Berufsrisiko: Lebensgefahr

1. Mexiko-Stadt. Wer in Mexiko als Reporter oder investigativer Autor seinem Beruf nachgeht, riskiert immer öfter sein Leben. Recherchen und Berichte über den Drogenkrieg oder die Korruption in Staatsunternehmen ziehen Drohungen, Einschüchterungen und Tod nach sich. Allein 2012 wurden schon zwölf Reporter getötet.

Medienschaffende in Mexiko gleichen zunehmend Kriegsberichterstattern, die zwischen den Fronten stehen und von allen Seiten unter Beschuss genommen werden. Denn neben Kartellen bedrohen auch korrupte Behörden und Polizisten im Mafia-Sold die Pressefreiheit. „Unsere Profession kann man nur noch mit einer gehörigen Portion Masochismus ausüben“, sagt Rafael Rodríguez, Chefredakteur des Politmagazins „Proceso“. Seine Zeitschrift ist das wichtigste investigative Medium Mexikos.

In dem lateinamerikanischen Land, das sich anders als Irak oder Afghanistan nicht in einem offenen Krieg befindet, sind nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen zwölf Jahren 80 Berichterstatter bei der Ausübung ihres Berufs getötet worden oder verschwunden. Keine der Taten ist aufgeklärt. In Mexiko liegt die Aufklärungsquote von Gewaltverbrechen bei zwei Prozent. Morde an Reportern machen da keine Ausnahme.

Vor die Wahl gestellt, weiter sein Leben zu riskieren oder aus dem Fadenkreuz zu gehen, wechseln immer mehr Kollegen den Beruf oder verlassen das Land. So auch Ana Lilia Pérez (35): Sie hat in mehreren Büchern über die Verquickungen von Mafia, Staatsunternehmen und Regierung berichtet. Sie hat vor allem über die Korruption und Unterwanderung durch die Mafia beim staatlichen Ölmonopolisten Petróleos Mexicanos (Pemex) berichtet, dem größten Unternehmen Lateinamerikas. Seit Jahren wird sie deshalb verklagt, verfolgt und bedroht – vor allem von Funktionären und Politikern. Jetzt hat sie eine Auszeit genommen und arbeitet ein Jahr lang in Deutschland als Stipendiatin der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.

Es sei in Mexiko schwerer, ein ehrlicher Journalist zu sein als ein korrupter, sagt Pérez. Dabei habe gerade der Journalismus die wichtige gesellschaftliche Aufgabe, Dinge wie Bestechlichkeit ans Licht zu bringen. Viele Medien in Mexiko aber verfolgten eigene politische und wirtschaftliche Interessen:„Sie haben es nicht geschafft, die Nabelschnur der Abhängigkeit von öffentlichem Geld zu
durchtrennen“, sagt sie. „Es ist in unserem Beruf sehr leicht,
korrumpiert zu werden.“ www.hamburger-stiftung.de

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 18 bis 18 Autor/en: Klaus Ehringfeld aus Mexiko. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.