Herr Frey, der Honeymoon für Sie als neuen ZDF-Chefredakteur ist nun vorbei. Haben Sie denn in den ersten 100 Tagen Ihr gestecktes Ziel erreicht?
Peter Frey: Das waren sogar drei Ziele. Ich wollte die Köpfe reduzieren, die fürs Informationsfernsehen im ZDF stehen. Dafür haben wir unter Theo Koll unsere Hauptredaktionen „Innenpolitik“ und „Außenpolitik“ zusammengelegt. Bettina Schausten spielt zudem als Chefin des ZDF-Hauptstadtbüros zum Beispiel mit der Moderation der Wahlsendungen eine größere Rolle im Programm als ihr Vorgänger. Und weil Theo Koll zusätzlich zu seinen Aufgaben im „auslandsjournal“ jetzt auch das „Politbarometer“ moderiert, ist klar, wer im ZDF für Politik steht.
Das zweite Ziel war die Weiterentwicklung unseres Nachrichtenstudios. Das lässt sich natürlich nicht in 100 Tagen umsetzen. Ich bin aber zuversichtlich, dass schon bald auf dem Schirm zu sehen ist, wohin es gehen wird, Ende Juli bereits in der „heute“-Sendung, im Laufe des Jahres dann im „heute-journal“.
Zum Dritten bringen wir die Welt von Online und Fernsehen noch näher zusammen. Unsere Hauptredaktionen „Neue Medien“ und „Aktuelles“ werden dafür stärker miteinander verschränkt als früher. Da laufen bereits sehr konkrete Absprachen der beiden Abteilungen.
Nun jährt sich die Einweihung Ihrer „grünen Hölle“, das neue, viel kritisierte Nachrichtenstudio, in dem Moderatoren teils auf Postkartengröße geschrumpft werden. Was soll sich ändern?
In der Tat: Man konnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass der Tisch wichtiger ist als die Moderatoren. Gewünscht war, dass die „Moderatoreninsel“ das Erkennungszeichen unserer Nachrichtenfamilie sein soll. Es dauert aber bisher einfach zu lange, bis wir beim Kopf sind, der die Sendung präsentiert. Deshalb entsteht eine gewisse Distanz beim Zuschauer, wenn er unsere Sendungen einschaltet. Das wollen wir ändern. Wir werden jetzt zu einer anderen Bildfolge beim Opening der „heute“-Sendung kommen, die Bilder des Tages in das Intro integrieren und schneller bei den Moderatoren sein.
Zu ihrem ersten Ziel, den programmprägenden Köpfen mehr Raum zu geben: Führt das nicht zu Kollisionen – so wie kürzlich als Marietta Slomka im „heute-journal“ ihre eigene nachfolgende Afrika-Doku bewarb?
Hat Sie das gestört?
Das war zumindest seltsam.
Ich finde es gut, wenn ein Moderator seine Weisheit nicht nur aus der Lektüre von Zeitungen und Agenturmeldungen zieht, sondern durch ganz reale Reporter-Erfahrungen in der wirklichen Welt. Das kann seiner Glaubwürdigkeit nur dienen.
Theo Koll haben Sie neben dem Auslands- auch das Inlandsressort unterstellt. Planen Sie jetzt mit Super-Redaktionen?
Diese Zusammenlegung war jedenfalls ein wichtiger erster Schritt. Der lag auf der Hand, als Bettina Schausten nach sieben Jahren die Leitung der Hauptredaktion „Innenpolitik“ abgab. Da ergab sich eine Chance, nicht nur die Köpfe zu konzentrieren, sondern in den Redaktionsbereichen Dokumentationen, Sondersendungen und Europa Kräfte zusammenzuführen.
Die nächste Gelegenheit steht ja bald an, wenn Ekkehardt Gahntz, der Leiter „Wirtschaft und Recht“, im August in den Ruhestand geht. Wird Kolls Reich weiter wachsen?
