen aufwarten.
Die ddp-Eigner und Studienfreunde Peter Löw und Martin Vorderwülbecke, die sonst Ketten wie das Modehaus Adler und die Werkstätten von Pit-Stop sanieren, teilen ein Ziel: Sie wollen „dpa verzichtbar machen“, wie sie unumwunden sagen. Damit das klappt, pumpen sie viel Geld in ihren Dienst, dem von potentiellen Kunden immer wieder Qualitätsmängel nachgesagt werden (siehe „Dienste unter Druck“ MM 3/09 ; Sechs Wochen ohne dpa“, MM 6/09).
Löw und Vorderwülbecke bezahlen etwa die Austria Presse Agentur (APA) dafür, die veraltete Technik des ddp auszutauschen. Von der APA wird der ddp im Frühjahr unter anderem ein neues Redaktionssystem übernehmen, das die Agentur fit für das multimediale Zeitalter machen und dafür die koordinierte Verbreitung von Wort und Bild ermöglichen soll. Das ddp-Material läuft auf dem Weg zu den Kunden außerdem teilweise über Server in Österreich.
Bei der dpa dauert die Umrüstung deutlich länger. Der deutsche Agenturmarktführer hat die jüngst entwickelte Plattform der tschechischen Nachrichtenagentur CTK gekauft, entwickelt das Produkt aber vor dem Einsatz noch weiter. Dazu gehören Feinheiten mit großer Wirkung wie eine Verknüpfung der Plattform mit der Foto-Bearbeitung „Photoshop“. Während Teile des dpa-Bilderdienstes bereits seit Ende November das System mit dem Namen „Ines“ nutzen, wird die Umstellung für die schreibenden dpa‘ler nach aktuellen Plänen erst Ende 2011 abgeschlossen sein.
Als bislang größten Coup haben Löw und Vorderwülbecke Anfang Dezember den hiesigen AP-Dienst übernommen. Damit versprechen sie sich im Kampf gegen die dpa viel, bisherigen Kunden vom deutschen AP-Angebot aber vor allem Kontinuität: Die Eigentümer sagen, beide Redaktionen blieben getrennt voneinander erhalten. Das soll helfen, die bestehenden Kundenverträge des ehemaligen AP-Angebots zu halten. Bei inhaltlichen Änderungen wäre ein Sonderkündigungsrecht denkbar.
AP-Deutschland benannten Löw und Vorderwülbecke nach dem Kauf zwar in den Deutschen Auslands-Depeschendienst (DAPD) um. Der kürzelte seine Meldungen erst mit „APD“. Weil aber der Adventistischen Pressedienst dafür Namensrechte geltend machte, sendet DAPD seine Berichte vom 11. Januar an unter dem neuen Kürzel „apn“. An den gut 110 DAPD-Mitarbeitern wollen die beiden Eigentümer nach eigenem Bekunden aber ebenso festhalten wie an den 180 des ddp. Geplant sei lediglich ein „moderater Abbau“ von bis zu 15 Stellen.
Getroffen hat es zunächst zehn fest-freie Fotografen in den Ländern, sogenannte Pauschalisten. Ihre Kündigungen flatterten unmittelbar unter die Weihnachtsbäume: Sie trafen überwiegend am 23. Dezember ein. Kurz vor dem Jahreswechsel traf es schließlich auch acht fest angestellte Bildredakteure in der Frankfurter DAPD-Zentrale – auch hier ohne jede Vorwarnung.
Vorderwülbecke betont, der DAPD-Fotodienst werde mit diesem Schritt nicht sterben. Es sei lediglich so, dass mehrere Arbeitsverträge „juristisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit“ gewesen seien. Den Betroffenen wurde eine weitere Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Vorderwülbecke sagte aber auch, dies werde zumindest teilweise beim ddp-Fotodienst geschehen. Vorderwülbecke wollte sich nicht darauf festlegen, ob Fotografen zu ihren bisher üblichen Honorarsätzen übernommen würden, beteuerte aber, bei den Kündigungen sei es „nicht um die Höhe der Vergütungen“ gegangen. Kenner der Szene berichten indes, dass der ehemalige AP-Dienst sogar Pauschalisten wie festangestellte behandle inklusive tarifähnlichen Honoraren und großzügigen Urlaubsregelungen. Fotopauschalisten des ddp erhielten hingegen vielfach bloß 1.500 Euro im Monat und nur stark begrenzte Sozialleistungen.
