Fern der Hauptstadt lässt der Kreml kritischen Journalisten durchaus freie Hand wenn sie es sich finanziell leisten können. Aber: Davon gibt es einfach zu wenige, heißt es in der Studie Helden und Handlanger, die Reporter ohne Grenzen im September veröffentlichte. Die meisten regionalen Zeitungen wie auch Radio- und Fernsehsender gehören ganz oder teilweise Gouverneuren und Bürgermeistern, die die Berichterstattung kontrollieren.
Doch auch Redaktionen in der Hand der Opposition arbeiten kaum freier: Ein Medium, so die verbreitete Einstellung, sei dazu da, um Einfluss auszuüben. Auftragsjournalist ist in Russland eine gängige Berufsbezeichnung und Image-Reklame in fast jeder Zeitung zu finden: bezahlte Artikel, die der Leser nicht als solche erkennt. Das Problem ist nicht der Mangel an Pressefreiheit, sondern die Korruption der Kollegen, klagen Journalistenverbände.
In einzelnen Regionen des riesigen Landes ist die Situation dabei durchaus unterschiedlich: So werden Journalisten in Sotschi seit der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2014 besonders streng kontrolliert. Über Proteste von Bürgern oder Korruption bei der Vergabe lukrativer Bauaufträge schreibt allenfalls die ausländische Presse. In der Uralstadt Perm hingegen, bekannt für ihre lebendige Zivilgesellschaft, ist auch die Berichterstattung vergleichsweise liberal und breit gefächert.
Nur etwa 70 russische Regionalzeitungen arbeiten der Studie zufolge unabhängig. Seit 2004 haben sich etwa 50 Verleger zur Allianz der unabhängigen Verlage (ANRI) zusammengeschlossen, die Weiterbildungen und Rechtsbeistand anbietet. Die globale Wirtschaftskrise gibt unabhängigen Journalisten in den russischen Regionen nun paradoxerweise Grund zur Hoffnung: Denn während die meisten von ihnen stets zu Niedriglöhnen arbeiteten und vor allem von ihrem Idealismus lebten, treffen staatliche Budgetkürzungen die Redaktionen kremltreuer Medien besonders schwer. Ulrike Gruska
Tipp: Helden und Handlanger: Die Arbeit von Journalisten und Medien in den russischen Regionen, ROG2009, www.reporter-ohne-grenzen.de, http://bit.ly/2Qdvqr
Erschienen in Ausgabe 10+11/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 11. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.