Nicht in diese Richtung. Wirtschafts- und Finanzpolitik sind eine ganz eigene Disziplin, die spezielle Fachkenntnisse voraussetzt. Aber ich habe zu meinem Antritt gesagt, dass alle Sendungen auf dem Prüfstand stehen, und damit auch ihre redaktionelle Organisation. Und ich merke an den Reaktionen auf die Zusammenlegung von Innen- und Außenpolitik, dass vor allem junge Kollegen sehr froh darüber sind, dass sich mit einer solchen Zusammenlegung auch neue Arbeitsmöglichkeiten ergeben. Davor braucht man keine Angst zu haben. Und übrigens: Mit der neuen zusammengefassten Hauptredaktion gewinnt das Thema Politik im ZDF an Gewicht.
Wird da der Flaschenhals für neue Ideen nicht immer enger?
Manche Arbeitsaufteilung, die wir bisher praktiziert haben, war nicht besonders sinnvoll: Über US-Präsident Obamas Arbeit in Amerika berichtete die Hauptredaktion Außenpolitik. Traf er die Kanzlerin in Dresden, war die Hauptredaktion Innenpolitik dran. Dass die Kollegen jetzt zusammenarbeiten, sehe ich als Vorteil. Und nochmals zum Nachwuchs: Der hat bei uns bessere Möglichkeiten denn je. Wir haben 35-jährige VJs, die schon auf fast allen Kontinenten unterwegs waren. Solche Chancen müssen Sie in anderen Sendern erst einmal finden!
Wie soll sich das im Programm äußern?
Immerhin haben wir jetzt auch die Möglichkeit, beispielsweise das Thema Europa nicht nur außen- sondern auch innenpolitisch anzugehen. Ein Thema, das mich sehr umtreibt. Wir brauchen Sendeplätze, um Themen wie beispielsweise dem Streit Merkel-Sarkozy zur Wirtschaftsregierung besser auf den Grund gehen zu können. Bloß in den Polit-Formaten wie „Berlin direkt“ oder „Länderspiegel“ gelingt das nicht, das zeigt die Erfahrung.
Wie groß ist Ihr Spielraum, dafür auch neue Formate zu schaffen?
Der Chefredakteur ist aufgerufen, das ZDF-Hauptprogramm zu prägen. Darüber hinaus hat er den Infokanal und Online. Aber ich glaube, dass wir auch über neue Dinge nachdenken müssen und beim Gespräch über eine Reform des Programmschemas nicht nur Kästchen hin und her schieben sollten.
Die politische Berichterstattung des ZDF steht ja nach der „Causa Brender“ unter besonderer Beobachtung. Welche Leitlinie wollen Sie ihr geben?
Da kann ich leider nicht mit Originalität dienen, sondern nur sagen, dass ich mich in der Tradition meiner Vorgänger, von Reinhard Appel über Klaus Bresser bis Nikolaus Brender, sehe: Unsere Glaubwürdigkeit entsteht in erster Linie aus unserer Unabhängigkeit. Und die müssen wir in unserem Programm umsetzen. Das bedeutet: Erst einmal muss man berichten, was ist. Zweitens erklären, warum das passiert ist. Und drittens mutig, klar und originell kommentieren. Auch das gehört zur 100-Tage-Bilanz: Wir machen mehr Kommentare und sind deutlicher geworden.
Wie oft wurden Sie denn bisher aus dem Verwaltungs- und Fernsehrat angerufen?
In den ersten 100 Tagen haben mich genau zwei Anrufe erreicht und die hatten jeweils einen Punkt. Damit kann ich leben.
Die Ruhe vor dem Sturm?
Ich sehe das nicht so. Die Signale, die man aussendet, werden auch draußen gehört. Die Gremien haben die Funktion, unser Programm im Auftrag der Gesellschaft kritisch zu spiegeln. Wenn es da Anmerkungen geben sollte, müssen wir uns dem stellen. Ich folge aber auch in dieser Sache dem Vorbild Brenders: Ich werde mich nicht fest einem der Freundeskreise zuordnen. Der Chefredakteur soll hier unabhängig bleiben und sich nicht verorten lassen.
