Bücher

Blatt-Deutsch

Anton Hunger: „Blattkritik. Vom Glanz und Elend der Journaille“, Edition Hubert Klöpfer 2013, 246 Seiten, 19,50 Euro.

Als Journalist und langjähriger Kommunikationschef von Porsche kennt der Publizist Anton Hunger Freud und Leid beider Seiten. In „Blattkritik“ beschäftigt er sich aber ausschließlich mit der Journaille, ohne sich Glacéhandschuhe überzustreifen. Schon im Vorwort benutzt Hunger den Ausdruck „Ritualschlachtung“: Man könne nicht nur mit Blicken töten, sondern auch mit dem Wort. Den unausgesprochenen Appell zur Differenziertheit konterkariert der Autor allerdings, wenn er von der „Unmöglichkeit der Gegenwehr“ spricht. Die Fälle einer medialen Hinrichtung gibt es natürlich, in der Regel ziehen Journalisten scharfe Kritik aber dem Beil vor.

In einer Tour d’Horizon geht es von „Bild“ (Neues Leitmedium oder altes Schmuddelblatt?), über Shitstorm (Zankapfel Urheberrecht) und Witwenschütteln bis zu Brent Spar (ein Supergau – für die Medien). Gruner+Jahr habe nur konsequent gehandelt, könnte der Leser meinen, ist doch ein Kapitel betitelt: „Die Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspresse ist verspielt.“ Sie arbeite an ihrer „Selbstverstümmelung“.

Wieder so ein martialisches Bild – in der Sache ist vielen Analysen jedoch zuzustimmen. Meine Wenigkeit

Jens Bergmann: „Ich, ich, ich. Wir inszenieren uns zu Tode“, Metrolit 2013, 226 Seiten, 18,99 Euro.

Stellte der US-Medienwissenschaftler Neil Postman 1985 im Titel seines Klassikers fest: „Wir amüsieren uns zu Tode“, so lautet Jens Bergmanns Anspielung: „Wir inszenieren uns zu Tode.“ Der geschäftsführende Redakteur von „brand eins“ nennt das Kind beim Namen: „Wir leben im Zeitalter der Wichtigtuer. Sie belästigen uns auf allen Kanälen, noch nie war es so schwer, ihnen zu entkommen.“ Das gelte in besonderem Maße für die sozialen Medien, die der Autor als „gigantische Selbstinszenierungsmaschinen“ bezeichnet. Im zweiten der drei Teile des Buchs können die Leser sich in einem Bestiarium der Promi-Typologie gruseln: Hier tummeln sich die Charity Lady, der Grüß August oder der Putzerfisch. Letzterer umschwärmt die Prominenten, stets in der Hoffnung, von deren Ruhm möge auch für ihn etwas abfallen. Butter bei die Putzerfische – Jens Bergmann kommt dem Wunsch nach. Im Glamour-Aquarium ziehen zum Beispiel „Bunte“-Klatschonkel Paul Sahner und der auf distanzierten Voyeurismus spezialisierte Adels-Astrologe Rolf Seelmann-Eggebert ihre Kreise. Doch mit dem Finger auf andere zu deuten ist unredlich. Und so heißt es am Schluss: „Die Eitelkeitsgesellschaft, das sind wir alle. Wir können uns zu Tode inszenieren. Oder uns dem wirklichen Leben zuwenden.“

Jahrhundert-Aufgaben

Nina Springer, Johannes Raabe et al. (Hrsg.): „Medien und Journalismus im 21. Jahrhundert“, UVK 2012, 651 S., 49 Euro.

Vor nicht gerade wenigen Herausforderungen stehen Medien und Journalismus Anfang des 21. Jahrhunderts, legt der Umfang des Sammelbandes nahe. Dieser vereinigt 30 Beiträge von Kommunikationswissenschaftlern und Medienpraktikern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Zunft ehrte den Münchner Journalismusforscher Heinz Pürer anlässlich seines 65. Geburtstages.

Der wohl interessanteste der fünf Buchteile befasst sich mit „Berufswirklichkeit und Ethik“. Hier geht es etwa um Stressbewältigungsstrategien von Tageszeitungsjournalisten. Die Verlage müssten journalistische Qualität auch durch entsprechende Rahmenbedingungen sicherstellen. Es gebe natürliche Grenzen, jenseits derer die Qualität nachlasse, ein positives Arbeitsumfeld und gekonntes Zeitmanagement sorgten für mehr Gelassenheit. Ein anderer Beitrag beschäftigt sich mit dem Umgang der Presse mit öffentlichen Rügen des Deutschen Presserates. Die Überschrift sagt bereits (fast) alles über die unschönen Reaktionen der Gerügten: „Verstecken, verschleiern, verschieben.“

Bernd Stössel ist freier Journalist in Frankfurt.

bernd.stoessel@t-online.de

Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 78 bis 78. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.