Die gekündigten Verträge enden zum April 2010. Spätestens dann wird sich zeigen, ob Vorderwülbecke Wort hält und der DAPD-Fotodienst parallel zu dem des ddp erhalten bleibe – und vor allem, ob sich beide Dienste inhaltlich unterscheiden, damit kein Kunde seine Verträge kündigen kann. Ein Insider des ehemaligen deutschen AP-Fotodienstes kommentiert die Entwicklung hingegen bereits mit den Worten: „Die Kündigungen sind das Aus für unseren Fotodienst.“ Von verärgerten Mitarbeitern ist zudem zu hören, dass sie die bisherigen Kunden dezidiert darüber aufklären wollen, was ihnen künftig inhaltlich noch vorgesetzt werden soll.
Spannend dürfte auch werden, was mit den Textdiensten geschieht. Glaubt man was Vorderwülbecke und Löw erzählen, dann wird der DAPD auch in Zukunft sowohl Inlands- als auch Auslandsmeldungen liefern, wie zu AP-Zeiten. Reportern und Pauschalisten in den Ländern werde nicht gekündigt, heißt es aus der Leitung um Peter M. Gehrig, der zumindest vorläufig parallel zu ddp-Chefredakteur Joachim Widmann im Amt bleibt. Die neuen Eigner kündigten sogar an, DAPD werde noch mehr Meldungen über das Weltgeschehen liefern als bisher und gegebenenfalls personell aufstocken. Das wertet wie schon zuvor die internationalen AP-Dienste auf Englisch, Spanisch und Französisch aus, die der ddp für den deutschsprachigen Markt für „mindestens 15 Jahre“ lizensiert hat. Der exakte Preis dafür ist geheim, liegt aber zusammen mit der Übernahme der AP GmbH im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich.
Auch ist zu vernehmen, dass der Brüsseler Korrespondentenplatz von DAPD nicht zum Jahreswechsel gestrichen wurde, wie es der AP-Konzern vorhatte. Außerdem sollen deutsche Reporter in London und Paris installiert werden, eventuell sogar in Rom. AP hatte ursprünglich geplant, dass es keine Korrespondenten des deutschen Dienstes mehr geben und sich die Redaktion an den Reportern von AP-International bedienen sollte, von denen es schließlich weltweit gut 3.000 gebe.
Die Strategie des DAPD, das Auslandsgeschäft zu stärken, ist eine Gefahr für den deutschen Dienst der Agence France-Presse (AFP), aber natürlich auch besonders für die dpa. Der Marktführer wertet derzeit gut 76 nationale Partneragenturen aus und betreibt allein für den deutschen Basisdienst weltweit 32 Büros mit 65 festen Redakteuren („An der Front“, MM 7-8/09). Ihr Vorteil bleibt aber bis auf Weiteres: Während die internationalen AP-Korrespondenten das Weltgeschehen vor allem durch die US-Brille sehen, setzt dpa im Wesentlichen auf eigene Reporter, die sich stärker für Einsätze der Bundeswehr und Ausflüge deutscher Politiker interessieren.
Die neue Stärke des ddp dürfte sich aber auch rasch in der Inlandsberichterstattung bemerkbar machen. Denn obwohl DAPD und ddp über „kurze und mittlere Zeit“ getrennt geführt werden sollen, wollen die Eigentümer mit dem gleichen Personal trotzdem mehr machen. Vorderwülbecke sagt, beide Dienste würden „aufeinander abgestimmt“. Was das genau heißt, sollen Arbeitsgruppen beider Agenturen im Januar rasch erörtern. Schon jetzt sei aber klar: „Wir werden keine Termine mehr doppelt besetzen“, so Vorderwülbecke. Die beiden Dienste sollen also die Einsätze ihrer Reporter abstimmen. In der Praxis wird das Insidern beider Dienste zufolge so aussehen: Besucht ein DAPD-Mitarbeiter einen Termin, liest ein Redakteur des ddp die Meldung seines Kollegen und wertet sie für das eigene Angebot aus – und umgekehrt. Meldungsdubletten soll es bis auf weiteres aber nicht geben, weil auch das Auswirkungen auf die existierenden Verträge haben könnte.
