Adrian Bechtold?

Auch im Jahr 2012 ist Homosexualität im Sport offensichtlich noch immer ein Tabuthema. Jedenfalls sorgte ein anonymes „Gespräch mit einem schwulen Fußballbundesligaspieler“, so der Titel des im Jugendmagazin „Fluter“ veröffentlichten Gesprächs, für reichlich Trubel. Der Journalist Adrian Bechtold sah sich gar gezwungen, zeitweise völlig unterzutauchen. Zu groß war offenbar die Neugier hartnäckiger Kollegen, die Identität seines Gesprächspartners zu enthüllen, zu scharf die Kritik an seiner Arbeit.

Als das Gespräch Mitte September erschien, stand Bechtolds Telefon nicht still. Den ganzen Tag über habe er Interviews gegeben, auch internationalen Medien. „Der ‚Independent‘ war dabei, auch die BBC. Das war schon großartig“, sagt Bechtold. Letztlich ließ sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer klaren Botschaft an den anonymen Bundesliga-Profi hinreißen: „Er lebt in einem Land, in dem er sich vor einem Outing nicht fürchten muss.“

Doch mit dem Erfolg kamen für den Journalisten Bechtold, einen 25-jährigen Jurastudenten, auch Probleme. „11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster mahnte etwa: „Der Scoop sieht aus wie ein Fake.“ Er war nicht der Einzige mit Zweifeln. Der „Fluter“ aber stellte sich hinter seinen Mitarbeiter.

„Ich bin vermutlich noch nicht so abgehärtet, dass das einfach an mir vorbeigeht“, sagt Bechtold, der derzeit schwer zu erreichen ist. Zur Kritik kamen nämlich auch Fragen. Gleich mehrere Kollegen bedrängten Bechtold, um den Namen des interviewten Spitzensportlers zu erfahren. „Mir wurde dafür sogar Geld geboten“, berichtet Bechtold, „auch wenn das dann in einen Scherz verpackt wurde.“ Der Nachwuchsjournalist tauchte unter, die Bundeszentrale für politische Bildung als Herausgeberin des Magazins nahm sich der Anfragen an – und dennoch: Zeitungen und Online-Portale waren voll mit der Geschichte, Zweifel inklusive.

„Inzwischen würde ich anders reagieren, langsamer“, sagt Bechtold. „Je höher der Druck wird und je mehr Anfragen kommen, desto gemächlicher muss man sie beantworten.“ Der Student will sich nun erst einmal vor allem um sein Staatsexamen kümmern – und denkt vorsichtig über seine Zukunft nach. „Ob ich überhaupt weiter journalistisch arbeiten werde, ist offen: Nach dieser Sache überlege ich mir das gerade sehr stark.“

Interview im „Fluter“: http://bit.ly/Pe5IvY

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 62 bis 62. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.