„Wer als Journalist beliebt sein will, hat den Beruf verfehlt“

Kai Diekmann, geboren am 27. Juni 1964 in Ravensburg, wuchs in Bielefeld auf, volontierte nach Abitur (1983) und Wehrdienst beim Axel Springer Verlag (ab 1985) und wurde 1987 Parlamentskorrespondent für „Bild“ und „Bild am Sonntag“ in Bonn. 1989 ging er als Chefreporter zur „Bunte“ (Chefredakteur Franz-Josef Wagner), 1991 holte ihn „BZ“-Chefredakteur Claus Larass als Stellvertreter zurück zu Springer. 1992 folgte er Larass (mittlerweile „Bild“-Chef) nach Hamburg, als stellvertretender „Bild“-Chefredakteur und Ressortleiter Politik. 1997 kam es zu Auseinandersetzungen mit dem damaligen Vorstandschef Jürgen Richter, in deren Folge Diekmann bis September 1998 als Autor für den Verlag arbeitete. Im Oktober 1998 übernahm er den Chefposten der „Welt am Sonntag“. Im Januar 2001 wurde er Chefredakteur von „Bild“ und Herausgeber von „Bild“ und „Bild am Sonntag“, 2007 Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe und Geschäftsführer von bild.de. Vom 2001 bis 2009 (jeweils III. Quartal ivw) hat Bild rund 27 Prozent an verkaufter Auflage verloren auf heute 3,3 Millionen Expl. (zu III/08 -1,08%), die Reichweite beträgt 11,63 Millionen Leser (MA 2009). Seit dem 26.10. führt er den auf 100 Tage befristeten Blog www.kaidiekmann.de, mit scharfer satirischer Klinge als „das einzig wahre ‚Bild‘-Blog“.

Warum sind Sie Journalist geworden?

Schülerzeitung „Passepartout“, „Westfalenblatt“ Bielefeld, Bundeswehr aktuell, „BILD-Zeitung“ Kettwig – ich hatte keine Chance …

Ihre Vorbilder im Journalismus?

Bei Claus Larass habe ich mein journalistisches Handwerk gelernt.

Wann ist ein Journalist ein guter Journalist?

Wenn er sich quält. Er muss sich immer wieder bemühen, nach den Sternen zu greifen. Neun Mal klappt es nicht – beim zehnten Mal ist es die große Story.

Wie wird sich der Journalistenberuf verändern?

Er wird anspruchsvoller. Weil uns neue Techniken immer neue Möglichkeiten geben. Und weil wir überprüfbarer werden. Aber im Kern bleibt er gleich: Es geht darum, gute Geschichten gut zu erzählen.

Stört Sie das schlechte Image von Journalisten?

Wenn das Image der Medien so schlecht ist: Warum bewerben sich jedes Jahr Tausende von tollen jungen Leuten bei den Journalistenschulen? Im Übrigen: Wer als Journalist beliebt sein will, hat den Beruf verfehlt.

Können Sie ein Buch über die „Ethik im Journalismus“ empfehlen?

Helmut Kohl, Erinnerungen 1990 – 1994, hier das Kapitel 40 „Bad Kleinen“.

Wie wichtig ist Klatsch?

Als wir uns noch alle auf dem großen Affenbaum tummelten, beschäftigten wir uns bereits mit den Fragen: Wer steigt auf dem Affenbaum auf, wer steigt ab, welche Äste sind brüchig und an welchem Ast wird gerade gesägt? Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Wie und wo lernt man Journalismus am besten?

Im kalten Wasser.

Haben es Frauen im Journalismus schwerer?

Hier, wie überall: Nein, sie haben es leichter.

Ihre persönlichen Stärken und Schwächen?

Motivieren. Überfordern.

Ihre Lieblings-Internetadressen?

www.kaidiekmann.de.

Welches Buch lesen Sie gerade?

Die fünfte Auflage von „Frag mich, Schatz, ich weiß es besser.

Ihr liebstes Hobby?

Häuser umbauen, privat und beruflich.

Was war ihr bisher größter Erfolg?

Chefredakteur der einzigen ausverkauften „taz“-Ausgabe gewesen zu sein.

Ihr größter Flop?

Dass ich damals nicht auch den Vertrieb übernommen habe.

Welche Medienprojekte aus jüngerer Zeit sind für Sie besonders zukunftsträchtig?

Besonders zukunftsträchtig war und ist jedes Jahr erneut der Einfluss der Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Ihre Lieblingszeitung?

Mein(e) „Bild“-App.

Ihre Lieblingssendung?

Presseschau im Deutschlandfunk.

Ohne was kommt ein Journalist nicht aus?

Schlagstock und Bolzenschneider – also die Erkenntnis, dass auch absurde Fehler manchmal durchrutschen.

Was sollte Ihnen einmal nachgesagt werden?

Möglichst viel.

Erschienen in Ausgabe 01+02/2010 in der Rubrik „Rubriken & Kolumnen“ auf Seite 66 bis 66. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.