Medien-Nachrichten aus aller Welt: Die Weltreporter berichten für „medium magazin“ rund um den Globus.

Alkyone Karamanolis aus Griechenland

Journalismus in Ruinen

ATHEN. Es war nicht leicht, einen Interviewtermin mit Kiki Papa auszumachen. Die Journalistin schreibt für die griechische Wirtschaftszeitung „Express“, ihre Termine sind dicht gestaffelt, und das nicht nur, weil sich die Pressekonferenzen seit Beginn der Finanzkrise überschlagen. Vor zwei Jahren hat die Zeitung die Hälfte ihrer Journalisten entlassen. Seither ist Kiki Papa alleine für das Ressort Politik zuständig, zwölf Stunden Arbeit am Tag sind der Standard. Würde sie wenigstens regulär bezahlt, Kiki Papa würde nicht klagen. Nur: Ihr Arbeitgeber hat die Gehaltsüberweisungen eingestellt. Stattdessen erhält die Journalistin einen Vorschuss von rund 800 Euro im Monat, doch oft bleibt auch der aus. Ergebnis: Der Verlag schuldet ihr inzwischen 35.000 Euro. Dabei sei sie, verglichen mit ihren Kollegen, noch nicht einmal am schlechtesten dran, denn sie arbeite sporadisch auch fürs Radio, sagt Kiki Papa und erzählt von einem Kollegen, der zu Fuß zur Arbeit kommt, weil er sich den Fahrschein für den Bus nicht leisten kann, und einem anderen, der kein Geld hatte für die Beerdigung seiner Mutter.

Die Finanzkrise hat auch die griechischen Medien schwer getroffen. Mehrere große Tageszeitungen, darunter die traditionsreiche „Elevtherotypia“ und der „Elevtheros Typos“, haben dichtgemacht, die Zeitung „To Vima“ erscheint nur noch am Sonntag, der private Fernsehsender „Alter“ hat vor einem Jahr zum letzten Mal Programm ausgestrahlt. Damit bezahlen die griechischen Medien freilich auch fehlende Voraussicht. Vielfach übertraf ihre Verschuldung den Jahresumsatz um das Zweifache, die Finanzlücken wurden mit billigen Krediten geschlossen. Doch nun haben die Banken den Geldhahn zugedreht, und die Werbeeinnahmen befinden sich schon seit 2008 im freien Fall. Die Journalisten, die für „Elevtherotypia“ und „Alter“ arbeiteten, warten immer noch auf ihre Gehälter.

Bei der Zeitung „Express“ ist das nicht anders. Wenn der Verlag an Geld kommt, bezahlt er zunächst andere Verpflichtungen, an die Mitarbeiter geht das, was übrig bleibt, beschreibt Kiki Papa die Lage. Es sind noch nicht einmal zehn Minuten vergangen, und die Journalistin wird schon nervös. Ihr Handy klingelt in immer kürzeren Abständen, Kiki Papa muss weitermachen. Wo sie die Kraft hernehme, morgens ins Büro zu kommen, frage ich sie noch. Mit 55 Jahren und auf einem von der Rezession geprägten Arbeitsmarkt habe sie keine andere Chance, antwortet Kiki Papa, während sie mich eilig hinausbegleitet. Und solange sie arbeitet, selbst für einen Bruchteil ihres Gehalts, ist sie wenigstens sozialversichert.

