„Warum Sex auf dem Cover?“, fragt das „medium magazin“ auf dem Titel seiner vierten Ausgabe und zeigt neben einer Karikatur Hajo Friedrichs und Jürgen Frohner. In den folgenden Ausgaben zieren Männer wie Hans-Ulrich Kempski, Henri Nannen und Wolf Schneider das Titelbild und man möchte wissen, an welchen Sex Annette Milz, Sebastian Turner, Stefan Kornelius und Oliver Schrott dachten, damals, Ende der 80er Jahre. Auch Udo Lattek, Coverboy Nr. 1 1988 kann mit „Sex“ nicht gemeint sein, er ist „Deutschlands teuerster Volontär“. Überhaupt wurden in den ersten Jahren einige lustige Zeilen auf den Titel gesetzt, etwa die Story über Ulrich Wickert, die mit „Der Weg in die Tonne“ betextet wurde, oder das zweite Heft 1993, das die Frage aufwirft: „Wird ‚Focus‘ überleben? Die Wette steht 6:5.“ Die Frage hat nichts an Aktualität eingebüßt, auch wenn man die Zahlen heute drehen müsste.
Genauso wie es durchaus an der Zeit wäre, dem „medium magazin“ mal wieder Sammelkarten beizulegen, zum Thema „Stil-Training“. Ob 1995 damit der Schreib- oder Kleidungsstil gemeint war, lässt der Aufdruck offen, heute träfen beide Themen, wenn wohl auch nicht auf eine begeisterte Leserschaft, so doch auf eine breite Zielgruppe.
Lustig auch
Patricia Riekel, die 1997 den Slogan ausrief: „Wir brauchen Fakten, Fakten, Fakten!“ – womit sie wohl ihre „Bunte“ meinte, und doch selbst mit ihrer Art der Faktenbeschaffung 2010 den Journalismus in eine Krise führte. Überhaupt die Riekel. Drei Mal hat sie es mit ihrem Foto auf das Cover geschafft, keine andere der abgebildeten 21 Front-Frauen kann auf so einen Rekord schauen und nur ein Mann war häufiger vertreten: ihr Fakten-Stichwortgeber und Lebensgefährte Helmut Markwort. 148 Herrenporträts stehen 25 Frauenfotos gegenüber und wir wissen, dass die beschämende Quote von 14 Prozent Frauenanteil der Vergangenheit angehören wird, jetzt, wo im Journalismus kein Geld mehr zu verdienen ist und die Herren ganz freiwillig das Feld räumen.
Überhaupt hat das MM-Team mit seiner Titel-Personenauswahl ein gutes Gespür für Macher und Talente bewiesen. Nur bei wenigen Figuren muss man in den Tiefen des Internets wühlen, um herauszufinden, wer das denn war, der XY. Namen sollen jetzt nicht genannt werden, die Betreffenden werden es selbst wissen, wenn sie in der Bedeutungslosigkeit versunken sind. Andere konnten sich durch wiederholte Abbildung auf dem Titel ihrer Maßgeblichkeit für die Branche versichern. Hans Werner Kilz etwa, der drei Mal zu sehen ist, Kai Diekmann, Giovanni di Lorenzo oder Manfred Bissinger, den man 1990 als „Rebell mit Rüschen“ bezeichnete. Erstaunlich, dass Stefan Aust das Ende des Jahres 1996 abwarten musste, bis er auf dem Titel glänzen konnte, und es auch nur noch ein weiteres Mal daraufschaffte, knapp zehn Jahre später, als es um den „Machtkampf beim ‚Spiegel‘“ ging. Wobei man sich bei oberflächlicher Betrachtung fragt, ob die Redaktion Ende 2005 ein Bild aus der ersten Fotoserie verwendet hat, oder ob Aust schlichtweg nie altert. Dann aber entdeckt man, dass Hemd und Krawatte doch nicht dieselben sind, und ist beruhigt.
Überhaupt! Die Mode!
Über den Zusammenhang von langweiliger Kleidung und Printerzeugnissen beziehungsweise Radio- und Fernsehprogrammen soll jetzt jedoch nicht spekuliert werden, zumal es unfair wäre, die monochromen Titel zwischen 1996 bis 2005 zu Schlüssen heranzuziehen. Eines allerdings kann festgehalten werden: Journalisten sind Rundbrillenträger. 75 mal wurden Personen mit Sehhilfe fotografiert, 59 von ihnen tragen ein rundes Modell, was den männlichen Medienmachern eine Aura der Sanftheit, Klugheit und Weitsicht verpasst. Das mag vor allem bei den Kettenhunden der Branche überraschen, bei den Geldhahnzudrehern, den knallharten Rechercheuren und jenen, die auch noch aus der toten Witwe die letzten Worte rausschütteln. Vielleicht aber haben sich die Herren schlichtweg an einem anderen Mann des Wortes und der Bilder orientiert, der bei Frauen einen Wahnsinnsschlag hat: Woody Allen. Der kommt auch immer so schön trottelig daher und hat es doch faustdick hinter den Ohren. Über so einen Schlag zu verfügen, würde wohl auch kein Medienmann von seiner Wunschliste streichen wollen. Womit sich auch die Frage von Heft vier, „Warum Sex auf dem Cover?“, klärt. Sprich, warum – aus Frauensicht – so unglaublich süße, knuddelige Mover und Shaker mit Intellektuellentouch ausgewählt wurden, das Blatt zu zieren. Annette Milz hat dank ihres Scharfsinns schon früh erkannt, dass Frauen irgendwann die Medienbranche übernehmen würden. Sie hat kontinuierlich an dieser Entwicklung gearbeitet.
Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 10 bis 11 Autor/en: Silke Burmester. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.