Die ARD bringt ab Herbst 2011 sogar fünf Mal die Woche Talk-Formate und holt sich für den Sonntagabend Günther Jauch an Bord. Ist Talk für Sie überhaupt noch ein Thema – oder ein Format von gestern?
Ich könnte mir denken, dass das, was da in der ARD von montags bis donnerstags geplant wird, zu einem Stück Kannibalisierung führt. Es werden doch sehr gleichartige Kollegen auf ein gleichartiges Talkpersonal zugehen. Ich bin gespannt, ob die sich einigen können, wer zu Beckmann geht und wer zu Plasberg, Will und Maischberger, oder ob’s ein Hauen und Stechen gibt. In meiner Verantwortung haben wir nur eine Talkshow, nämlich die von Maybrit Illner. „Die ist gut für drei“, hat „Spiegel online“ ausgerechnet zum 60. Geburtstag der ARD geschrieben. Der Meinung bin ich auch!
Wird es ein Problem, wenn Anne Will gegen Maybrit Illner gesetzt wird?
Wir scheuen keine Konkurrenz. Die Gleichförmigkeit könnte für die ARD zum Problem werden. Ich finde, dass wir im ZDF verschiedenartiger aufgestellt sind – und damit interessanter. Und bei uns gibt es auch neue Ideen. Nehmen Sie, was unsere Kollegen vom Infokanal bei den letzten Wahlen ge
macht haben: Im crossmedialen Format „Erst fragen, dann wählen“ haben sie ein wirklich interessantes Experiment gewagt, in dem sich die Sendung über eine lange Zeitschiene von 90 Minuten mit einer Person auseinandergesetzt hat – Fragen und Einwürfe von jungen Leuten aus dem Web und Studio inklusive. Das fand ich witzig, teils unverhofft. Genau diese Farbe könnte ich mir auch im Hauptprogramm vorstellen.
Im Gegensatz zu ZDFneo nährt sich der Infokanal aber im Wesentlichen von Wiederholungen. Warum aktivieren Sie den Sender nicht weiter?
Das hängt vom Geld ab, das uns zur Verfügung steht. Deshalb werden nicht alle Blütenträume wahr. Bisher hat die Chefredaktion ihre Kräfte vor allem in den Online-Bereich gesteckt. Aber auch der Infokanal braucht sein eigenes Gesicht und seine eigene Identität. Beides hat er bisher nicht gefunden. Mir schwebt vor, dass der Infokanal Online- und Fernsehwelt intensiv verknüpft, künftig also ein Fernsehkanal wird, der vieles von dem abbildet, was sich bei uns online tut. Und der so oft wie möglich den Dialog zwischen Fernsehen und den Usern ermöglicht. Wir denken auch darüber nach, aus den Zuschauer-Rankings „Am besten bewertet“ und „Am meisten gesehen“ unserer Mediathek automatische Playlists für den Infokanal zu generieren, also ein ständiges Best-of unserer Informationssendungen.
Wie schnell wollen Sie das schaffen?
Wir werden im August zu einer Programmklausur zusammenkommen. Dann müssen wir die nötigen Entscheidungen treffen und umsetzen. Ich hoffe, dass erste Fortschritte Anfang des nächsten Jahres zu sehen sein werden. Ob wir aber für den Ausbau des ZDF-Infokanals so viel Geld in die Hand nehmen können, wie wir das für ZDFneo gemacht haben, kann ich nicht versprechen.
Nun sparen Sie im Hauptprogramm ja Geld ein, mit dem Verzicht auf Boxen …
… was etwa 20 Millionen Euro entspricht. Aber ganz ehrlich: Im Zusammenhang mit Sportrechten vom Sparen zu reden, geht nicht auf.
Sehen Sie dafür andere Bereiche, die sich anbieten?
