Ein Journalist in der Bäckerei

Somalia. „Am 27. September 2009 überlebte ich ein Attentat. Ich besuchte an dem Tag einen Freund, der als Radiojournalist arbeitete. Seine Redaktion lag in der Nähe des Bakara-Marktes, des größten Umschlagplatzes für alles Mögliche in Mogadischu. Mein Chefredakteur und meine Eltern sagten am Telefon, ich sollte das Land verlassen. Die Al-Schabaab und andere Islamisten hatten mich bereits mehrmals bedroht. Viele Kollegen, die bei Al-Schabaab auf der schwarzen Liste standen, sind heute tot. Ich bin heute 27, wohne seit gut zwei Jahren in einem Sozialwohnheim in München und arbeite in einer Bäckerei. Mir persönlich geht es gut, auf Münchens Straßen wird ja nicht geschossen. Ich lerne Deutsch und kann die Menschen in der Bäckerei mit einem, Grüßgott‘ begrüßen. Ich schätze die Sicherheit hier in Deutschland, aber mir fehlt auch mein Beruf. Ursprünglich plante ich, nach Schweden auszuwandern, denn dort gibt es eine große somalische Diaspora. Aber Deutschland gewährte mir vorher Asyl. Dafür bin ich sehr dankbar! Auch meine Frau durfte vor Kurzem zu mir ziehen. Der Verein Journalisten helfen Journalisten unterstützt mich seit meiner Ankunft – die Kollegen haben einen besonderen Platz in meinem Leben. Ich weiß nicht, wie lange ich in Deutschland bleibe, denn eines Tages, wenn es nicht mehr so gefährlich ist, will ich nach Somalia zurückkehren. Die Zeit in Deutschland will ich nutzen, um nicht nur Deutsch zu lernen, sondern auch möglichst viel über die Arbeit der deutschen Kollegen zu erfahren.“

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Mehr Infos über „Journalisten helfen Journalisten“ siehe Rubrik „Hilfe“ auf: www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 6 bis 6 Autor/en: Abdirahman Osman, in Zusammenarbeit mit Tim Neshitov/SZ und Carl Wilhelm Macke, JHJ. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.