Profitable Systeme

„Redaktionelle Qualität“, predigt Ken Fouhy, Chefredakteur der Fachzeitschrift „MaschinenMarkt“ als Garant für die Zukunft seiner Branche. „Überproportionale Investitionen in redaktionelle Kompetenz“, lautet auch das Erfolgsrezept von Alfons Schräder, Geschäftsführer des Heise-Verlages, Branchenprimus mit monatlich 28,3 Millionen Visits in einem einzigen OnlinePortal (unter anderem Computerzeitschrift „c‘t“). Und auch beim Westfälischen Landwirtschaftsverlag in Münster („Landlust“) ist sich Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Bonny, zugleich Sprecher der Deutschen Fachpresse, sicher, „dass die Fachverlage noch mehr als früher die Bedeutung einer qualifizierten Redaktion erkannt haben“. Gute Aussichten also bei den insgesamt rund 3.800 Fachtiteln in Deutschland mit ihren 515 Millionen Auflage (2009)?

Wenn es um den Anzeigenmarkt geht, keinesfalls. Denn der hatte im vergangenen Jahr harte Einbrüche zu verzeichnen, wie überall in der Medienbranche: Minus siebzehn Prozent, um rund 200 Millionen Euro, knickten die Anzeigenumsätze ein, das war die Aussage beim Kongress der Deutschen Fachpresse in Wiesbaden Mitte Mai. Zwischen vornehmer Holztäfelung und unter goldbelegter Stuckdecke des Kurhauses feierten die Verleger der etwa 400 Fachverlage die Gewinner des Jahres 2009 (siehe links), debattierten über „Wege in die Zukunft“ und „Chancen der Digitalisierung“. Und tatsächlich herrschte so was wie Aufbruchstimmung: Denn das Engagement vieler Fachverlage im Online-Bereich zeigt messbaren Erfolg. Das führt dazu, dass der Anzeigen-Einbruch 2009 die Verlage durchgängig viel geringer belastet als die Publikumszeitschriften und im Gesamtergebnis nur vier Prozent Minus im Krisenjahr 2009 verzeichnet werden mussten. „Denn die Anzeigen sind ja nur ein Teil unserer Gesamterlöse“, erklärt das Karl-Heinz Bonny. Im Publikumsbereich gebe es Verlage, deren „Idee eines Geschäftsmodells den Fokus nicht unbedingt auf den Bedarf der Zielgruppe lege“. Die Folge: eine starke Abhängigkeit von Werbeerlösen. Viele Fachverlage könnten dahingegen mit ihrer gezielten Marktkenntnis auf recht stabile Vertriebserlöse durch Abonnenten und die stark gewachsenen Umsätze mit elektronischen Medien setzen. Als Sprecher der Fachverleger benannte Bonny in Wiesbaden klar die Stimmung in seiner Branche: Nur noch ein Drittel befürchtet, dass es weiter bergab gehen könnte. Der Rest setzt mindestens auf Stagnation oder immerhin zu einem Drittel sogar auf Verbesserung. „Fachmedien haben höchste Akzeptanz“, betont Bonny. Zielgruppennähe und -kenntnis der Fachverlage weiter auszunutzen, sei der Weg zum Erfolg. Damit lasse sich die fortschreitende Digitalisierung des Marktes auch als Herausforderung und nicht als Bedrohung werten. Dort wo die vielen Kleinverlage neben den Großen der Branche nicht Innovationstreiber sein könnten, bewegten sie sich aber im Schwarm der Fachpresse, das habe durchaus Perspektiven.

Wie diese aussehen können, zeigten folgende drei Beispiele:

01. Vogel-Verlag

„Maschinen-Markt“, die Fachzeitschrift mit „aktuellen Informationen aus dem gesamten produzierenden Gewerbe“ aus dem Würzburger Vogel-Verlag erscheint mit einer Wochenauflage von 44.000 Exemplaren. Hinter den jährlich 3.500 redaktionellen Seiten in 90 verschiedenen Ausgaben steht ein Team von 15 Redakteuren. Um das mit dem Online-Auftritt zu stemmen, nebenher auch die zwölf Newsletter pro Woche abzuarbeiten, hat die Redaktion ein Newsdesk eingeführt. Das habe die Doppelbearbeitung eliminiert und die Schnelligkeit erhöht, schildert Chefredakteur Ken Fouhy.