Nein. Wir sind sehr ambitioniert vorgegangen und haben uns breit aufgestellt: Als Ein-Kanal-Angebot funktioniert das ZDF nicht mehr. Deshalb war es richtig, sich auch digital aufzustellen. Dafür ist nach mehreren Sparprogrammen im Haus jetzt der Speck weg. Wir müssen deshalb Strukturen schaffen, die zwischen den verschiedenen Plattformen Synergien herstellen. Wenn uns das nicht gelingt, wird’s schwer!
Das ZDF will ja mit den Spartensendern wie ZDFneo vor allem junge Zuschauer locken. Behindert das nicht eine Verjüngung des ZDF-Hauptprogramms, das schon als „Kukident-Sender“ gilt, sogar bei der werbetreibenden Wirtschaft?
Wenn man von der Verjüngung des ZDF spricht, wird man ganz bescheiden. Wobei das uns ebenso geht wie den Kollegen von der ARD, den Qualitätszeitungen, Parteien, Vereinen und Kirchen. Wir sind da Teil eines großen gesellschaftlichen Trends, einer Entkopplung der jüngeren Generation von den etablierten Organisationen unserer Gesellschaft. Allerdings sehen wir auch, dass wir zum Beispiel nach großen Sportstrecken mit Dokumentationen oder anderen qualitativ hochwertigen Programmen junge Zuschauer halten können.
Ihr Rezept?
Verjüngung kann nur funktionieren, wenn wir uns auf die Lebenswirklichkeit der jüngeren Leute im Programm zubewegen. Formal wie inhaltlich: Die Themen, die diese Generation beschäftigen, müssen bei uns vorkommen. Aber wir müssen auch ein Missverständnis klären: Wenn wir von der jüngeren Generation sprechen, dann meine ich die Generation der Vierzigjährigen. Also die Mitte der Gesellschaft, die Fernsehgebühren zahlen. Wenn wir die halten und neue dazugewinnen, bin ich ja schon zufrieden.
Was muss sich dazu ändern?
Fragen von Partnerschaft, des fairen Ausgleichs der Geschlechter, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch neue Familienmodelle spielen in unserem Programm eine zu geringe Rolle, wenn man mal von der Reihe „37 Grad“ absieht. Im menschlichen Bereich – auch wenn ich an die Beziehung zwischen alten Eltern und ihren mittelalten Kindern denke – spielen sich heute Dramen ab, Stichworte: Pflege, Vereinsamung, Verantwortung füreinander. Da steckt eine Menge Stoff für journalistische Annäherung. Und viele Mitarbeiter im ZDF sind selbst erst zwischen 30 und 45, also jünger als ich. Sie müssen dafür kämpfen, dass die Themen, die sie am Küchentisch oder mit Freunden diskutieren, auch stärker bei uns im Programm vorkommen.
Planen Sie auch neue Formate? Womöglich nach dem Vorbild von „WISO“, das in der „Mitte der Gesellschaft“ ja auch Erfolg hat?
Ja, „Wiso“ ist ein sehr erfolgversprechendes Beispiel. Aber wie in vielen anderen Sendungen sind die Protagonisten, ob Moderatoren oder Ratgeber, häufig älter. Ein entschiedener Schritt würde an dieser Stelle vielleicht helfen. Ich bin übrigens überzeugt, dass auch ältere Leute, das Stammpublikum des ZDF, gerne sehen, wie die Generation ihrer Enkelinnen und Enkel lebt.
Zwei ZDF-Stücke, die hochgelobt wurden, kamen von Ihrem „Frontal 21“-Chef Claus Richter und vom ehemaligen „Spiegel“-Chef Stefan Aust – eine Doku über den Krieg in Afghanistan und die Reihe „Wettlauf um die Welt“. Wollen Sie diese Art einer „Public-Private-Partnership“ fortführen?
Ja. Wir haben mit Aust auch zusammengearbeitet, als er noch bei Spiegel TV war. Mit denen machen wir übrigens sehr gute Erfahrungen. Auch die Slomka-Serie war eine Produktion von Spiegel TV.
Stefan Aust ist jetzt aber an N24 beteiligt. Ein Problem?
