500, 1.000, 2.000 – die Klickzahlen meines Artikels „Die letzte Praktikantin der FTD“ steigen im Minutentakt. In meinem Post auf dem Blog der 50. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule (unter3.net) hatte ich einen Einblick in mein Praktikum in der Politikredaktion der „Financial Times Deutschland“ (FTD) gegeben. Die Klicks meines Blogeintrags schnellen empor. Währenddessen stirbt der Printjournalismus. Nicht so schnell, wie sich mein Text verbreitet, aber die Pleiten von FTD, „Frankfurter Rundschau“, „Prinz“ und dapd geben ein beachtliches Tempo vor.
Vier Stunden später – der Blogeintrag wurde bereits 6.700-mal angeklickt – klingelt mein Handy. Journalisten wollen mit mir über die Stimmung bei der FTD während meines Praktikums und die Zukunft des Journalismus reden. Ausgerechnet ich soll ihnen meine Sicht der Dinge erklären. Keine überenthusiastische Nachwuchsjournalistin, sondern eine, die den Journalismus liebt, aber deren Entscheidung für den Journalismus von Zweifeln geprägt ist. Mal arbeite ich mich begeistert in ein Thema ein, recherchiere und schreibe stundenlang, mal denke ich mir: „Warum tust du dir das an?“
Schon am Anfang meiner Journalistenausbildung fragte ich mich oft: „Können freie Journalisten von ihrer Arbeit leben?“ Erfahrene Journalisten beantworteten die Frage damit, wie viel Spaß ihnen der Job macht – sie sagten nicht, dass viele Journalisten täglich um ihre Existenz kämpfen.
Ich schätze mein Praktikum bei der FTD, weil es mir eine ungeschönte Realität des Journalismus gezeigt hat. Als ich im August zu hospitieren begann, war die Stimmung der Redakteure der FTD bereits am Tiefpunkt. Ich wusste nicht einmal, ob mein Praktikum diese Zeitungskrise übersteht. Ich spürte, dass für die Redakteure diese Krise anders war als in den Jahren zuvor. Sie war ernst. Trotzdem zeigten die FTD-Redakteure keine Angst vor der Zukunft. Für mich war es nur ein Praktikum. Für sie war das Schicksal der FTD eng mit Familien, Kindern, Partnern und Lebensplänen verbunden. Souverän diskutierten sie jeden Morgen neue Themen und füllten die Seiten des lachsrosa Blattes. Im September entspannte sich die Situation – es gab die Idee, die Zeitung schrittweise ins Internet zu verlagern und die Ausgabe am Wochenende zu vergrößern.
Der richtige Moment
9.000 Klicks, elf Kommentare zu meinem Blogeintrag. Ein neues Zeitalter bricht an und wir – die Digital Natives – sind live dabei. Auch bei der FTD war das digitale Zeitalter angekommen. Die Redakteure konkurrierten um mehr Follower, manchmal wurden in der Konferenz Texte ausdrücklich für die Internetseite vorgeschlagen. Aber das digitale Zeitalter schritt nur langsam voran bei der FTD. Alte und komplizierte Abläufe verlangsamten das Tempo des täglichen Onlinejournalismus bei der FTD.
Manche Redakteure dachten zwar online, aber die Kommunikation zwischen Online und Print hinkte. Es hätte Schnelligkeit und viel Mut der Medienmanager gebraucht, um das Tempo im Onlinebereich der FTD dem von 2012 anzupassen.
Dass Print mit Online nicht Schritt halten kann, hatte ich bereits an der Journalistenschule erlebt. Die Print-Dozenten waren stets erstaunt, als nach ein paar Wochen Schule bereits alle bei Twitter angemeldet waren.
Für sie war es neues Spielzeug im Netz. Für uns war es Alltag. Der Hamburger Fotoreporter und Multimedia-Produzent Uwe H. Martin glaubt, dass es die beste Zeit ist, Journalist zu sein, wegen diesen neuen Möglichkeiten. Das glaube ich auch. Es reizt mich, Geschichten multimedial zu erzählen. Ich mag die Schnelligkeit, die Dynamik und die Interaktion im Internet.
Das einzige Problem: Es gibt keine verlässliche Möglichkeit, die Projekte des digitalen Zeitalters zu honorieren. Meiner Meinung nach ist genau jetzt – in einer Zeitungskrise – der richtige Moment, um dies zu ändern. Die Zeitungsverlage sollten sich zusammenschließen, um gemeinsam die Kostenlos-Kultur zu beenden. Denn wovon sollen die Digital-Native-Journalisten später leben?
Freunde haben mich nach meinem Blogeintrag gefragt, warum ich nach einem Praktikum mitten in der Zeitungskrise noch Journalistin werden möchte. Meine Antwort: Journalismus ist für mich mehr als nur das geschriebene Wort. Es sind auch authentische O-Töne, aussagekräftige bewegte Bilder und das multimediale Miteinander von Ton und Bild.
Bisher hat meine Liebe zum Journalismus – zu täglich neuen Herausforderungen, spannenden Gesprächspartnern, der Suche nach den richtigen Worten und Tönen, um eine Geschichte zu erzählen und dadurch vielleicht ein bisschen etwas zu verändern – mich auf diesem Weg gehalten.
11.000-mal wurde der Blogeintrag binnen fünf Tagen angeklickt. Ein schönes Gefühl – obwohl der Anlass traurig ist. Hoffentlich nehmen die Verleger ihn endlich, um nach neuen Möglichkeiten zu suchen, wie die Qualitätspresse von den Klicks profitieren kann.
Franziska Broich (24)
ist Schülerin der 50. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule und Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie hospitierte bei der FTD, der dpa, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sowie dem Medienprogramm in Johannesburg und studierte in Maastricht „European Studies“. Ihr Blogpost zur FTD: http://bit.ly/TaGg6K
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Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 29 bis 29 Autor/en: Franziska Broich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.