Die aber sind für das neue Konsortium ziemlich wichtig. Den deutschen AP-Dienst haben bislang gut 47 Prozent, den ddp rund 30 Prozent der Zeitungen abonniert. Mit einigen Überschneidungen bei den Kunden heißt das, dass ddp/DAPD derzeit zwischen 60 und 65 Prozent des hiesigen Zeitungsmarktes abdecken dürften, mal mit und mal ohne Auslandsgeschäft. Bei der dpa liegt der Anteil noch bei 95 Prozent.
Noch etwas mehr als 200 Mitarbeiter bei ddp/DAPD stehen etwa 450 bei dpa gegenüber (dpa-Fremdsprachendienste nicht mitgerechnet). Sie liefern sich einen harten Wettbewerb, bei dem die Marktanteile ständig in Bewegung sind. So hat erst im Sommer vergangenen Jahres die „Frankfurter Rundschau“ den damaligen AP-Dienst gekündigt und stattdessen als Ergänzung zum dpa-Abo die Meldungen der Agence France-Presse (AFP) bezogen. Zum Jahreswechsel liefen zudem bei der „Berliner Zeitung“ die AP-Verträge aus. Eine Verlängerung wird es nicht geben.
Und zumindest vorübergehend hat der DAPD auch den Axel-Springer-Verlag („Bild“, „Welt“) als Kunden verloren. Dem Vernehmen nach sind die Bezugsverträge des ehemaligen deutschen AP-Dienstes mit dem Verlag vertragsgemäß ausgelaufen. Zu einer Vertragsverlängerung ist es seit dem Jahreswechsel nicht gekommen. Springer verhandelt zwar bereits mit DAPD über einen neuen Abschluss, will dabei aber den Bezugspreis drücken. Ein mit dem Vorgang vertrauter Mitarbeiter des Verlages sagte: „Wir sind an einem neuen Vertrag sehr interessiert, reden jetzt aber über die Konditionen.“ Offiziell gab der Verlag dazu kein Statement ab.
Gleichzeitig schmiedet auch dpa-Chef Büchner Zukunftspläne, um seine Agentur für den verschärften Wettbewerb zu stärken. Kernstück ist das „Feinkonzept“, das greifen soll, wenn bis Juli die bisher auf Hamburg, Frankfurt und Berlin verteilen Mantelredaktionen in der Hauptstadt zusammenziehen. Diese Zentralredaktion aus Text-, Bild- und Multimediaredakteuren wird ein Areal von 3.500 Quadratmetern in der Axel-Springer-Passage belegen. Ein Schritt, der bekanntlich zu Ärger führte: Der „Tagesspiegel“ kündigte aus Protest seine dpa-Verträge (s. „Spektrum“, MM 12/09).
Mit dem Umzug will Büchner die Redaktionsstruktur umkrempeln. Die Ressorts für Innen- und Außenpolitik sollen verschmelzen. Damit folgt dpa nicht nur Zeitungs- und Onlineredaktionen, die diesen Schritt angesichts ihrer knappen Personaletats bereits hinter sich haben. Sie trägt mit der Zusammenlegung auch der Tatsache Rechnung, dass Innen- und Außenpolitik in globalisierten Zeiten mehr denn je ineinandergreifen und es gar nicht sinnvoll ist, diese Bereiche getrennt anzugehen. Um bei aktuellen Ereignissen rasch ein großes Programm fahren zu können, richtet Büchner auch eine Taskforce mit ständigen Mitarbeitern ein, die darauf spezialisiert sein sollen, Recherchen schnell und durchdacht anzuschieben und passende Mitarbeiter aus den einzelnen Ressorts zusammenzuziehen.
Büchner will bei dpa außerdem ein Ressort einführen, das den Arbeitstitel „Netzwelt“ trägt und Entwicklungen im Internet, bei Smartphones und Computern samt den Auswirkungen auf die Wirtschaft, den Kulturbetrieb und die Gesellschaft begleiten soll. Dass das wie die gleichnamige Rubrik auf „Spiegel Online“ klingt, ist kein Zufall: Bevor Büchner zur dpa kam, leitete er das erfolgreiche Nachrichtenportal selbst. Mit dem Einstieg in dieses populäre Thema greift dpa auch gleich den DAPD an, wo sich Auslandschef Peter Zschunke mit seinem wöchentlichen Paket „Computer & Cyberspace“ einen Namen gemacht und bisher das Feld dominiert. Unter Büchner heißt das „Vermischte“ jetzt auch „Panorama“ – ebenfalls wie bei „Spiegel Online“.
