Am 4. Mai wollen sie wieder an einem Tisch sitzen: die Journalistengewerkschaften mit den Verlegern. Es gilt, einen neuen Tarifabschluss für 14.000 Tageszeitungsredakteure zu finden. DJV und ver.di-Ableger dju fordern vier Prozent mehr Gehalt für die Journalisten bei Tageszeitungen. Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der 262 Mitglieder vertritt, lehnt dies nicht nur ab. Er will den radikalen Bruch mit den bisherigen Vereinbarungen, um „Weichen für die Zukunft“ zu stellen. Der Flächentarif steht auf der Kippe. Die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass der Berufsstand des Redakteurs abgeschafft wird, sollten sich die Verleger durchsetzen.
Drei bisherige Verhandlungsrunden blieben erfolglos. Die vierte, anberaumt Ende Februar in Köln, scheiterte noch vor Beginn. 60 Demonstranten hatten den Boden vor dem Verhandlungsraum mit Plakaten des DJV ausgelegt, darauf der Slogan: „Guten Journalismus nicht mit Füßen treten.“ „Wir trampeln nicht auf Journalisten rum“, erklärte BDZV-Verhandlungsführer Werner Hundhausen und reiste mit seinen Verlegern unverrichteter Dinge wieder ab.
Der Neustart in die vierte Runde im Mai verspricht, zäh zu werden. „Wenn beim BDZV die Scharfmacher und Kaputtsparer nicht zu besserer Einsicht kommen, kann das leider dauern“, sagt Kajo Döhring, der für den Deutschen Journalistenverband verhandelt. Döhring und ebenso der mitverhandelnde ver.di-Bundesvorstand Matthias von Fintel finden, dass es nach Jahren der Tarifzurückhaltung und Abschlüssen, die die Inflation kaum kompensierten, an der Zeit sei, zumindest die Preissteigerung angemessen auszugleichen.
Auch der BDZV reklamiert wirtschaftliche Not seiner Mitglieder – und präsentiert einen Katalog an geplanten Einschnitten bei Redakteuren: Das im Manteltarifvertrag geregelte Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das derzeit zusammen 1,75 Monatsgehälter ausmacht, wollen die Verleger zu einem Gehalt zusammenstreichen. Das Jahresgehalt eines Redakteurs bestünde also nur noch aus 13 Monatsgehältern. Die Gehälter selbst, festgelegt im Gehaltstarifvertrag, sollen in den ersten zwei Jahren bloß um eine „moderate Einmalzahlung“ und erst im dritten Jahr prozentual in noch undefinierter Höhe angehoben werden.
Knackpunkt der Verhandlungen:
Das von Verlegerseite im Dezember vorgestellte „Tarifwerk II“, eine deutlich abgespeckte Vertragsversion, soll in erster Linie für Berufseinsteiger gelten, aber nicht nur. Der Verlegerverband will seinen Mitgliedern die Option geben, auch bereits beschäftigte Redakteure billiger zu entlohnen, um den Verlag überhaupt im Flächentarif zu halten.
Volontäre und Redakteure bekämen demnach weniger Urlaubs- und Weihnachtsgeld (höchstens ein dreizehntes Monatsgehalt), müssten mehr arbeiten (40 Wochenstunden ohne Zeiterfassung) und dürften unabhängig vom Alter 30 Tage Jahresurlaub nehmen. Die derzeit sechs Gehaltstarifgruppen würden auf vier reduziert. Die Beiträge der Verleger zur Altersversorgung sollen künftig von fünf auf 2,5 Prozent sinken. Macht summa summarum nach DJV-Rechnung am Beispiel eines 40-jährigen Redakteurs: minus 31,1 Prozent. Der BDZV rechnet anders: Man strebe, so Verhandlungsführer Hundhausen, „insgesamt für zukünftig neu begründete Arbeitsverhältnisse eine Kostenreduzierung in Höhe von 15 Prozent“ an. Hundhausen hofft, dass die Gewerkschaften erkennen, dass nur auf dem vom BDZV vorgeschlagenen Weg der Flächentarifvertrag erhalten werden kann.
Tun sie nicht. Für DJV und ver.di ist der „Billig-Tarif“ nicht verhandelbar. „Er muss weg“, sagt DJV-Hauptgeschäftsführer Döhring, weil er eine Absage an die Zukunft des Berufs insgesamt sei. ver.di-Vertreter von Fintel meint, dass „nur mit anständigen Tarifen“ auch zukünftig „richtig gute Journalistinnen und Journalisten“ bereit sein werden, zur Zeitung zu gehen. Die Gewerkschaften drohen mit Arbeitskampf, falls die Verleger nicht umschwenken. Bereits Mitte April riefen DJV und dju gemeinsam zu einer bundesweiten Aktionswoche auf. Der DJV stellt seine aktuelle Kampagne für faire Tarifverträge unter das Motto „Journalismus ist mehr wert“. ver.di kündigt an, dass sich ab 1. Mai auch Drucker und Verlagsangestellte an Protestaktionen beteiligen werden. Für beide fordert die Dienstleistungsgewerkschaft 5,5 Prozent Plus auf dem Gehaltszettel. Sollten Drucker, Redakteure und Verlagsangestellte tatsächlich gemeinsam streiken, könnte keine Zeitung erscheinen.
Verlegervertreter Hundhausen steht also unter Druck, auch aus den eigenen Reihen. Er muss befürchten, dass nicht wenige der Verleger stiften gehen in Richtung OT-Mitgliedschaft (Ohne Tarifbindung) – oder gar ganz austreten, um sich befreit vom Tarifkorsett Wettbewerbsvorteile durch Outsourcing und Leiharbeit zu verschaffen. Hundhausen muss also die Forderungen im Interesse der Verbandsmitglieder weitgehend durchsetzen. Sonst könnte sich der BDZV als Tarifpartner erledigen. Daran hätten aber nicht zuletzt auch die Gewerkschaften kein Interesse.
Medium:Online
Zum Nachlesen: Das Streitgespräch der Tarifkontrahenten aus „medium magazin“ 12-2010 unter www.mediummagazin.de/archiv/2010/ausgabe-12-2010/tarifverhandlung/.
Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 56 bis 57 Autor/en: Senta Krasser. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.