„Mir geht es jetzt wie dem Leser“
Herr Vorkötter, vom Chefredakteur zum Vollzeit-Berater: Erfinden Sie sich gerade neu?
Vorkötter: Na ja, das nicht gerade. Ich bin seit mehr als 25 Jahren Journalist und war 16 Jahre Chefredakteur – da habe ich ja neben dem aktiven Blattmachen und Schreiben auch reichlich mit konzeptionellen Fragen und Organisatorischem zu tun gehabt. Als Chefredakteur haben Sie nicht zuletzt die Aufgabe, guten Journalismus zu ermöglichen. Das ist der Berührungspunkt zu dem, was ich jetzt mache: Journalisten, Verleger und Geschäftsführer beraten, wie sie ihre Produkte erfolgreich entwickeln und ihre Redaktion möglichst intelligent organisieren können.
Jetzt sind Sie aber ein Dritter von außen.
Ja, das Tagesgeschäft fällt weg. Das ist durchaus schmerzhaft – ich habe das ja lange und sehr gerne gemacht. Andererseits ist es reizvoll, mit etwas mehr Distanz an den Journalismus heranzugehen. Ich mache dabei die Erfahrung, dass ich unsere Arbeit eher noch kritischer als früher beurteile. Das liegt vor allem daran, dass ich nicht immer gleich die Produktion des Vortages mit all ihren Irrungen und Wirrungen im Kopf habe, die vieles erklären und manches entschuldigen. Ich sehe das Ergebnis, nicht sein Zustandekommen. Mir geht es jetzt wie dem Leser.
Und wie wurde aus dem Blattmacher ein Berater?
Ich habe mich schrittweise angenähert. Als wir bei DuMont entschieden hatten, dass ich aus der Chefredaktion von „Berliner Zeitung“ und „Frankfurter Rundschau“ ausscheide, habe ich das Angebot angenommen, den Vorstand zu beraten – quasi in Teilzeit. Dabei habe ich Erfahrungen gesammelt. Und dann hat mich Hans-Erich Bilges, den ich schon seit Jahren kenne, der reichlich Erfahrung in der Branche hat und im Übrigen auch Berührungspunkte mit der „Berliner Zeitung“, gefragt, ob ich bei Consultum einsteigen möchte. So ist es dann gekommen.
Und bei DuMont bleiben Sie trotzdem noch aktiv?
Ja, ich teile meine Arbeitszeit auf. Bei DuMont kümmere ich mich derzeit beispielsweise um die Zukunft der Redaktionsgemeinschaft: Kann man die Inhalte der ReGe mit anderen Partnern teilen, nicht nur innerhalb des Konzerns, sondern eben auch mit Dritten? Das ist ein Projekt unter mehreren.
Und wo findet man Sie dann, wenn man Sie sucht?
Ich habe jetzt zwei Büros: eines im Berliner Verlag am Alexanderplatz und eines bei Consultum. Da liegt nicht einmal ein Kilometer dazwischen.
Consultum ist zuletzt ja vor allem mit der Idee bekannt geworden, Aserbaidschan zu promoten.
Nein, Consultum hat nie eine PR-Show für wen auch immer abgezogen. Consultum hat die Botschaft Aserbaidschans in Berlin beraten, das Engagement ist allerdings beendet. Dabei ging es darum, Politiker, Journalisten, Vertreter der Wirtschaft und anderer gesellschaftlicher Gruppen zusammenzuführen – und einen offenen Meinungsaustausch zu ermöglichen.
Aber in Aserbaidschan geht es totalitär zu!
Wenn wir politische, wirtschaftliche und sonstige Beziehungen nur zu Ländern pflegten, die all unseren demokratischen und rechtsstaatlichen Kriterien entsprechen, dann könnten wir uns mit Luxemburg, Dänemark und ein paar anderen an den Tisch setzen. Aserbaidschan befindet sich wie viele andere Länder in einem Transformationsprozess, auf dem Weg in die Moderne. Hans-Dietrich Genscher ist Ehrenvorsitzender im Beirat von Consultum. Er hat schon immer eine Außenpolitik verfolgt, die den Dialog sucht, auch mit schwierigen Gesprächspartnern. Um nichts anderes ging es.
Um auf Ihren eigentlichen Job zurückzukommen, die Beratung von Medienunternehmen: Wie tief stecken hiesige Verlage denn wirklich in der Krise?
Die Existenzkrisen der „Financial Times Deutschland“ und der „Frankfurter Rundschau“ werden nicht die einzigen bleiben. Die Lage der Branche ist kritisch, auch wenn es natürlich Verlage gibt, vor allem starke Regionalverlage, die wirtschaftlich ausgesprochen gesund sind. Aber überall nähern sich die Kurven von Einnahmen und Ausgaben einander an. Diese Entwicklung ist unumkehrbar.
Also hoffnungslos?
Nein, aber wer auch in der Zukunft noch mit hochwertigen journalistischen Angeboten erfolgreich sein will, der muss seine Strukturen radikal verändern. Es hat keinen Zweck mehr, Redaktionen einfach irgendwie zusammen zu kürzen. Es führt kein Weg an neuen Organisationen und Arbeitsweisen vorbei. Das können Zentralredaktionen sein oder Kooperationen über die Grenzen der Mediengruppen hinweg.
Das heißt konkret?
Immer mehr Regionalzeitungen werden sich fragen, ob sie sich noch eine eigene Mantelredaktion leisten können oder ob sie sich nicht auf ihr Kerngeschäft, das Lokale und Regionale, konzentrieren sollen. Und die Produkte müssen konsequent weiter entwickelt werden, sowohl auf Papier als auch im Netz. Und bei alldem muss das Tempo unserer Veränderungsprozesse deutlich höher werden. Sie sehen: Es gibt viel Arbeit. Für Chefredakteure. Und für Berater.
Interview: Daniel Bouhs
ZUR PERSON
Uwe Vorkötter ist Journalist durch und durch: Er war Wirtschaftsredakteur, Korrespondent, Bürochef, schließlich auch Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“, dann der „Berliner Zeitung“ und zuletzt auch der „Frankfurter Rundschau“.
Seit 2012 berät er das Management der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, im März 2013 ist er auch noch als Managing Partner bei der Berliner Consultum Communications um Hans-Erich Bilges eingestiegen.
Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 8 bis 8. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.