„Heute ist ein besonderer Tag“
Ein Klassiker, der in keiner Jubiläums-Ansprache fehlen darf: der Verweis auf den „ganz besonderen Tag“. Schließlich hält der Chef ja auch eine Rede. Der explizite Hinweis auf etwas Außergewöhnliches rückversichert die Zuhörer, dass sie an einem denkwürdigen Ereignis teilhaben dürfen. Die Eingangsfloskel verbindet alle Zuhörer miteinander und eint sie. Der Redner inszeniert damit zu einem Grad nicht nur den Jubilar, sondern auch sich selbst. Er wird zu einem Zeremonienmeister. Etwas Pathos in der Stimme kann übrigens nicht schaden.
„Das Jubiläum bietet die Chance für einen offenen Blick zurück“
Zu den Ritualen einer Jubiläumsrede gehört der Blick zurück. Auf die Firmengeschichte oder die Karriere des Jubilars beispielsweise. Die Bilanz ist selbstverständlich unter dem Strich immer positiv. Ein „offener Blick zurück“ soll zart darauf verweisen, dass vielleicht nicht alles in der Historie einer Jubel-Arie würdig ist. Das Jubiläum kann als Anlass dienen, Fehler in der Vergangenheit ex post nicht zu verleugnen. Breitgetreten werden sie natürlich auch nicht. Der „Blick zurück“ kann mit einer solchen formelhaften Ankündigung als rhetorische Reinigung verstanden werden, der sich beispielsweise ein Unternehmen unterzieht. Offen bleibt, warum es dazu erst eines Jubiläums bedarf. Möglichen Kritikern, die vielleicht schmutzige Wäsche waschen wollen, lässt sich auf diesem Wege jedoch schon vorauseilend der Wind aus den Segeln nehmen.
„Wir sind ein Unternehmen, das sich immer verändert hat“
Eine Formel, die Mitarbeiter beruhigen soll, die sich durch Umstrukturierungen und Umbrüche in der Arbeitswelt bedroht fühlen könnten. Die Botschaft: Veränderung ist gut. Die Phrase vermittelt zudem, dass die Manager die Veränderung gestalten sowie Weg und Ziel kennen. Nicht der Markt, die Konkurrenz oder das Internet macht etwas mit uns, wir machen. Eine andere äußerst beliebte Phrase, die hier gut passt, lautet: „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern.“ Manager können sich mit solchen Bekenntnissen zum ständigen Wandel auch als Macher positionieren, die nichts mehr fürchten als den Stillstand. Damit nachher keiner behaupten kann, man hätte die Hände in den Schoß gelegt.
„Für die kommenden Jahre sind wir bestens gerüstet“
Auch diese Formulierung gilt der Beruhigung verunsicherter Mitarbeiter. Nach dem Blick in die Vergangenheit folgt der noch viel wichtigere Blick in die Zukunft. Was schert mich das 19. Jahrhundert, wenn ich vielleicht morgen schon keinen Job mehr habe, mag sich der eine oder andere Angestellte sagen. Recht so. Darum ist man als Manager auch gut beraten, immer „bestens gerüstet“ zu sein. Gerüstet gegen die Widrigkeiten der volatilen Wirtschaft, abgesichert mit einem dicken Panzer. Zu viel versprechen darf der gute Redner indes nicht, sonst wird‘s unglaubwürdig. Also müssen die „kommenden Jahre“ als Zeithorizont genügen.
„Wechselspiel von Kontinuität und Wandel“
Geben und Nehmen, Licht und Schatten, mal gewinnt man, mal verliert man, Yin und Yang, Ebbe und Flut: der Spruch vom „Wechselspiel von Kontinuität und Wandel“ ist abgegriffen, regt aber möglicherweise bei sensiblen Zuhörern quasi-philosophische Gedankenspiele an. Die Botschaft hier: Auch wenn alles um euch herum im Umbruch ist, ihr behaltet eure Identität. Ihr bleibt, wer ihr seid. Wir sorgen dafür.
„Diese Verantwortung nehmen wir gerne an“
Unternehmen und ihre Leitwölfe übernehmen dauernd für irgendetwas die Verantwortung. Dafür werden sie schließlich bezahlt. An den Managern liegt es, eine Firma so zu führen, dass sie Gewinne abwirft und das auf Dauer. Insofern ist es beinahe banal, auch noch extra zu betonen, dass diese Verantwortung auch tatsächlich angenommen wird. Und das sogar „gerne“. Tatsache ist aber auch, dass die Rede von der Verantwortung rein muss ins Redemanuskript für ein ordentliches Jubiläum. Denn nichts ist wirklich selbstverständlich. Der Redner sorgt dafür, dass seine zukünftigen Verdienste um das Wohl der Mitarbeiter auch nicht vergessen werden, wenn der Zahltag kommt. Wer Verantwortung übernimmt und das auch kundtut, bleibt.
Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 89 bis 89. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.