Endlose Zerstörung

Am 27. Dezember 2008 rückten israelische Truppen mit dem offiziellen Ziel in den Gazastreifen ein, militante Palästinenser daran zu hindern, den Süden Israels mit Raketen zu beschießen. Bei den dreiwöchigen Angriffen der IDF (Israel Defence Forces), starben rund 1.400 Palästinenser, neben Regierungs- und Polizeigebäuden wurde auch zivile Infrastruktur wie Moscheen, Krankenhäuser, Schulen, UN-Gebäude und Wohnhäuser bombardiert. Nach den Angriffen dokumentierte Meiko Herrmann als einer der ersten westlichen Berichterstatter die Zerstörung im Gazastreifen.

Für die entstandene Serie „landscapes of destruction“ wurde der 33-jährige Fotograf von der Jury des World Press Photo Award in der Kategorie „General News Stories“ mit dem dritten Preis ausgezeichnet.

Meiko Herrmann beschäftigt sich schon seit langem mit dem Schicksal staatenloser Völker und versuchte deshalb, nach Ausbruch des Konflikts, sobald wie möglich in den Gazastreifen zu gelangen. Als er am 22. Januar endlich über Rafah, einer Stadt an der ägyptischen Grenze, ankam, bot sich dem Fotografen ein Bild der Zerstörung, das er in Schwarz-weiß-Panoramen festhielt.

„Durch die Panoramen lässt Meiko Herrmann das verwüstete Gebiet noch viel unwirklicher erscheinen. Wann wird hier jemals wieder etwas gedeihen? Wie und wovon sollen sich die Bewohner hier ernähren? Jedes nur brauchbare Blechstück oder jeder Stein wird zum Herstellen einer Behausung verwendet. Die Trümmer stehen wie warnende Denkmäler in dieser Kraterlandschaft“, kommentiert Jurymitglied und „Stern“-Fotochef Volker Lensch.

„Die Menschen waren traumatisiert von der Gewalt und schienen das Ausmaß der Katastrophe noch nicht zu begreifen“, berichtet Meiko Herrmann. Er war dabei, als sie in ihre zerstörten Stadtteile zurückkehrten. Weil sie keinen anderen Ort hatten und ihren verschütteten Besitz schützen wollten, bauten sie sich Unterstände auf den Ruinen ihrer Häuser.

Mit manchen sei er schnell ins Gespräch gekommen. Sie hätten erzählt, wie sie aus ihren Häusern geflohen waren und wen sie bei den Angriffen verloren hatten. „Es war nicht leicht, die Menschen in dieser Not zu fotografieren, denn ich betrat ja nicht irgendwelche Ruinen, sondern ihr zu Hause“, erinnert sich Meiko Herrmann. Sie hätten sich vor allem fotografieren lassen, um der Welt zu zeigen, was im Gazastreifen passiert war. Dass sich etwas durch seine Bilder verändert, sei nach all den Jahren der fotografischen Kriegsberichterstattung schwer zu glauben, aber ohne jeglichen Idealismus könne man nicht in Krisengebieten arbeiten, so Meiko Herrmann.

Als er nach zwei Wochen nach Deutschland zurückkehrte und seine Bilder verkaufen wollte, war der Krieg beendet, das Thema damit für die meisten Medien gelaufen. Seine Serie fand keine Abnehmer. Deshalb, sagt er, freue ihn die Auszeichnung beim wichtigsten internationalen Foto-Wettbewerb besonders: So würden das Leid der Menschen und das Ausmaß der Zerstörung, das er dokumentiert hat, doch noch öffentlich und er könne wenigstens etwas helfen.

Info: Der World Press Photo Award ist der wichtigste Preis für Presse-Fotografie. Beim 53. Wettbewerb haben sich 5.847 Fotografen mit 101.960 Fotos aus 128 Nationen beworben. 63 Fotografen aus 23 Nationen wurden im Februar in zehn Kategorien ausgezeichnet.

Aus Deutschland gewannen neben Meiko Herrmann die Fotografen Michael Wolf (Daily Life Singles, Platz 1) und Peter Bialobrzeski (Nature Stories, Platz 2).

Thomas Strothjohann ist Mitglied der „medium magazin“-Redaktion in Frankfurt. Kontakt: redaktion@mediummagazin.de

Linktipps:

Mehr Gewinnerfotos mit Kommentaren der Fotografen und von Jurymitglied Volker Lensch finden Sie unter www.mediummagazin.de/aktuelles/worldpressphoto

Erschienen in Ausgabe 03/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 6 bis 7 Autor/en: Thomas Strothjohann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.