Schleichende Unsitten

Mitte April legte Sebastian Heiser auf vier taz-Seiten offen, wie leicht es für Unternehmen ist, Schleichwerbung in Zeitungen und Magazinen unterzubringen. Bei sieben von zehn Verlagen ließen sich die Anzeigenabteilungen auf einen windigen Deal ein. „Bild“, „Spiegel“ und „Handelsblatt“ dagegen lehnten rundheraus ab.

Um das herauszufinden, startete Heiser vor zwei Jahren eine verdeckte Recherche. Er legte sich einen neuen Namen zu, gründete eine Briefkastenfirma, ließ Visitenkarten drucken und legte los: Er wollte endlich herausfinden, ob Zeitungen käuflich sind. Im Namen seiner fiktiven Firma mit dem hintersinnigen Namen „coram publico“ klopfte er bei zehn Verlagen an, um für seine ebenfalls fiktiven Kunden Anzeigen zu platzieren, die als redaktionelle Beiträge getarnt sind. Das entscheidende Wörtchen „Anzeige“ sollte nirgends stehen. Von „Bild“ über „Zeit“ bis hin zu „Frankfurter Rundschau“, „Darmstädter Echo“ und „Spiegel“: Heiser nahm sich die ganze Palette großer wie kleiner, überregionaler wie lokaler Titel vor.

Ihm wurden redaktionelle Formate, sogar Serien zum Kauf angeboten, von denen Heiser im Vorfeld selbst nicht geglaubt hätte, dass sie zu kaufen wären. „Auch mir wäre das nicht als PR aufgefallen“, sagt Heiser. Etwa wenn in Verlagsbeilagen oder Sonderveröffentlichungen normale Texte der Redaktion neben bezahlten, teils von den PR-Agenturen selbst verfassten, Geschichten gedruckt werden. Beim „Neuen Deutschland“ etwa erscheinen die Texte sogar im normalen Layout des Blatts.

Die Crux.

Derlei bezahlte Texte müssen klar mit dem Wort „Anzeige“ versehen werden, das hat der Bundesgerichtshof vor vier Jahren klar entschieden, in den Landespressegesetzen steht es ebenfalls. Doch dem Presserat reicht die Formel „Sonderveröffentlichung“. „Wer also gegen das Gesetz verstößt, wird vom Presserat nicht einmal gerügt“, sagt Heiser. Das laxe Verhalten des Rats wundere ihn allerdings nicht, schließlich repräsentierten die Mitglieder größtenteils selbst Verlagshäuser. Die beim Presserat eingereichten Beschwerden sind allerdings deutlich gestiegen: Waren es 2008 noch 729, landeten 2009 1.268 und im vergangenen Jahr 1.661 beim Presserat. Öffentlich gerügt wurde jedoch nur ein Bruchteil: 2008 wurden zehn Rügen verteilt, 2009 waren es acht, 2010 insgesamt 17.

Damit die Grenzen zwischen Journalismus und Werbung künftig klarer sind, plädiert Heiser für eine strikte Trennung von Verlag und Redaktion. Und dafür, dass Redaktionen selbstbewusster dem Drängen der Anzeigenabteilung widerstehen, wenn ein großer Werbekunde mal wieder wohlwollend im Blatt auftauchen möchte. Die einzige andere Alternative, derlei verdeckte Werbung offenzulegen, sei, so Heiser, die Redaktionen offiziell durchsuchen zu lassen – „und das ist ja auch keine Lösung“. Die Regeln seien klar, sie müssten eben nur strikt angewandt werden. Bei der taz selbst schreibt man sogar bei Reisereportagen dazu, wenn sie auf Einladung eines Reiseunternehmens entstanden sind – die meisten Blätter verschweigen das.

„Keiner der betroffenen Verlage hat sich bei mir gemeldet, nachdem der Text erschienen war“, sagt Heiser. Nur die WAZ hat Stellung bezogen, intern und auch gegenüber der taz. So schrieb Manfred Braun, Verlagsgeschäftsführer NRW und für Zeitschriften der WAZ-Gruppe, in einer Rundmail an die Mitarbeiter: „Es ist nach unseren Erkenntnissen nicht auszuschließen, dass der Bericht der taz in Bezug auf unser Haus zutreffend ist. Die Kennzeichnung von bezahlten PR-Texten in unseren Sonderveröffentlichungen und Beilagen entspricht zum Teil nicht den Regeln, die der Verband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) aufgestellt hat, und ist juristisch nicht korrekt. Konsequenz: Wir werden zukünftig noch strenger auf die Einhaltung der ZAW-Richtlinien achten und die von unseren Kunden bezahlten PR-Texte klar und deutlich mit dem Wort ‚Anzeige‘ kennzeichnen.“ Auf Nachfrage von „medium magazin“ erklärte WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach: „Investigativer Journalismus ist auch dann hilfreich, wenn er einem selbst unangenehm ist. Wir sind auf ein Fehlverhalten aufmerksam gemacht worden, das korrigiert werden muss, da es unseren eigenen Ansprüchen nicht genügt. Manfred Braun hat fantastisch darauf reagiert.“

Das steht bei anderen Häusern noch aus – keineswegs nur bei Zeitungsverlagen. Die aktuelle „Brigitte Woman“ (G+J) beispielsweise schwärmt acht Seiten lang von der Nivea-Farbe: „Ein Blau geht um die Welt“ – alles in die Nivea-Farbe getaucht. Zu bewundern auch auf „Bildblog“, das vergeblich nach Kennzeichnung, – selbst nach solcher,„ hinter der man einen Euphemismus für einen bezahlten Inhalt vermuten könnte“, gesucht hat. Stattdessen fanden die „Bildblogger“ aber einen „großen Pflegecoach für schöne Haut“ auf brigitte.de – „powered by Nivea“. Kein Schelm, der Böses dabei denkt.

Link:Tipps

Der Pressekodex:

www.presserat.de

Die Dokumentation der taz-Recherche:

http://blogs.taz.de/rechercheblog

Lesetipp:

Dominik Bartoschek, Volker Wolff, „Vorsicht Schleichwerbung!“,

UVK, 164 Seiten, 17,90 Euro.

Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 24 bis 24 Autor/en: Anne Haeming, Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.