Wolfgang Fürstner
Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger
1. Anders als Google und Co. waren Verleger nie „nur“ Wettbewerber, sondern vor allem immer auch Träger eines besonderen Gutes der Pressefreiheit. Bei allem Wettbewerb besteht zwischen den Häusern immer auch Solidarität in ihrem publizistischen Selbstverständnis. Es ist eine Balance aus Wettbewerb und Erhalt des Zeitschriftensystems insgesamt, die das Verhältnis der Verlage untereinander stets ausgezeichnet hat. Allerdings hat der Medienwandel die Geschäftsmodelle der Verlage unter Druck gesetzt. Die Situation heute fordert mehr Disziplin und politisches Denken als Voraussetzung solidarischen Verhaltens.
2. Woran wir arbeiten, ist sichtbarer zu machen, dass das Herzstück der Verlage, dass das, was sie gegenüber gerade auch neuen Medienanbietern auszeichnet, die redaktionelle Kompetenz ist. Das Bewusstsein dafür ist in den vergangenen Jahren sicher ein Stück in den Hintergrund getreten.
Christian Fuchs
Freier Journalist
1. Als ich vor 13 Jahren meinen ersten Text als freier Journalist verkauft habe, war das eine bewusste Entscheidung für das kreative Prekariat. Ich kenne die Branche gar nicht mehr, wie sie zu Klaus Harpprechts Zeiten war: mit 15 Monatsgehältern, Dienstwagen und Kaffeeservice an den Schreibtisch. Solange weiter junge Menschen unter Selbstausbeutung in die Medienbranche drängen, wird sich an dem Solidarbruch-Dilemma nichts ändern. Ich sehe darin ein Problem für jeden Einzelnen, aber nicht für Redaktionen und Verlage.
2. Fair ist: klare Ansagen zu machen, Spesen zu übernehmen, pünktlich zu zahlen, den Autor vor dem Weiterverkauf seiner Texte zu fragen und ihn am Gewinn zu beteiligen. Falls dem Redakteur ausnahmsweise mal ein Fehler passiert, darf er diesen gern auch mal gegenüber dem Freien eingestehen und ein Ausfallhonorar anweisen. Unsolidarisch sind persönliche Beleidigungen, Unterstellungen und eine fehlende Loyalität gegenüber den eigenen freien Autoren. Solche Redakteure können von mir aus aussterben.
Karin Seibold
Redakteurin bei „Augsburger Allgemeine“, Mit-Initiatorin von „Worte sind wertvoll“
1. Die Verleger versuchen, möglichst ertragreich zu wirtschaften. Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Sie dürfen dabei nur nicht vergessen, dass das Produkt, das sie verkaufen, nur so gut ist wie ihre Mitarbeiter. Die Journalisten fair zu behandeln, sie zu motivieren, müsste deshalb eines ihrer Hauptinteressen sein. Das hat nichts mit Solidarität zu tun, das ist einfach nur logisch.
2. Journalisten und Verleger müssen wieder miteinander ins Gespräch kommen. Im Grunde haben doch alle dasselbe Ziel: Zeitungen zu machen, die viele Menschen gerne lesen. Dass dabei auch Geld verdient werden soll, ist jedem klar. Und wie jede andere Firma muss sich auch jeder Verlag überlegen, ob er ein Billigprodukt verkaufen will oder Qualität.
Thomas Friemel
Chefredakteur von „Enorm“
1. Nach Jahren war ich dieses Jahr mal wieder auf der Jahrestagung des „Netzwerk Recherche“. Schätzungsweise 500 Kollegen tummelten sich dort, auch viele junge Kollegen, Volontäre, Journalistik-Studenten. Die Panels und Workshops platzten teilweise aus den Nähten. Es war informativ, anregend und spannend – auch für ältere, erfahrene Kollegen. Also das Netzwerk muss sich wahrlich nicht neu erfinden.
2. Wir bei „Enorm“ versuchen, mit sämtlichen Stakeholdern einen respektvollen Umgang auf Augenhöhe zu pflegen. Sowohl Verlagsseite wie Redaktion haben einen intensiven Austausch über sämtliche Entwicklungen des Magazins, zudem beziehen wir in viele Entscheidungen auch unsere Dienstleister mit ein. In der Redaktion haben wir nun damit begonnen, einen Kreis freier Autoren um die Kernmannschaft zu etablieren, der über die redaktionelle Arbeit hinaus auch involviert ist in strategische und inhaltliche Fragen. Vor allem ist es mir wichtig, die Bedürfnisse und Erwartungen der freien Autoren und Fotografen besser kennenzulernen und entsprechende Lösungen in den Workflow zu integrieren.
Christoph Koch
Freier Journalist und Pauschalist bei „Neon“
1. Die Verlage leiden darunter, dass die Werbegelder inzwischen an Google, Gebrauchtwagenportale oder Blogs mit spitzer Zielgruppe gehen. Um das auszugleichen, wird an der Kostenschraube gedreht – bei Redakteuren wie bei freien Autoren. Bei Redakteuren steigt meist die Arbeitsbelastung kontinuierlich an, freie Autoren bekommen dagegen immer schlechtere Honorare oder werden genötigt, durch Buy-Out-Verträge alle Rechte an ihren Texten abzugeben. Muss man da wirklich noch begründen, „warum“ das problematisch ist?
2. Ich habe sowohl als Redakteur als auch als freier Autor gearbeitet und würde mir oft wünschen, dass jeder Kollege diese beiden Seiten kennt. Ein Redakteur, der schon mal als freier Autor Ewigkeiten auf ein Themenfeedback oder eine Honoraranweisung gewartet hat, reagiert selbst meist zügiger. Ebenso versteht ein Autor, der schon mal die Sachzwänge einer Redaktion erlebt hat, selbst besser, warum auch ein guter Text manchmal geschoben werden muss – oder dass einfach nicht unbegrenzt Seiten zur Verfügung stehen.
Erschienen in Ausgabe 10-11/2011 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 23 bis 23 Autor/en: Umfrage: Anne Haeming. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.