Events, Branchentreffen, Vorträge, all das bietet der „MaschinenMarkt“ an. Ziel: „Den Journalisten als Marke aufzubauen“, ihn „in seiner Glaubwürdigkeit zur Leitfigur auszubauen“. Und alle Kanäle für die Kommunikation zu nutzen. „Print verliert vielleicht an Bedeutung, Print ist aber lange noch nicht tot“, sagt Fouhy. Es werde heute nur sinnvoll flankiert. Um das zu bewältigen, baue er auf die Fachkompetenz seiner Redakteure. Die garantiere die Kenntnis der Lesermärkte und sichere die Akzeptanz der Zeitschrift. Daneben setze er auf intensive Schulung seiner Mannschaft, um sie für die neuen Techniken zu begeistern und zu befähigen. „Dinge wie Webclips haben mit traditionellem Fachjournalismus wenig zu tun, aber sie dienen dazu, die Marke zu kreieren.“

02. Landwirtschaftsverlag

Dass Print lebt, weiß auch der Chef des Landwirtschaftsverlags in Münster, Karl-Heinz Bonny („Wochenblatt“, „top agrar“, „profi“). Sein jüngstes Kind, das Zweimonatsmagazin „Landlust“, ist mit aktuellen knapp 690.000 Exemplaren der Shootingstar der Branche. Das habe das Gesamt-Ergebnis 2009 des Münsteraner Verlages positiv überdeckt, gibt Bonny nicht ungern zu. „Landlust“ sei das Ergebnis von langen Diskussionen im Hause, der Erfolg keine Zauberei, das Magazin nicht über Nacht geboren, sagt der gebürtige Rheinländer. Mit seiner Aussage: „Es war uns klar, dass wir mit der eigenen Kernkompetenz in den ländlichen Raum wachsen können“, benennt er einen zentralen Faktor: Fachlichkeit, die Märkte kennen, mit den Akteuren einer Branche in Kontakt sein. Gepaart mit Initiative und Innovationsfreudigkeit seien das die Erfolgsfaktoren. Aber es lasse sich eben nicht nach Rezeptbuch arbeiten. In Münster wird noch ohne Großraumbüro, ohne Newsdesk, oder ohne zentrale Mehrfachverwertung, wie bei anderen Verlagen, gearbeitet. Der Verlag garantierte seiner Redaktion breite Rahmenbedingungen und große Handlungsfreiheit. „Ich will die Redakteure nicht kontrollieren, sie sollen ihren Job machen, und zwar erstklassig“, beschreibt der Verlagschef die Regeln, die für alle 24 Printobjekte und wachsende Online-Angebote im Hause des Landwirtschaftsverlages gelten.

Gute Online-Ergebnisse erreicht der Verlag beispielsweise durch Einstellgebühren wie bei der Gebrauchtbörse www.traktor-pool.de. Das Portal ist zugleich mit einer Fahrzeug-Bewertungsliste verbunden. Ihre Ergebnisse sowie aus bereits veröffentlichten Tests und Praxisberichten gewonnene Fakten können künftig gegen Gebühren heruntergeladen werden. Zur Zeit werden alle Online-Angebote seines Hauses über ein modernes Content-Management-System (CMS) vernetzt. „Wenn diese über Micro-Payment bezahlten Nutzungen und Zweitverwertungen unserer Texte, Fahrberichte oder des Bewertungstools zu den Einstellgebühren dazukommen, wird das ein sprudelndes Web“, so Bonny.

03. Heise. Wie sich ein starkes Online-Engagement verlegerisch auszahlt, zeigt das hannoversche Verlagshaus Heise. „‚heise online‘ ist ein profitables System“, sagt Geschäftsführer Alfons Schräder. 28,3 Millionen Visits im Monat bei 249.000 Nutzern pro Tag verzeichnet das Portal aktuell. Über eine Datenbank sind White Paper kostenpflichtig zu beziehen, Specials werden über Online verkauft. Die Einnahmen stammten derzeit noch zu 67 Prozent aus Display, also Werbung, zu 13 Prozent aus Vertriebserlösen und zu zehn Prozent aus Einstellgebühren (Jobbörsen), so Schräder. Heise will auch in das Geschäft mit dem iPad einsteigen. Diese Nutzung soll es im Abo aber nur in der Kombination mit dem Printtitel geben, dabei ist an einen Mehrpreis von zehn bis 15 Prozent gedacht.

Denn, so beschreibt Schräder die generelle Linie seines Hauses: „Ohne Print geht das nicht.“ Bei allem Engagement dürften die Inhalte nicht vernachlässigt werden. Was bedeute: das Leserinteresse zählt. Print und Online seien bei Heise fest verzahnt, schon über den selben Chefredakteur. Onliner schreiben also für Print und umgekehrt, alle Formate tauschen sich aus. Das geht sogar soweit, dass Online-Inhalte als gedruckte Sonderausgabe zusammengefasst werden, um anschließend wieder über Online verkauft zu werden.

Bei allem stehe aber „das journalistische Bauchgefühl vor der
Webanalyse“, begründet Schräder diesen Erfolg. Chefredakteure sind bei Heise mit großer Mitsprache ausgestattet. Wenn Anzeigenkunden Sonderwünsche haben, eine Banderole um den Titel wünschen, werden erst die Chefredakteure gefragt. Lehnen sie ab, wird das Geschäft ausgeschlagen. Bislang nicht zum Nachteil des Verlages. Hintergrund ist dabei eine Eigenart der Fachverlage. Bei ihnen müssten die Mitarbeiter erst einmal die Kompetenz für die Zielgruppe haben. Also über ein „erstklassiges Fachstudium verfügen“, wie Branchensprecher Bonny sagt. Erst darauf komme dann die journalistische Ausbildung. Und genau das garantiere die Zukunftsfähigkeit der Branche.

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 34 bis 35. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.