Ein Interview mit dem Wind, eine Reportage über eines der letzten Matriarchate in Sumatra oder der Selbsterfahrungsbericht eines Nissanfahrers auf einem Porsche-Treffen – liest man die Storys in den diesjährigen Corporate-Publishing-Preisträgern, gewinnt der allseits beliebte Slogan „content is king“ an Glaubwürdigkeit. Mit originellen Ideen und sprachlicher Eleganz bieten diese Titel echten Lesestoff jenseits von Produktbeschreibungen. „Wir haben das Selbstverständnis, Storytelling zu beherrschen“, nennt das Andreas Siefke, Vorsitzender des Branchenverbands „Forum Corporate Publishing“ (FCP), der seit 2003 jedes Jahr die besten Unternehmenspublikationen aus dem deutschsprachigen Raum auszeichnet. „Weil wir im Kern journalistisch arbeiten, ist und bleibt der Content unsere DNA“, lautet ein beliebter Satz von ihm. Der promovierte Betriebswirt war Geschäftsführer bei Hoffmann und Campe Corporate Publishing und ist seit März 2012 geschäftsführender Gesellschafter bei der Medienagentur KircherBurkhardt. Seit zwei Jahren vergibt sein Verband bei den Best of Corporate Publishing Awards (BCP) auch einen Preis für die beste Reportage mit Unternehmensbezug („CP-Excellence“), eine der „Königsdisziplinen“, wie er findet.
Wirkungsnachweis erwünscht
Dennoch sei der BCP kein Schönheitspreis, sagt Siefke, der auch Jury-Mitglied des ambitionierten Lead Award ist. Denn natürlich geht es beim Corporate Publishing vor allem um Verkaufsziele, Wertschöpfungsketten und Effizienz. Darum gab es dieses Jahr auch erstmals den Effizienzpreis „CP-Impact“. Er wird für Objekte verliehen, die bei dem von TNS Emnid erhobenen CP-Standard besonders gut abschneiden. Er misst per Leserbefragung unter anderem die Nutzungsintensität, die Kundenzufriedenheit und die Leser-Blatt-Bindung.
Sieger ist hier das 180 Seiten starke Kundenmagazin der japanischen Luxus-Automarke Infiniti (siehe Seite 48 f.) mit 43 Minuten Lesedauer. Doch auch mit den anderen Heften befasst sich ein Leser im Durchschnitt immerhin 25 Minuten.
Die Wirkungsnachweise für Unternehmensmedien stehen dabei immer wieder in der Diskussion. Die Firmen würden am liebsten exakt wissen, wie viele Bestellungen oder Anfragen sie auf 100 in CP investierte Euro bekommen. Denn investiert wird beim Corporate Publishing weiterhin. 2011 stieg das Volumen im deutschsprachigen Bereich laut einer aktuellen Studie auf 4,7 Milliarden Euro. Ein durchschnittliches Budget liegt bei 390.000 Euro im Jahr. Das sind im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent mehr.
40 Prozent der Investitionen entfallen heute auf digitale Medien. Und so war das große Ding bei den diesjährigen BCP-Awards auch das Thema Crossmedia. Geschichten nicht nur in einem Heft, sondern auch durch Websites, firmeneigene Blogs, Newsletter, E-Paper, Videos oder Apps zu erzählen, gehört mittlerweile für größere Firmen zum Standard. Besonders gut gelungen schien der Jury dieses Jahr die Vernetzung der RWE-Kundenzeitschrift „/NEXT“ (siehe Seite 48 f.). Sie wurde nicht nur in der Kategorie „B2C – IT/Telekommunikation/Energie“ mit Gold ausgezeichnet, sondern auch für die beste „Crossmedia Solution“ – Industrie.
Für Chefredakteur Michael Hopp, der das Heft für Hoffmann und Campe Corporate Publishing betreut, stehen dabei ebenfalls die Inhalte im Vordergrund: „Wichtiger als das Medium ist hochwertiger und exklusiver Content – ohne diesen verläuft jegliche Kommunikation im Sand.“ Das „gute alte Papier“ sieht RWE-Kommunikationschef Sebastian Ackermann auch weiterhin als nötig an – vor allem, um spezielle Zielgruppen anzusprechen. Doch gleichzeitig gelte, mit Blick auf Social Media: „Wer mit seinen Kunden auf Augenhöhe sein möchte, kommt an diesen Kanälen nicht vorbei. Die Kunst liegt in Auswahl und Dosierung“ (siehe Interview Seite 50 f.).
Herantasten an Social Media
Ähnlich sieht es Berthold Dörrich von der Agentur Köckritzdörrich, die unter anderem das „Infiniti-“ und das „Lamborghini Magazine“ produziert: „Websites und Apps sind wichtige mediale Kanäle, um Marken-Geschichten optimal erzählen zu können. Doch wir denken nicht primär, medial‘, sondern in Storys, die wir dann crossmedial erzählen.“ Für manche Branchen ergeben sich durch die neuen Zugänge auch neue Verkaufsmöglichkeiten. War Corporate Publishing bisher vor allem für Markenbindung und Wiederkauf-Raten zuständig, kann es nun auch für Neukunden sorgen. Etwa wenn über eine App auch gleich eine Reise gebucht oder ein Shampoo bestellt werden kann.
