Es ist der Klassiker. Der Vorstandsvorsitzende eines größeren Dax-Unternehmens wurde vom „Spiegel“ ziemlich hart zur Brust genommen. Vom Chefredakteur eines Wirtschaftsmagazins darauf angesprochen, gab sich der Konzernlenker cool: „Da steuere ich mit ‚Focus‘ dagegen.“
Freundliche Geschichten reichen nicht
Mal davon abgesehen, dass „Focus“ über diese „Wertschätzung“ alles andere als glücklich sein kann, zeigt die Aussage des Wirtschaftsmannes vor allem seine eingeschränkte Wahrnehmung: dass „bella figura“ öffentlich nur über das Vehikel wohlgesonnener Blätter zu erzielen sei.
Es ist die Einfalt von Marketingstrategen, die ihre Existenzberechtigung mit glorifizierenden Elaboraten unterlegen und aus schmeichelhaften Artikeln das Anzeigenpreisäquivalent errechnen. Viele PR-Manager sind längst ebenso auf diesem Trip, weil sie die Prügel ihrer Chefs bei kritischer und zuweilen verletzender Medien-Resonanz einfach leid sind. Hunderte freundliche Geschichten in Zeitungen und Zeitschriften, gepaart mit netten Filmchen auf den entsprechenden Kanälen, sollen dagegen den Beleg dafür liefern, dass man die Sache schon ins rechte Licht zu rücken weiß. Und außerdem reicht es für etwas, womit man in Unternehmen immer punkten kann: einer nachrechenbaren Kostenersparnis für teure Anzeigen.
Aus Marketingsicht mag eine solche Logik noch nachvollziehbar sein. Für die Verbesserung der Reputation eines prominenten Wirtschaftsführers oder seines Unternehmens ist sie verheerend. Die gepamperten Geschichten erscheinen zwar, sie werden vielleicht auch gelesen, aber sie sind erkennbar nicht glaubwürdig.
Nein, Glaubwürdigkeit schafft man nur im Umfeld kritischer Medien, die guten Journalismus liefern. Dort wird man mit der Berichterstattung zwar nicht hinterm Ohr gekrault, erhält aber Geschichten, die wegen ihrer nüchternen Tonalität, ihrer Distanz zum beschreibenden Objekt, nicht entfernt den Hauch von Käuflichkeit erwecken: glaubwürdige Geschichten eben, die eine angegriffene Reputation wiederherstellen oder eine nicht existierende erst schaffen können.
Gute PR-Leute kennen diesen Wirkungsmechanismus, die meisten Spin Doctors sowieso. Sie jubeln den Medien zwar auch Geschichten unter, die kein öffentliches Interesse befriedigen oder deren Informationsgehalt kaum die Aussagekraft einer miserabel aus dem Koreanischen übersetzten Betriebsanleitung erreichen. Aber diese Geschichten sind in aller Regel Gegengeschäfte: Der Spin Doctor verspricht für die Publizität der seichten Ware im Nachgang „frische Ware“ – einen Scoop also, mit dem sich der Journalist profilieren kann. Und am Scoop ist nur die kritische Presse interessiert.
Gute PR braucht also guten Journalismus. Er allein ist in der Lage, zu hinterfragen, zu analysieren und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Er kann dem Spin Doctor die Grenzen zeigen, die er nicht überschreiten wird. Und gute PR-Leute haben das auszuhalten.
Gute PR braucht aber auch deshalb guten Journalismus, weil sonst die Geschäftsgrundlage für Deals verloren geht. Wer sich darüber echauffiert, darf sich gerne ins Bewusstsein rufen, dass dies journalistischer Alltag ist. Die Ware ist nämlich nur dann frisch, wenn sie exklusiv ist. Und die Exklusivität ist längst eine harte Währung im Kampf der Medien um Auflage und Quote.
Am Futtertrog
Zugegeben, damit instrumentalisiert der Geschichtenlieferant – vulgo: Informant – das Medium. Und das ist nicht per se gut für die Medien. Aber da der Fluss spannender Nachrichten an manchen Tagen schon mal zum Rinnsal verkümmert, lassen sich Journalisten gerne dafür missbrauchen. Sie wollen schließlich am Futtertrog der exklusiven Geschichten nicht abseits stehen und auch dann die Zeitungsspalten füllen, wenn nicht gerade Fukushima explodiert, Osama bin Laden erschossen wird oder Deutschland sich wiedervereinigt.
Wer im Umfeld kritischer und glaubwürdiger Berichterstattung positiv kommentiert wird, erzielt gesteigerte Aufmerksamkeit beim Publikum. Und Respekt. Seine Reputation ist damit nicht notwendigerweise schon wiederhergestellt, aber er hat einen Etappensieg erreicht.
Den PR-Strategen deshalb ins Stammbuch: Macht kein Marketing. Kümmert euch um die Blätter, die die Marketingmanager abgeschrieben haben. Nur diese Gazetten haben das Zeug, den Chef zum Helden zu küren oder das Unternehmen aufs Treppchen zu stellen.
Merke: Marketing ist für die Werbeseiten zuständig. PR für die Inhalte.
Anton Hunger (64) ist Journalist und war 17 Jahre Pressechef bei Porsche. Heute betreibt er das Kommunikationsbüro „publicita“ in Starnberg. Er ist u. a. auch Mitgesellschafter von „brand eins“.
Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 60 bis 60 Autor/en: Anton Hunger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.