Wie sind sie so, die Damen, die über einen Männerhaufen regieren, die im ehemals als Männerberuf titulierten Journalismus die redaktionellen Hosen anhaben? Es war zunächst einmal pure Neugier auf diese Medienmacherinnen, die mich dazu trieb, meine Diplomarbeit über Frauen im Journalismus zu schreiben. Und die Frage, was ich als junge Journalistin von diesen Führungsfrauen lernen kann. In den Interviews mit verschiedenen Chefredakteurinnen und Journalistinnen wurde mir schnell klar: Sie sind weder Mannweiber noch Medienmuttis, passen in keine Schubladen und präsentieren keine Patentrezepte für eine erfolgreiche Berufskarriere. Aber gemeinsam ist ihnen eines: Sie lieben den Klartext und die Menschen. Na also, danach hatte ich gesucht! Endlich weibliche Vorbilder, die in keine pseudo-emanzipatorischen Schemata passen!
Die können wir Nachwuchs-Journalistinnen brauchen. Und wir sind viele, wir sind überall – in Hörsälen, auf Pressekonferenzen, in Redaktionen. Wenn man sich unter den Volontären, Praktikanten und Journalistik-Studenten umschaut, scheint offensichtlich: Die Zukunft der Medien liegt in weiblicher Hand. Dafür spricht auch die Statistik: Seit Ende der 70er-Jahre nimmt der Frauenanteil im Journalismus stetig zu: Von damals etwa 20 Prozent auf heute knapp 40 Prozent, der journalistische Nachwuchs ist sogar zu über 50 Prozent weiblich.
Auf Diät. „Der Journalismus wird immer weiblicher, davon bin ich fest überzeugt“, sagt auch Isabell Funk, bis vor Kurzem Chefredakteurin der „Ludwigsburger Kreiszeitung“, seit 1. Oktober in gleicher Position beim „Trierischen Volksfreund“. Und bestätigt aus der Praxis den statistischen Trend: „Wir erhalten die meisten Bewerbungen von Journalistinnen, sie haben die besseren Zeugnisse und bieten im Vorstellungsgespräch die bessere Performance.“ Sie selbst hat es bereits geschafft – und ist zugleich so etwas wie eine Exotin als eine von nur vier Frauen an der Spitze einer deutschen Tageszeitungsredaktion: Weniger als ein Prozent der Chefredakteure sind in diesem Medienbereich weiblich, generell stellen heute noch die Männer vier von fünf Chefredakteuren. Der geringe Anteil von Journalistinnen auf leitenden Posten hat sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verändert – seit Anfang der 90er-Jahre liegt er bei rund 20 Prozent. Die „gläserne Decke“ innerhalb der Medienhierarchie ist also weiterhin intakt.
So gerne man dafür den Machthunger der Männer verantwortlich machen würde, muss frau sich doch eingestehen: Die Damen setzen sich machttechnisch zu häufig selbst auf Diät. Etwas weniger Kompromissbereitschaft, etwas mehr Karrierewille würde so mancher Jung-Journalistin sicher nicht schaden. Eva Kohlrusch, die Vorsitzende des Journalistinnenbundes, Autorin der „Bunten“ und früher u. a. stellvertretende Chefredakteurin von „Bild“, geht noch weiter in ihrem Rat: „Wer hinein will in bestimmte Machtpositionen, muss auf bestimmte Dinge auch verzichten können. Zum Beispiel auf das Ideal, eine tolle Schreiberin sein und sich nur darauf konzentrieren zu wollen.“
Echt Trümpfe. Dabei haben doch wir Frauen eigentlich gute Voraussetzungen, um in der Medienbrache Karriere machen zu können.Sogar echte Trümpfe. Nein, ich meine nicht das tiefe Dekolleté oder den kurzen Rock, sondern soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen und Teamgeist, die Frauen – das bestätigen die Interviewpartnerinnen – zumeist intensiver zu eigen sind als Männern. Und angeblich wird in Redaktionen jede Couleur doch landauf, landab Teamgeist heute besonders großgeschrieben.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt, der eigentlich den weiblichen Berufsweg ebnen müsste: Frauen gewinnen als Konsum-Entscheiderinnen und Zielgruppe immer mehr an Bedeutung, in allen Medien. Es wäre also durchaus im Sinne der Medienunternehmen, den „weiblichen Blick“ mehr in die Berichterstattung einzubeziehen. „Vor allem würde ein ausgewogener Blick den Blättern und Sendern gut tun. In diesen schwierigen Zeiten für alle Medien müssen Journalisten umso mehr auf Qualität achten. Da ist es wichtig, dass man möglichst viele Sichtweisen mit reinpacken kann – die der Männer und die der Frauen“, sagt auch Liane von Droste, freie Journalistin, die für die Bundeszentrale für politische Bildung Ende 2008 eine internationale Tagung für Journalistinnen organisierte.