Nach einer Studie haben im Jahr 2011 rund 35 Prozent der CP-Dienstleister Projekte für Tablet-PCs realisiert. Allerdings erklären knapp 85 Prozent aller befragten Auftraggeber, dass sie noch keine Strategie für das Tablet-Publishing entwickelt haben. „Man vergisst gerne, dass das iPad erst seit gut zwei Jahren auf dem Markt ist“, sagt Andreas Siefke vom Forum Corporate Publishing. „Und nach einer Anfangseuphorie gibt es auch schon erste Ernüchterungen.“ Man müsse genau prüfen, für welche Branchen Apps sinnvoll seien. „Hier gilt nicht die Maxime: Dabei sein ist alles.“
Auch den Bereich Social Media sieht Siefke kritisch. Twitter werde in Deutschland nie eine solche Bedeutung erlangen wie in den USA. „Es gibt wenig relevante Botschaften, die sich in 160 Zeichen packen lassen“, so Siefke. Face-book sei zwar gut dafür geeignet, auf elegante Weise ein Markenbewusstsein zu schaffen – etwa für Mode, Getränke oder Sportartikel – aber ansonsten sei bei all dem Ping-Pong doch auch viel „belangloses Zeug“ dabei.
Ein entscheidendes Internet-Phänomen ist jedoch die Möglichkeit der Verbraucher, sich untereinander über Unternehmen und ihre Produkte auszutauschen. Diese Entwicklung hält Michael Geffken, Direktor der Leipzig School of Media, für „unumkehrbar“. Die Leipziger Privatuniversität bildet Arbeitnehmer aus Agenturen, Redaktionen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen berufsbegleitend in drei Semestern in Crossmedia Management, Corporate Media, Mobile Marketing und New Media Journalism weiter. Journalistisches Handwerk oder Betriebswirtschaftsstudium allein reichen heute kaum aus, um den gestiegenen Anforderungen im Corporate Publishing gerecht zu werden.
Ein CPler muss zwar nicht alle Kanäle selbst bespielen können, aber doch ein sehr großes Orchester dirigieren. Strategische Fähigkeiten, Markenwissen, Managementkenntnisse – all das gehört heute dazu. „Einer der wichtigsten Aspekte für mich ist dabei aber das Gespür für relevanten Content“, sagt Michael Geffken. Das heißt, Themen zu finden, die einerseits zum Auftraggeber passen und andererseits die Zielgruppe interessieren. Die Digitalisierung erlaube Unternehmen eine schnellere und direktere Kommunikation mit dem Kunden, so Geffken. Und auch wenn sich das Thema Social Media noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden würde, betrieben viele Firmen es mittlerweile professionell.
Vertrauensvorschuss für Print
Auch die Konsumenten sind mittlerweile Profis darin geworden, sich aus den entsprechenden Kanälen ihre Inhalte zu besorgen. Blanke News bekommt man über das iPhone, die Geschichte dahinter liest man aber lieber in einer Zeitschrift. Deswegen genießt Print nach wie vor eine hohe Vertrauensstellung. So wird zum Beispiel kein Uhrenhersteller auf ein hochwertiges Magazin verzichten. Anders sieht es beim Mobilfunk aus. Dort haben digitale Medien einen ganz anderen Stellenwert.
Doch selbst die Elektrofachmarktkette Saturn verzichtet nicht auf ein schickes Kundenmagazin („Turn on“ von Burda Creative Group), verzahnt es aber eng mit seinem Internetshop. Höchst erfolgreich sind auch Zeitschriften wie „Laviva“ (Rewe) oder das &
#x201E;Zalando Magazin“, das aktuell eine Auflage von 1,5 Millionen hat. Und selbst Google denkt über ein eigenes Magazin nach.
„Print wird noch lange die Leadfunktion innehaben“, sagt Christian Krug von Gruner+Jahr Corporate Editors. „In den meisten Fällen denkt man sich heute Geschichten aus, die in Off- und Onlinemedien erzählbar sind. Aber der erste Gedanke gilt dem Printobjekt. Das wird sich sicher in Zukunft verschieben, aber es wird weiter Print geben.“
Mit großem Staunen nahm deshalb die Branche die Nachricht zur Kenntnis, dass der Finanzdienstleister MLP zum Jahresende die gedruckte Form seiner Kundenzeitschrift einstellt. Ab 2013 wird es „Forum“ nur noch im Internet und für Tablets geben. Jan Berg, Leiter Kommunikation & Politik bei MLP, ist von der neuen Digitalstrategie überzeugt: „MLP-Kunden haben eine hohe Affinität zur digitalen Kommunikation“, sagt er. Prompt entwickelte sich darüber im Netz eine rege Diskussion, bei der ein Teilnehmer meinte: „Ein Arzt setzt sich doch nicht nach einem stressigen Tag in der Praxis am Abend noch an den Bildschirm und surft aktiv in den Angeboten eines Dienstleisters wie MLP.“
Doch im Grunde ist man sich einig: Die tragende Säule im Corporate Publishing wird Print auch in Zukunft sein. „Ich denke, dass es Print auch noch in den nächsten 2.000 Jahren geben wird“, sagt Andreas Siefke vom FCP. „Denn das erfolgreichste CP-Book aller Zeiten ist schließlich die Bibel.“
Link:Tipps
Die Seite des bcp-Wettbewerbs:
www.bcp-award.com
Leipzig School of Media:
www.leipzigschoolofmedia.de
Branchenportal:
www.cp-wissen.de
Buchtipp:
BCP 2012. Best of Corporate Publishing. Porträts aller Preisträger und Shortlist-Nominierten. Herausgeber: FCP Forum Corporate Publishing e. V., München, HORIZONT productions, Frankfurt/Main, 582 Seiten, 79 Euro, zu bestellen über: www.bcp-award.com
Simone Schellhammer ist freie Journalistin in Hamburg.
www.simone-schellhammer.de
Erschienen in Ausgabe 09/202012 in der Rubrik „Special“ auf Seite 46 bis 47 Autor/en: Simone Schellhammer Center.Tv. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.