www.express.gr

Renzo Ruf aus den USA

Das PR-Wort Gottes

WASHINGTON. Höflichkeit bleibt: Auch herablassende und kritische Journalistenfragen – für die am Hauptsitz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gerade britische, französische und deutsche Medienschaffende berüchtigt sind – beantwortet der Öffentlichkeitsarbeiter Eric Hawkins aus Salt Lake City (Utah) äußerst zuvorkommend. Dabei herrscht doch derzeit in der inoffiziellen Hauptstadt der Mormonen, wie die Glaubensgemeinschaft meist genannt wird, Hochbetrieb: Mit dem Republikaner Mitt Romney könnte erstmals ein Kirchenmitglied ins Weiße Haus einziehen. Daher prasseln Medienanfragen aus der ganzen Welt auf die PR-Spezialisten der Mormonen ein. Die entsprechende Abteilung wurde mit Blick auf die heiße Wahlkampfphase deshalb eigens aufgestockt. „Wir haben die Aufmerksamkeit nicht gesucht“, sagt Hawkins. Er betont, dass die Kirche Jesu Christi parteipolitisch neutral sei. „Wir versuchen mit allen Mitteln, uns aus der großen Politik herauszuhalten“, sagt der Sprecher – eine Ausnahme machten die Mormonen einzig im Jahr 2008, als sie im Bundesstaat Kalifornien in eine Abstimmung über die Legalisierung der Homo-Ehe eingriffen. Eine offene Unterstützung Romneys kommt aber nicht in Frage, obwohl der konservative Präsidentschaftskandidat viele Attribute auf sich vereinigt, die auch zum Grundgerüst der Mormonen-Kirche gehöre. So ist der 65-Jährige ein in der Wolle gewaschener Kapitalist, der in der Unternehmenswelt Millionen verdiente, um sich dann in den Dienst der Wählerinnen und Wähler zu stellen. Die Mormonen gelten als eine der wohlhabendsten Glaubensgemeinschaften in den USA. Jüngst bezifferte das Wirtschaftsmagazin „Bloomberg Businessweek“ das Kirchenvermögen auf bis zu 40 Milliarden Dollar. Auch das Privatleben von Romney scheint makellos: Der Abstinenzler ist seit über 40 Jahren mit seiner Gattin Ann verheiratet und die beiden haben gemeinsam fünf Söhne großgezogen. Ob die Mormonen durch ihre Passivität nicht eine Chance vergäben, will ich von Eric Hawkins wissen, schließlich würde der stets piekfein frisierte Romney ein ideales Aushängeschild für eine schnell wachsende Kirche abgeben, die vielen Amerikanern fremd ist. Hawkins aber antwortet bloß: „Das ist eine interessante Frage.“ www.mormonnewsroom.org

Clemens Bomsdorf aus Norwegen

Fotos von der Jugend danach

OSLO. Ein Bus, drei Jungs und ein langgestrecktes, dünnbesiedeltes Land mit atemberaubender Natur – das klingt nach dem perfekten Sommer. So hatten es sich auch die (Foto-)Journalisten Aleksander Andersen, Lars Ellingsgard Øverli und Martin Slottemo vorgestellt. „Frisch fertig mit der Ausbildung wollten wir auf der Tour Land und Leute porträtieren, das ganz normale Norwegen“, sagt Øverli. Dann kam der 22. Juli 2011, der Tag, an dem bei zwei Attentaten im Regierungsviertel von Oslo und im politischen Ferienlager auf der Insel Utøya 77 Menschen ermordet wurden. „Die meisten von ihnen waren in unserem Alter und kamen von überallher aus Norwegen. Wir entschlossen uns deshalb dazu, diese Generation zu porträtieren“, so Øverli. Die drei, 22 bis 25 Jahre alt, reisten also wie geplant mit dem Bus durch Norwegen, machten Bilder von Überlebenden, Hinterbliebenen und anderen, die den Terror durch die Medien mitbekommen hatten. „Die Attentate werden unsere Generation prägen. Wir wollten zeigen, wie“, sagt Øverli. Im Mittelpunkt steht, wie das Leben nach dem 22. Juli weitergelebt wird. Da ist Renate Tårnes, 22, die von Utøya fliehen konnte. Ihr Freund aber und gemeinsame Freunde wurden erschossen. Auf einem Bild steht sie vor dem leeren Bett, das sie einst mit ihrem Freund geteilt hat. Der Blick ist auf die Matratze gerichtet, sie lässt Kopf und Schulter hängen. Auf einem anderen sitzt sie im Büro ihrer Sozialdemokratischen Partei, ihr Blick wirkt entspannt. Wie man schaut, wenn man das Glück hat, mit Freunden arbeiten zu dürfen. Am Tisch neben ihr sitzt eine andere junge Frau, lachend – der Alltag hat sie wieder.

Die Serie, in mehreren nordeuropäischen Medien publiziert, nannten sie „Til Ungdommen (22. Juli)“, „An die Jugend (22. Juli)“. Es ist der Titel eines norwegischen Gedichtes von 1936, das die Jugend aufruft, trotz allen Grauens Würde zu bewahren und für Frieden zu sorgen. Nach den Anschlägen wurde es bei Gedenkveranstaltungen gesungen.

Die Fotografen zeigen Karriereanfänge wie auch Wohnzimmer mit Paris-Bildern an der Wand: Jugendträume, die zu jeder Generation gehören – daran ändert letztlich auch der schreckliche Terror nichts.

www.paragonfeatures.no

Erschienen in Ausgabe 09/202012 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 16 bis 17. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.