Zugangscode

Im Aktenschrank des Innenministeriums oder in den Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags liegen gute Geschichten – nur eine E-Mail entfernt. Der Schlüssel zu all diesen Informationen ist das „Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes“, kurz „Informationsfreiheitsgesetz“ (IFG). Ähnliche Gesetze gibt es auch für die Kommunal- und Landesebene. Informationspflichtig sind danach vor allem die Verwaltungsbehörden des Bundes, aber auch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen unter der Aufsicht des Bundes sowie Unternehmen, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind (etwa die Post, Wasserwerke oder Entsorgungsbetriebe).

Ein großer Vorteil des IFG gegenüber dem Informationsanspruch nach den Landespressegesetzen ist die direkte Einsicht in Unterlagen der staatlichen Verwaltung. Der Antragsteller kann seine Anfrage nämlich direkt an die betroffene Fachabteilung der Behörde richten, ohne Umweg über die Pressestelle. Das erleichert erheblich den Zugang zu den Primärquellen einer Information. Außerdem bietet es gute Möglichkeiten für verdeckt recherchierende Journalisten. Denn sie müssen sich als solche nicht zu erkennen geben: Über das IFG haben auch Privatpersonen ein Recht auf Informationen, anders als beim journalistischen Auskunftsanspruch.

Die Pressegesetze wiederum garantieren, dass Informationen unverzüglich und kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Sie eignen sich damit besser für tagesaktuelle Recherchen ohne zeitlichen Spielraum. Als ein entscheidendes Argument für Recherchen auf Grundlage der Pressegesetze gilt auch die Bekanntheit der Auskunftspflicht. Mitarbeiter von Behörden kennen ihre Pflichten gegenüber der Presse in der Regel und haben eine gewisse Routine in der Beantwortung journalistischer Anfragen. Das IFG kennen dagegen bis heute weitaus weniger Behördenmitarbeiter. Bekannt sind meist nur die Ausnahmetatbestände im Gesetz, die es der Behörde ermöglichen, Auskunftsansprüche abzulehnen.

Medaillen als IFG-Testfall

Daniel Drepper kennt die Hürden, die Behörden aufstellen, um Informationen vor der Presse geheim zu halten, allzu gut. Im Zuge der Berichterstattung zur Olympiade 2012 wollten er und sein Kollege Niklas Schenck Einsicht nehmen in die Zielvereinbarungen über angestrebte Medaillengewinne, die das Bundesinnenministerium (BMI) alle vier Jahre mit den Sportverbänden aushandelt – als Grundlage für die Vergabe von Fördergeldern. Das BMI wollte die Daten nicht herausgeben, stellte aber nach knapp drei Monaten einen Aktenplan zur Verfügung. Damit konnten die beiden durch das IFG Akteneinsicht in relevante Unterlagen beantragen. Tatsächlich erhielten sie aber nur nebensächliche Akten, wirklich interessante Stellen fast komplett geschwärzt. Doch Drepper und Schenck fanden trotzdem eine der Zielvereinbarungen in den Akten. Mit dieser Information versuchten sie die restlichen Vereinbarungen über das Landespressegesetz einzuklagen. Dieses ermöglicht zwar nicht, die Dokumente selbst einzusehen, aber immerhin die Medaillenvorgaben für die einzelnen Verbände zu erfahren. Und es bietet – im Gegensatz zum IFG – die Möglichkeit für ein Eilverfahren.

Heute wissen sie, warum das BMI die Daten so ungern in der Öffentlichkeit sehen wollte: Die Medaillenerwartungen waren viel zu hoch angesetzt. Und sie wissen, was sie bzw. die WAZ-Gruppe, für die sie recherchierten, diese Information kostet. Das Innenministerium hat den Auskunftsantrag auf 65 einzelne Anträge aufgeteilt und verlangt nun die stolze Summe von 13.729 Euro und 40 Cent für die Auskunft. Eine Schikane, die nicht nur der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit als klaren Rechtsmissbrauch einstuft. Die WAZ-Gruppe hat Einspruch gegen die Gebühren eingelegt.

Das hat auch eine gute Seite: Alle Grundsatz-urteile – von denen es seit der Einführung des

IFG eine beachtliche Zahl gab – schärfen die Kanten des IFG und erleichtern damit dessen Nutzung. Denn erst regelmäßige Nutzung kann das IFG wirklich zu einem nützlichen Rechercheinstrument machen und gleichzeitig auch das Bewusstsein von Behördenmitarbeitern gegenüber der Presse verändern. So wurde zum Beispiel im Januar eine IFG-Anfrage der Plattform spickmich.de bezüglich der Daten zur Abbrecherquote an Sekundarschulen in Berlin bereits bei Androhung einer Klage freiwillig beantwortet.

Jan Schneider ist freier Journalist in Berlin.

schneider@autorenwerk.de

Praxis-Tipp

Antrag auf Akteneinsicht

Ein guter Einstieg kann sein, sich ein Thema zu suchen, das auch in 2-3 Monaten noch relevant ist. Der Aktenplan zur Thematik ist per Mail schnell beantragt und auch der formlos zu stellende Antrag nach bestimmten Unterlagen ist schnell formuliert. Zusätzlich gibt es Musteranfragen, zum Beispiel auf der Plattform fragdenstaat.de.

www.gesetze-im-internet.de/ifg

https://fragdenstaat.de

Daniel Drepper zur Klage gegen das BMI:

http://bit.ly/119jwtY

Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 48 bis 48 Autor/en: Jan Schneider. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.