Wir haben in Kooperation mit Stefan Aust und „Frontal 21“ schon mehrere preisgekrönte Filme realisiert. „Der Fall Deutschland“ hat den deutschen Fernsehpreis gewonnen, „Wettlauf um die Welt“ hat mehrere renommierte Auszeichnungen erhalten. Wenn interessante Angebote auf meinen Tisch kommen, sehe ich keinen Grund dafür, ihm jetzt den Stuhl vor die Tür zu stellen. Insofern würde ich die Zusammenarbeit gerne fortsetzen. Ich glaube außerdem, dass ihm bewusst sein wird, dass das ZDF als Abspielplattform für seine Hervorbringungen am Ende erfolgversprechender sein dürfte als ein Spartenkanal. Gleichwohl muss man feststellen: Der Film „Sterben für Afghanistan“ war von hoher Qualität und entsprechend sehr aufwändig. Er hatte es aber auf einem sehr guten Sendeplatz gegen die starke Konkurrenz auch sehr schwer. Das gehört zu den ernüchternden Erkenntnissen, die auch in eine Diskussion um ein neues Programmschema mit einfließen müssen.
Werden Sie die Dokumentationen von Sendeplätzen nach Mitternacht befreien?
Na ja, das ZDF muss erfolgreich bleiben. Das heißt auch, Erfolg bei den Marktanteilen, zu dem auch die Chefredaktion einen Beitrag leisten muss. Aber trotzdem: Eine 30- oder gar 45-minütige Dokumentation nach Mitternacht ist nicht der Platz, den ich mir dafür vorstelle. Da fallen einem unterschiedliche Möglichkeiten ein. Die „ZDF.reportage“ beispielsweise läuft sonntags um 18.30 Uhr ganz gut. Es hat sich aber als Illusion herausgestellt, um 20.15 Uhr mit investigativen Dokus hohe Marktanteile zu erzielen. Das schafft man nur mit royalen oder ganz zugespitzten historischen Stoffen.
Sie haben ihre Ambitionen in Sachen Online betont. Wie fit sind Sie da selbst?
Ich habe jedenfalls seit einer Weile ein Smartphone (auf dem Tisch liegt ein HTC), allerdings nur ein „iPhone für Arme“ (lacht). Aber ich sehe durchaus mit einiger Irritation, wie da eine Art von Abhängigkeit entsteht. Ich lese jetzt ständig E-Mails und bin pausenlos auf Webseiten unterwegs, bin insofern ein echter Kunde für das mobile Internet. Bei sozialen Netzwerken bin ich aber noch zurückhaltend. Ich weiß momentan nicht, woher ich dafür noch die Zeit aufbringen soll.
Haben Sie schon mal getwittert, nutzen Sie Facebook?
Nein – und zwar bewusst. Ein Leben an der öffentlichen Pinnwand reizt mich persönlich nicht, ich möchte mir ein Stück Privatheit bewahren. Auch wenn mir neulich ein Kollege sagte, die Link-Tipps seiner Freunde auf Facebook seien ihm inzwischen wichtiger als die tägliche Zeitungslektüre. Ich sehe gleichzeitig aber auch, dass Facebook für uns unglaublich wichtig ist: Der „heute“-Sendung folgen gut 50.000 User – als Zuschauer und Kommentatoren unserer Nachrichten und TV-Tipps. Das ist ein ganz wichtiger Gradmesser dafür, was bei den Leuten ankommt. Um das besser zu integrieren, habe ich auch unsere Konferenz umgebaut: Nach der Themenvorstellung für die „heute“-Nachrichten im TV stellen jetzt die Onliner ihre Themen vor und sagen auch, welches Thema beim Facebook-Auftritt von heute.de auf besondere Resonanz stößt. Also, ich werde mir das im Urlaub von meiner Tochter zeigen lassen – und wer weiß, vielleicht bin ich bei unserem nächsten Gespräch auch bei Facebook „drin“.
Verändert diese Entwicklung die Berufsbilder?
