Vielleicht haben sie es ja noch gar nicht bemerkt, aber ein ganzer Berufsstand, der der Fotografen, steht vor dem Aus. Das befürchtet zumindest der schwedische Energiekonzern Vattenfall, denn er begründet die Auslobung eines Vattenfall-Fotopreises so: Dem klassisch-dokumentarischen Fotojournalismus wurde durch die Digitalisierung und die Umstrukturierung des Zeitschriftenmarktes im letzten Jahrzehnt immer weniger Präsentationsfläche gegeben, und weiter: So ist es jungen Fotografen heute kaum noch möglich, ihre eigenen Geschichten visuell umzusetzen und diese auch zu veröffentlichen. Von welcher Umstruktierung des Zeitschriftenmarktes da die Rede ist, bleibt zwar genauso unklar wie der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und dem Wegfall von Präsentationsfläche, aber eins ist klar: Vattenfall rettet nun den deutschen Bildjournalismus.
Das Thema, zu dem die Fotografen aufgerufen werden, heißt übrigens Wärme. Davon kann der Konzern in der Tat eine Menge gebrauchen, schlägt ihm doch in den vergangenen Monaten zunehmend kalte Verachtung entgegen: Kein Wunder. Vattenfall steht hierzulande für Störfälle in Uralt-AKWS wie Krümmel und Brunsbüttel und anschließender Vernebelungstaktik. In seinem Heimatland ist das Ansehen des Atomkonzernes gar so im Keller, dass unlängst der CEO ausgetauscht wurde.
Ein neues Image muss also her und man kann dem Konzern kaum einen Vorwurf machen, dass er sich zur Abwechslung mal keine Politiker für seine Lobbyarbeit sucht, sondern Fotografen, die ja unser Bild von der Welt mitprägen.
Diejenigen aber, die bei dieser durchsichtigen PR-Kampagne helfend zur Seite stehen, darf man schon mal fragen, was sie dazu treibt. Robert Lebeck etwa, der in der Jury sitzt und dessen Karriere ja als ehemaliger Geo-Chefredakteur und Fotograf durchaus durch die Publikationsmöglichkeiten bei diversen Zeitschriften befeuert wurde. Oder die Berliner C/O-Galerie, die die Preisträger ausstellen wird und die sich immer gern dafür feiern lässt, gesellschaftlich relevante Bilder zu zeigen. Derzeit z.B. eine beachtenswerte Ausstellung der Fotoagentur Ostkreuz, zusammen mit einem anspruchsvollen Intro von Marcus Jauer. Demnächst kann man hier also all die Fotos bewundern, die Gnade vor Lebeck und den Mitarbeitern von Vattenfall finden. Zum Thema Wärme werden das garantiert keine Fotos von geschmolzenen Stahlträgern oder Strahlenopfern aus Tschernobyl sein.
Auch sonst gelingt es der Atomlobby ganz gut, ihre Anliegen in der deutschen Medienlandschaft zu platzieren. So durfte ausgerechnet in Naumanns Cicero neulich der ehemalige Spiegel-Redakteur Jürgen Hogrefe erklären, dass die Ängste einer Bevölkerungsmehrheit vor einem GAU sachlich unbegründet seien. Dass die Attentäter des 11. September 2001 ursprünglich in ein Atomkraftwerk nahe New York fliegen wollten, blieb da genauso unerwähnt wie die Untersuchungen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, wonach jedes zweite deutsche AKW bei einem Angriff bersten würde. Hogrefe war nach seiner Zeit beim Spiegel übrigens als Lobbyist beim Stromkonzern EnBW tätig. Er soll den energiepolitischen Diskurs für das Unternehmen organisieren so beschrieb Ex-EnBW-Chef Utz Claassen seine Rolle. Nichts anderes hat er ja nun bei Cicero gemacht.
Viel Freude haben die Atomkonzerne auch seit jeher am Handelsblatt. Kurz vor der Wahl in NRW ließ das Blatt einen Wirtschaftsanwalt erklären, warum die Atomkraft quasi vor einer Renaissance stehe. Und obwohl zu diesem Zeitpunkt längst bekannt war, dass unter der Kohl-Regierung die Gutachten für Gorleben gefingert wurden erfuhren die Handelsblatt-Leser, dass fachlich nichts gegen den Endlagerstandort im Wendland spräche. Unter dem neuen Chefredakteur Gabor Stein-gart scheint sich nun allerdings der Wind etwas gedreht zu haben. Jedenfalls berichtete das Handelsblatt Mitte Mai, wie sich die AKW-Befürworter beim Ansinnen, den Bundesrat auszuhebeln, selbst widersprächen. Ganz neue Töne.
Ein beliebtes Mittel, das Meinungsklima zu beeinflussen, sind natürlich Umfragen. Kürzlich verbreitete das Atomforum eine Pressemitteilung, dass die Mehrheit der Deutschen auf den Beitrag der Kernenergie zu einer versorgungssicheren, klimaverträglichen und wirtschaftlichen Stromversorgung solange nicht verzichten möchte, bis ausreichend geeignete Alternativen zur Verfügung stehen. Da wurde mächtig Rabulistik betrieben, denn in der Emnid-Umfrage, auf die sich das Atomforum u. a. bezog, hatte sich eine knappe Mehrheit generell gegen Atom ausgesprochen. Positiv für die Atomstromer fiel allerdings eine andere Antwort aus. Auf die Frage, Wären sie für eine weitere Nutzung der Kernenergie, wenn die Frage der sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle geklärt wäre, sagten 60 Prozent Ja. Aber das ist ungefähr so, als würde man fragen, ob die Menschen für den Ausstoß von CO2 wären, wenn sich die Erde dadurch nicht erwärmen würde.
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Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 81 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.