Der Kulturkampf im WDR

Im Februar 2012 stellte eine Gruppe von ehemaligen WDR-3-Redakteuren (wie wie Lothar Fend und Eberhard Rondholz) und Personen des öffentlichen Lebens (u. a. Günter Wallraff, Richard David Precht und Navid Kermani), die sich die „Radioretter“ nennt, einen offenen Brief an die WDR-Intendantin Monika Piel ins Netz. Darin wird diese aufgefordert, auf weitere Streichungen bei Wortsendungen in der Kulturwelle zu verzichten und Kritik und Fachkompetenz in den Redaktionen zu stärken. Weder dürfe das Kulturmagazin „Resonanzen“ banalisiert werden noch weitere Sendeplätze für Features und politische Berichterstattung verschwinden.

Der WDR reagierte zunächst mit Unverständnis. Monika Piel überließ die Beantwortung des Briefes Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz. Dieser beschied den Kritikern, einem Radioverständnis der siebziger Jahre und einem elitären und engen Kulturbegriff nachzuhängen. Stefan Moll, Leiter der Internet-Redaktion, stellte gar mit der eigenen Website: www.radiorentner.de – eine Persiflage auf die Website der „Radioretter“ ins Netz.

Trotz oder vielleicht aufgrund dieser als arrogant wahrgenommenen Reaktionen haben bislang über 18.500 Menschen den offenen Brief unterzeichnet. Kultur- und Autorenverbände haben sich öffentlich gegen die Reform gewandt. Auch Mitarbeiter des Senders warnten vor einer weiteren Verflachung des Programmes und forderten mehr hausinterne Diskussionen über den künftigen Kurs. Der Rundfunkrat folgte dennoch dem Votum des Programmausschusses und stimmte Ende Mai den geplanten Programmänderungen zu.

Der Sender bestreitet, dass größere Streichungen geplant sind. In einem am 13. Mai erstellten Papier hat er nun im Internet genauere Pläne veröffentlicht, die den Forderungen der „Radioretter“ in Teilen entgegenkommen. So soll beispielsweise ein zehnminütiger Radioessay pro Woche gesellschaftliche und politische Entwicklungen beleuchten. Im Juni will der WDR als Reaktion auf die Proteste selbst öffentliche Veranstaltungen zur Zukunft des Kulturradios veranstalten. Eine intern zu gründende „Zukunftswerkstatt“ soll auch die Mitarbeiter des WDR in die Reformen einbeziehen. WDR 3 soll zur „Kulturplattform NRW“ werden.

Ein Moratorium, wie es die Kritiker fordern, soll allerdings nicht geschaffen werden. Die Veränderungen im Kulturradio sollen zeitnah umgesetzt werden. Die „Radioretter“ haben angekündigt, an ihren Protesten festzuhalten, weil es nicht einsichtig sei, eine Reform umzusetzen und sie erst danach öffentlich zu diskutieren.

WDR 3 wurde seit Ende der neunziger Jahre mehrfach reformiert. Der kontinuierliche Hörerschwund, der auch anderen ARD-Kulturwellen (siehe auch Seite 22 f.) zu schaffen macht, ließ sich dadurch nicht stoppen. Die Kritiker machen allerdings gerade die Reformen für die Abwanderung verantwortlich. WDR 3 erreicht laut Angaben des Senders montags bis freitags im Schnitt 220.000 Hörer täglich.

www.die-radioretter.de

www.wdr.de/unternehmen/programmprofil/aktuelles/wdr3_update.jsp

Erschienen in Ausgabe 06/202012 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 23 bis 23. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.