Demgegenüber steht aber nach wie vor die geringe weibliche Quote in den redaktionellen Chefetagen. Apropos Quote: Würde eine Frauenquote helfen, so wie in Norwegen, wo seit Anfang 2008 alle Aufsichtsratsposten mindestens zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein müssen? Doch die Quotierung in Medienbetrieben findet hierzulande keine einhellige Zustimmung: Mercedes Riederer beispielsweise, die Hörfunk-Chefredakteurin des „Bayerischen Rundfunks“, sieht das durchaus skeptisch, obwohl gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon früh mit institutionalisierter Gleichstellungspolitik Frauen in Führungspositionen besonders gefördert hat: „Weil einer Quotenfrau immer ein Negativimage anhaftet. Was aber viel dramatischer ist: Auch wenn ich durch eine Quote einen Job bekomme, aber das Umfeld nicht stimmt, besteht die Gefahr, dass ich von selbst wieder aufgebe.“
Was also dann? Fast unisono empfehlen meine Interviewpartnerinnen, sich erfahrene Medienmacher und -macherinnen zu suchen, die den eigenen Berufsweg unterstützend begleiten, sei es in einem Frauennetzwerk wie dem Journalistinnenbund, sei es in der eigenen Redaktion. Eva Kohlrusch verweist auf den großen Wert eines gegenseitigen Austauschs mit Kolleginnen: „Feedback geben und erhalten, sich gegenseitig Mut machen – das ist ungemein wertvoll, um Konfliktsituationen angehen und beruflich vorankommen zu können.“
Auch das nehme ich mit als Rat der erfahrenen Medienmacherinnen: Sich eigene Verhaltensweisen bewusster zu machen, genau darauf zu achten, wann sachliche Distanz, wann empathisches Zuhören angemessen sind, sich in Kompromissbereitschaft ebenso wie in Durchsetzungsfähigkeit zu üben. Und den Kampf nicht zu scheuen – auch gegen das Denken in Klischees, das nach wie vor viele Journalistinnen am Aufstieg in der Medienhierarchie hindert. Das betrifft vor allem, nach wie vor, die Rolle der berufstätigen Mutter.
Die befragten Journalistinnen betonen übereinstimmend: Familienfreundlich ist der Journalismus dank Überstunden, Spätdiensten und Wochenendarbeit nicht gerade. Ein Medienjob und Kinder, gerade in der Aufstiegsphase einer Karriere, können Redakteurinnen nur unter großen Anstrengungen vereinbaren. Oder gar nicht. Kein Wunder, dass alle aktuellen Journalisten-Studien nach wie vor aufzeigen: Zwei Drittel der Frauen im Journalismus sind kinderlos.
Eine reine Medienschelte greift hier allerdings zu kurz, denn das betrifft schließlich nicht nur Journalistinnen. Es muss künftig immer normaler werden, dass sich Frauen und Männer um Kinder und Familie kümmern, dass hochwertige Kinderbetreuung und flexible Arbeit von zu Hause aus es Frauen ermöglichen, selbst mit Babybauch Chefsessel zu besetzen.
Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Medienmanager wie Politiker anpacken müssen, die aber auch im eigenen Kopf anfängt. „Solange Männer immer noch ein bisschen von oben herab angesehen werden, wenn sie sich um die Familie kümmern, solange wird sich das Problem nicht lösen lassen“, befindet Isabell Funk. Traditionelle Geschlechterklischees sind schwerfällig und ändern sich nur langsam. Doch es tut sich was: Ich kenne immer mehr junge Redakteure, die auch nach den Vätermonaten für ihr Töchterchen zu Hause bleiben, die sich auf Spielplätzen wohler fühlen als in Fußball-Kneipen. Das könnte die Chance für karrierewillige Journalistinnen sein.
Doch der Wille allein genügt nicht. Ich habe gelernt: An der eigenen Karriere muss man gezielt arbeiten und gleichzeitig offen bleiben für Chancen, die sich am Wegrand auftun. Es braucht den Austausch, den Kontakt mit gleichaltrigen wie erfahrenen Kollegen. So entsteht ein Bewusstsein für die eigenen Stärken und Schwächen – unerlässlich, u
m mich beruflich weiterentwickeln und möglicherweise aufsteigen zu können. Ein wichtiges Ziel ist es für mich, dass sich ein weiblicher Blick – neben der noch vorherrschenden männlichen Perspektive – stärker in der Medienberichterstattung etabliert. Um das zu erreichen, genügt es nicht, sich auf das Schreiben einfühlsamer Reportagen zu beschränken oder seinen Namen unter knallhart recherchiere Wirtschafts-Storys zu setzen. Neue Medieninhalte kann ich nur umsetzen, wenn ich die Entscheidungskompetenz habe, wenn ich Themen setzen kann. Das macht für mich den Reiz an einer leitenden Position aus. Gehört den Journalistinnen, also auch mir, die Zukunft? Die Zukunft steht in den Sternen, aber warum nicht danach greifen und Klartext reden? Ich jedenfalls will beides: Führungsposition und Familie.
Erschienen in Ausgabe Journalistin 2009/20Journalistin 2009 in der Rubrik „Markt“ auf Seite 10 bis 11 Autor/en: Susanne Dietrich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.