Frau Mika, Sie leiten den Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste. Was müssen künftige Kulturjournalisten denn mitbringen?
Bascha Mika: Praktisch alle, die zu uns kommen, kennen sich in einem Fachgebiet besonders gut aus. Sei es, dass sie von der klassischen Musik her kommen, einen Hang zu popkulturellen Phänomenen haben, Musical, Literatur oder Theater studiert haben. Dass wir an einer Kunsthochschule angesiedelt sind, war daher eine elementare strategische Entscheidung: Die Nähe zur kulturellen Praxis ist aus unserer Perspektive entscheidend.
Also braucht man im Kulturressort Experten?
Jein. Das Problem des Kulturjournalismus – und des Journalismus insgesamt – ist, dass wir einerseits diejenigen brauchen, die sich bei einem bestimmten Thema besonders gut auskennen, und andererseits die Generalisten. Keine Redaktion kann sich heute leisten, nur Spezialisten zu haben. Die Zeiten, in denen zwei Redakteure ausschließlich für Theaterberichterstattung zuständig waren, sind im Prinzip vorbei. Gerade für gesellschaftliche Themen im Feuilleton brauchen Sie Journalisten, die Ereignisse und Phänomene in größere Kontexte einordnen können. Dieser Spagat ist die große Schwierigkeit für Kulturredaktionen heutzutage.
Das heißt, Debattenfeuilleton ist das A und O für modernen Kulturjournalismus?
Auch. Das klassische Rezensionsfeuilleton ist nicht überholt, aber wir brauchen kritische Kulturvermittlung und Orientierung gleichermaßen. Und Debattenjournalismus kann meiner Meinung nach einfach am stärksten Orientierung bieten.
Ihre Dozenten sind arrivierte Ressortleiter und Kulturredakteure. Sie treffen bei Ihnen auf eine Generation, die in einer anderen Welt kulturell sozialisiert wurde. Wie überbrücken Sie diese Kluft?
Es stimmt schon, die Kulturphänomene, für die sich junge Leute interessieren, sind nicht die des klassischen Feuilletons. Aber die Dozenten müssen sich bei uns auch auf die jungen Leute einstellen, es ist ein wechselseitiger Prozess: Man lernt voneinander. Unsere Dozenten legen aber zu Recht wert darauf, dass die Studierenden sich selbstverständlich in den klassischen Formaten bewegen können. Im Print genauso wie im Hörfunk, im Fernseh- und Videobereich. Das ist schließlich auch wichtig auf dem Weg in eine multi- und crossmediale Kulturberichterstattung, die der Nachwuchs in Zukunft leisten muss.
Den Studiengang gibt es seit 2002. Inwiefern hat sich der Bewerbertypus denn verändert in den vergangenen Jahren?
Unsere Studierenden sind jünger geworden, im Durchschnitt sind sie heute Mitte 20, die jüngste ist 22. Aber erfreulicherweise haben wir auch über 40-Jährige mit mehr Lebenserfahrung. Zuletzt bewarben sich rund 80 Kandidaten, in den ersten Jahren ab 2002 waren es eher 30 bis 40. Inzwischen haben wir viele Bachelor-Absolventen, die ein geistes- oder medienwissenschaftliches Erststudium hinter sich haben.
Die Kulturredaktionen schrumpfen, heißt es – dennoch bilden Sie Kulturjournalisten aus. Ist das kein Widerspruch?
Es ist ja nicht so, dass Kulturjournalisten nicht gebraucht werden. Nur ihre ökonomische Sicherheit ist nicht mehr so klar gewährleistet wie früher. Die Medienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren komplett verändert, bei Verlagen wie Sendern wird gespart, die sinkenden Gebühreneinnahmen tun ein Übriges. Da kürzt man eben zuerst da, wo es nicht unmittelbar weh tut, Kultur hat oft keine Priorität.
Warum nicht?
Die Einstellung, Kultur sei Luxus, hält sich hartnäckig – dabei ist das völliger Unsinn. Denn in einer zersplitterten Öffentlichkeit und einer heterogenen Gesellschaft wie der unseren ist es genau das, was wir brauchen: einen Kulturjournalismus, der Phänomene erklärt, interpretiert und einordnet. Dass sich diese Einsicht nicht durchsetzt, halte ich für einen großen Fehler.
Welche berufliche Perspektive haben Ihre Studierenden dann überhaupt?
Sie bekommen zwar über die Dozenten viele Kontakte, aber sie wissen, das ist keine Garantie für eine Stelle. Die Realität ist, dass sie von Anfang an lernen müssen, sich als Freie zu bewähren. Aber natürlich hält sich auch der Traum, Kulturredakteur bei der FAZ zu werden.
Erschienen in Ausgabe 03/2011 in der Rubrik „Special“ auf Seite 50 bis 51 Autor/en: Interview: Anne Haeming. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.