Der Stammsitz der dpa bleibt Hamburg, mit ihm die Verwaltung, Geschäftsführung, der Vertrieb und Tochterunternehmen wie der PR-Dienstleister News Aktuell. In der Berliner Zentralredaktion werden etwa 270 Redakteure werkeln. Das Feinkonzept sieht bis dahin die Streichung von gut 30 Stellen vor – mittelfristig. Büchner sorgte intern für Erleichterung, weil er betonte, es werde keine Kündigungen geben, die Stellen nur bei Fluktuationen nicht mehr besetzt. Gut möglich, dass ein Teil schon allein dadurch wegfällt, dass nicht alle Redakteure aus Hamburg (Mantelressorts außer Innenpolitik) und Frankfurt (Bilderdienst) an die Spree ziehen werden. Die vom Umzug betroffenen dpa’ler müssen bis Mitte Januar entscheiden, ob sie mit wollen.
Neben diesen vermeintlichen Feinheiten hat Büchner aber auch inhaltlich viel vor. So will er, dass sich seine Redakteure auf weniger Themen konzentrieren, in die sie dann aber umso tiefer einsteigen. Künftig sollen seine Leute strenger unterscheiden: Was ist bloß eine knappe Meldung, was ein aktuelles Themenpaket wert. Was Kunden in Spalten und Nachrichtenblöcken wegmelden, soll auch in Meldungslänge notiert werden. Was in den Blättern ein Aufmacher und den Sendern ganze Beiträge wert ist, soll dagegen als opulentere Berichterstattung daher kommen als das bisher der Fall war. Diese Grenze war im dpa-Angebot zuletzt stark verwischt.
Daneben arbeitet Büchner mit der dpa-Tochter Infocom an einer Plattform, die „dpa News“ heißt. Sie soll im ersten Quartal 2010 mit handverlesenen Kunden in den Probe-, im zweiten Quartal aber bereits in den Regelbetrieb gehen. Mit „dpa News“ sollen nicht mehr „Tagesschau“, „ARD Text“ und „Spiegel Online“ den Ton angeben, wenn Redakteure wissen wollen, was auf der Welt los ist. Die dpa will mit ihr wieder selbst aufzeigen, was wichtig ist. Die Gefahr hierbei ist: Vor allem dünn besetzte Redaktionen könnten mit dieser bequemen Plattform darauf verzichten, eigene Akzente zu setzen und Themen anders zu gewichten als ihr Dienstleister. Daraus könnte auch ein nicht enden wollender Kreislauf werden, denn die dpa will bewusst einsehen, welche Themen ihre Kunden am häufigsten anklicken, um nachzulegen.
Die Seite, auf die nur Medienkunden der dpa Zugriff haben sollen, sieht auf den ersten Blick wie jedes Nachrichtenportal aus: Meldungen, Interviews, Features und Hintergründe laufen in Ressorts ein, zu denen auch die Landesdienste zählen. Mit der Positionierung der Beiträge in prominente Aufmacher- und untergeordnete Meldungspositionen verleihen die dpa’ler jedem Thema zudem mehr oder weniger Bedeutung. Eilmeldungen liegen herausgestellt über allen anderen Geschichten.
Das wirklich revolutionäre aber ist der Service um die Nachrichtentexte-, Bilder- und Videos herum. So können Redakteure in Zeitungen und Sendern direkt mit den dpa-Autoren kommunizieren. Alle Meldungen und Korrespondentenberichte lassen sich dafür kommentieren. Die Beiträge der dpa werden auf der neuen Plattform auch nicht mehr mit den Kürzeln der Autoren abschließen, sondern mit ihren direkten Telefonnummern und E-Mail-Adressen. Kunden und dpa-Autoren sollen so in Kontakt kommen und offene Fragen klären, bestenfalls für alle andere Kunden direkt unter den Beiträgen sichtbar. Ein eigenes Feld „Darüber sollte die dpa berichten“ nimmt zudem Vorschläge für Themen auf, die bisher nicht in den Dienst gingen.
Auf „dpa News“ sollen die Agenturjournalisten ihren Kunden außerdem Einblicke in ihre Notizblöcke gewähren. Intern heißt das Prinzip „Open Notebook“. dpa-Kunden werden – soweit es sich anbietet – etwa Recherchekontakte samt Rufnummern und E-Mail-Adressen sehen, um die von dpa zitierten Sprecher und Experten selbst anfragen zu können. Auch weiterführende Links zu Datenbanken und Verbänden sollen die eigentlichen Texte als Service für eigene Recherchen ergänzen, ebenso gescannte Dokumente, aus denen in den dpa-Texten zitiert wurde.
