Tissy Bruns ist tot. Am 21. Februar ist die 62jährige Journalistin einem Krebsleiden erlegen. Sie war Politikjournalistin mit einer Leidenschaft, die nur wenigen gegeben ist. Und sie war eine Pionierin: Als erste Frau leitete sie 1999 bis 2003 die Bundespressekonferenz. Ihre journalistische Karriere hatte viele Facetten und Stationen: „taz“, „Wochenpost“,„Stern“, „Welt“, und schließlich die Zeitung, die nach ihren Aussagen zu ihr passte: Der „Tagesspiegel“. Im „medium magazin“-Titelinterview 2007 – kurz nach Erscheinen ihres Buchs „, Republik der Wichtigtuer“ – sagte Bruns über sich selbst: „Ich war eine richtige Linksradikale im Marxistischen Studentenbund Spartakus und in der DKP – ein schwerer Lebensirrtum. … Ich habe einen recht drastischen Bruch in meinem Leben vollzogen. Danach hatte ich das Problem, das alle Dissidenten haben: Ich war lange unsicher, ob das, was ich denke, einfach nur ein Dementi der früheren Haltung war, oder ob es aus durchdachter Erfahrung resultiert. So etwas braucht Zeit. Deswegen ist meine journalistische Karriere auch einigermaßen stufenreich.“ (http://bit.ly/WQoVSK). Politik hat Tissy Bruns fasziniert. Geärgert hat sie sich, wie „Tagesspiegel“-Kollege Robert Birnbaum in seinem Nachruf schreibt, „über alles andere, was sie un-, ja antipolitisch fand. Über einen Journalismus zum Beispiel, der sich selbst nicht ernst nimmt, wenn er die Jagd nach zweitrangigen Zitaten zweitrangiger Politiker zum Qualitätsmerkmal erhebt. Mit der eigenen Branche ging Tissy Bruns hart ins Gericht. Sie hielt dem angeblichen „Qualitätsjournalismus“ den Spiegel vor, kritisierte immer wieder die Gefahren der Verflachung der Inhalte: „Durch die Verflachung, die auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu beobachten ist, ist kein junger Mediennutzer hinzugewonnen worden, erst recht nicht bei den Zeitungen. … Wenn man Eisbär Knut in der “Tagesschau” und Paris Hilton in “heute” bringt, verliert man auf jeden Fall das Publikum, das an diese Sendungen höhere Erwartungen hat…. Dieses Publikum unterfordern wir mit geistiger Unterernährung.“ Tissy Bruns sprach unbequeme Wahrheiten aus und wurde nicht zuletzt deswegen von Kollegen und Politikern hoch geschätzt, wie Stimmen zu ihrem Abschied beweisen: „Sie war eine unermüdliche Debattiererin. Weil sie immer das Schlechte gut und das Gute besser machen wollte.“ (Die Redaktion des „Tagesspiegel“), „Sie war eine unserer wichtigsten Stimmen und eine Autorität auf dem Gebiet der Medienkultur in der Hauptstadt. Sie fehlt uns.“ (Verein der Bundespressekonferenz), „Präzise, meinungsstark, unprätentiös: Ein Vorbild für viele Frauen in den Medien.“ (RBB-Intendantin Dagmar Reim)
Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 88 bis 88. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.