Frau Schneider, werden Sie als neue EU-Botschafterin für Existenzgründerinnen besonders im Kommunikationsbereich aktiv?
Das ist nicht zwingend, aber naheliegend. Denn gerade im Medienumfeld und in der PR machen sich relativ viele Frauen selbstständig. Meist haben sie viel Enthusiasmus und gute fachliche Voraussetzungen, aber wenig Wissen über das, was eine Selbstständigkeit ausmacht.
Als da wäre?
Die Frauen brauchen einen Businessplan, auch wenn sie alleine, als Einzelkämpferin oder Freelancer anfangen. Sie müssen Ziele, Budget und ihr Profil entwickeln, damit sie eine Chance im Wettbewerb haben. Man muss wissen, dass man zum Beispiel als Texterin mit „Standardleistungen“ auch nur Standard verdient und dem härtesten Wettbewerb ausgesetzt ist. Wer nur abliefert, was bestellt wurde, wird es schwer haben. Wer aber noch eine Idee mehr hat, eine Zweitverwertung eines Themas erkennt, eine andere mediale Umsetzung realisieren kann, der kann daraus Business generieren. Hier sind Phantasie und Kenntnis des Marktumfeldes gefragt. Dabei wird man schnell erkennen, dass dazu die eigene Performance alleine nicht ausreicht. Und schon eröffnet sich die Chance, ein eigenes Team, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Das sollte man aber nicht dem Zufall überlassen, sondern wohlüberlegt an die Sache gehen.
Ich bin bei solchen Fragen offen für Existenzgründerinnen jeder Profession. Im Zweifelsfalle kann ich Anfragen innerhalb des Netzwerkes weiterreichen. Übrigens machen wir seit Jahren die Erfahrung, dass sowohl das persönliche Coaching durch einen Profi wie auch Mentoring-Programme ausgesprochen hilfreich sind.
Und wovon können Ihre Mentees profitieren?
Von den persönlichen Erfahrungen, von Erfolgsrezepten, aber auch von Lektionen, die ich selbst hart lernen musste. Bestimmte Fehler kann man vermeiden, wenn man achtsam ist, gerade zu Beginn der Selbstständigkeit. Meist hat das mit Geld zu tun oder auch mit Formalitäten. Strategisches Vorgehen ist so wichtig – und auch das Thema Risiko und Macht müssen offensiv angegangen werden. Hierzu braucht es Impulse, Ausblicke und auch mal eine Ermutigung, wenn es im Business hoch hergeht. Wir alle haben unsere Schrammen abbekommen. Aber mein Credo ist: Wer die letzten Jahre im Agenturgeschäft überlebt hat, hat ne Menge richtig gemacht. Und das möchte ich gerne weitergeben. Wobei ich natürlich weiß, dass man Erfahrungen selbst machen muss. Aber eine zweite Meinung einzuholen, ist sehr wertvoll. Und dafür stehe ich gerne zur Verfügung.
Welche Fähigkeiten brauchen Existenzgründerinnen?
Wille, Durchsetzungskraft, Risikobereitschaft, Begeisterungsfähigkeit, aber auch Leidensfähigkeit und Hartnäckigkeit – vor allem auch den Willen, Geld zu verdienen. Die meisten Frauen sind zurückhaltend, wenn es darum geht, Profit als legitimes Ziel unternehmerischer Tätigkeit anzuerkennen. Lieber nett miteinander sein, als hart um mehr Gewinn zu kämpfen, das ist typisch weiblich. Untersuchungen zeigen, dass Frauen nicht nur weniger Geld von Banken bekommen, sondern erst gar keins fordern. Weil sie glauben, alles aus eigener Kraft stemmen zu können, und das Risiko scheuen. Und weil es doch um Selbstverwirklichung und nicht ums schnöde Geld geht. Aber es geht ums Geld. Erstens hat man es verdient und zweitens braucht man Reserven, um auch mal schlechte Zeiten zu überstehen.
Ist der Sprung in die Selbstständigkeit heute leichter oder schwieriger?
Der Wettbewerb heute ist härter geworden, das muss man klar sagen. Trotzdem sollte man sich nicht davon abhalten lassen. Wichtig ist, man kann es nicht oft genug sagen: einen klaren Plan zu haben, zu wissen, was man besonders gut kann und wo man seine Nische findet. Man darf sich nicht vom opportunity picking verführen lassen. Das kann ganz schön ins Auge gehen. Besser ist es, klar seine Strategie zu fahren und sich seiner Stärken bewusst zu sein, der berühmte USP (Unique Selling Proposition).
Erschienen in Ausgabe Journalistin 2010/20Journalistin 2010 in der Rubrik „Schlusspunkt“ auf Seite 21 bis 21 Autor/en: Interview: Katy Walther. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.