Während der ddp also vor allem auf klassisches Wachstum setzt, will Büchner bei seinen Kunden mit einer Investition in mehr Nähe und besseren Service punkten, um die Agenturkunden in turbulenten Zeiten an sich zu binden. Im eigenen Haus spricht Büchner bereits zielstrebig von der „neuen dpa“.
Die aber wird sich neben den vielen ambitionierten Ideen auch gesundschrumpfen müssen. Zusammen mit seiner Geschäftsleitung soll Büchner bis zum Umzug etwa darüber reden, ob nicht die luxuriöse Tarifstruktur angetastet werden kann. Beim Marktführer gilt immerhin noch bis heute für viele Mitarbeiter die Faustregel: arbeite zehn Monate und bekomme 14 bezahlt. Die Tarifverträge der Altgedienten sehen nämlich 13,8 Monatsgehälter bei 35 Tagen Urlaub vor, zu denen noch einmal sieben sogenannte AZV-Tage kommen.
Von diesen Arbeitsbedingungen können sie bei vielen Mitbewerbern freilich nur träumen. Während auch die Ex-AP’ler mit Tarifverträgen versorgt sind, malochen die ddp-Mitarbeiter deutlich unter den Sätzen, die Gewerkschaften mittragen würden. Das wiederum kommt natürlich aus einer Zeit, in der der ddp fast gegen die Wand gefahren wäre und kurz vor der Pleite stand, kurz nach der Jahrtausendwende.
Diese Situation kann indes für den ddp auch ein Wettbewerbsvorteil sein. Damit lassen sich am Markt ordentlich die Preise drücken. Faktoren, die für Verleger in Zeiten umgreifender wirtschaftlicher Not gewiss nicht unerhebliche sind. Und ein Faktor, den auch die dpa auf lange Sicht im eigenen Haus unter die Lupe nehmen muss, wenn Qualität nicht das einzige Kriterium für einen Laufzeitvertrag ist.
Der ddp fährt übrigens auch noch ganz andere Geschütze auf. Er will dafür sorgen, dass möglichst viele Verlage, die von der dpa zur neuen Allianz aus ddp und DAPD wechseln wollen, das auch rasch tun können. Vorderwühlbecke verwies dafür auf der Pressekonferenz zur Übernahme des AP-Dienstes auf ein Gutachten des Anwalts Ulrich Schroeder aus der renommierten Vertragsrechtskanzlei Graf von Westphalen. Der hat sich mit den Laufzeitverträgen beschäftigt, die die dpa mit Zeitungen schließt.
Nach der Durchsicht mehrerer dpa-Verträge aus unterschiedlichen Häusern sei laut Schroeder klar, dass die Passagen sowohl über die Erstvertragslaufzeit von fünf Jahren als auch über die automatische Verlängerung um die gleiche Zeit, wenn Verlage den Bezug nicht bis zu zwölf Monate vor Ablauf kündigte, in allen Verträgen identisch und damit vorformuliert sei. „Vor allem die stillschweigende Verlängerung ist unangemessen“, sagt der Jurist. „Ich gehe davon aus, dass die gesamte Klausel damit unwirksam ist und dpa-Kunden kurzfristig aus ihren Verträgen kommen, wenn sie mit ihrem Geld lieber andere Agenturen beziehen oder sparen wollen.“
Nach allgemeinem Recht dürfte das laut Schroeder – zumindest nach Ablauf der Grundlaufzeit – sogar mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende möglich sein. Unangemessen sei die lange Laufzeit vor allem, weil die dpa für die einzelnen Kunden nicht in ein sogenanntes materielles Gut investiert, anders als etwa Vermieter von Immobilien: „Die dpa hat keine höheren Ausgaben, wenn ein Kunde hinzukommt.“
Die dpa gibt sich hingegen gelassen. Agentursprecher Justus Demmer sagt, das Gutachten sei seinem Haus „in der täglichen Arbeit noch nie begegnet und auch nicht von Kunden vorgehalten worden“. Solange das nicht passiere, interessiere es auch „nicht sonderlich“. Beim Marktführer sind sie ob der erstarkten Konkurrenz trotzdem und ganz ohne Zweifel alarmiert.