Sicher. Wir entwickeln gerade eine Plattform, mit der unsere Redakteure sehr einfach Webseiten anlegen können. Das werden wir voraussichtlich im Herbst einführen. Dann werden die Fachredakteure, die bisher nur TV-Beiträge erstellt haben, ihr Wissen auch im Netz umsetzen können. Wenn wir uns angesichts knapper Mittel nach der Decke strecken müssen, dann heißt das für mich auch: geteilte Verantwortung. Warum sollte zum Beispiel der Schlussredakteur der 12-Uhr-„heute“ nicht auch bis 12 Uhr für die Bespielung von heute.de zuständig sein?
Wie halten Sie es eigentlich mit freien Mitarbeitern, wie es die meisten Moderatoren sind, und Nebentätigkeiten?
Da müssen wir uns mit dem konkreten Fall befassen. Aber das Thema Nebentätigkeiten beschäftigt die Chefredaktion schon seit einigen Jahren. Ich habe mir vorgenommen, mit meinen Kollegen in einer der nächsten Sitzungen über entsprechende Richtlinien zu sprechen. Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, dass Kollegen Nebentätigkeiten ausüben, solange sie keinen werblichen Charakter haben und die journalistische Glaubwürdigkeit nicht gefährden. Ich finde, es gibt eine pragmatische Überlegung: Wenn nicht ein ZDF-Gesicht vorträgt oder moderiert, kommt ein Kollege der ARD oder von RTL. Damit kann auch ein Stück öffentliche Bindung an das ZDF verloren gehen. Aber natürlich kommt es sehr auf den einzelnen Fall an: Was ist das für eine Veranstaltung und wie hoch ist das Honorar? Gibt es regelmäßige Verpflichtungen vom gleichen Auftraggeber? In welchem Verhältnis steht es zum Einkommen, das man vom ZDF erhält? Wir haben schon jetzt ausgeklügelte Richtlinien, die Transparenz schaffen. Aber wir müssen, vielleicht in einer Art Selbstverpflichtung, uns die Kriterien noch klarer machen.
Als Johannes B. Kerner, damals noch in ZDF-Diensten, für AirBerlin warb, hat Ihr Vorgänger laut auf den Tisch gehauen. Jetzt gibt es wiederum in Ihrem Bereich mit Katrin-Müller Hohenstein ein ZDF-Gesicht, das für die Molkerei Weihenstephan wirbt. Ist das kein Problem?
Sie haben Recht: Ihr Internet-Auftritt auf den Seiten von Weihenstephan ist nicht glücklich und kann so nicht bleiben. Er entspricht nicht den Vorstellungen des ZDF von Auftritten seiner journalistischen Köpfe. Diese Einschätzung habe ich Frau Müller-Hohenstein mitgeteilt. Sie ist mit den Verantwortlichen im Gespräch. Ich gehe davon aus, dass dieser Internet-Auftritt schon bald Geschichte ist.
Woran soll man Sie eigentlich messen, wenn Intendant und Verwaltungsrat in vier Jahren über eine Verlängerung Ihres Vertrages diskutieren?
Dass die Zuschauer Spaß am ZDF haben und wir für sie eine erstklassige Informationsquelle bleiben. Dass sie das Gefühl haben, da sind Journalisten am Werk, die ihr Handwerk verstehen und die sich nicht verbiegen. Und dass unsere Zuschauer spüren: Da ist ein Sender auf der Höhe der Zeit unterwegs.
Verknüpfen Sie das mit irgendwelchen Kenngrößen wie Marktanteilen oder dem Durchschnittsalter des ZDF-Zuschauers?
Nein. Da habe ich was vom Kanzler Schröder gelernt. Der wurde sieben Jahre an einer Arbeitslosenzahl gemessen, die ihm in einem Interview rausgerutscht war. So konkrete Versprechungen meidet man also besser. Aber zu einem stehe ich: Wir müssen Erfolg und Qualität auch in Zukunft zusammenbringen.
Daniel Bouhs ist Mitglied der „medium magazin“-Redaktion und freier Journalist in Berlin.
Annette Milz ist Chefredakteurin von „medium magazin“.