Der Moment kommt, früher oder später. Zeig doch mal deinen Führerschein, sagt der Kollege aus der Grafik zum Redaktionsleiter. Woraufhin Männer mit Seitenscheitel sich charmante Beleidigungen anhören müssen: So ein Wilder warst du also und interessante Frisur, hören die Damen, die ihre Zeit als Dauerwellenstar gerne aus ihrer Frisurbiografie ausradieren würden. Unser prominentes FotoOpfer Nr. 4 (nach Peter Kloeppel, PeterMatthias Gaede und Martin Sonneborn) ist der Mann, der seit vier Monaten an der Spitze des Wirtschaftsmagazins Impulse bei Gruner und Jahr steht und mit dem JuliTitel für einiges Aufsehen sorgte: Nikolaus Förster (40). Ihr Jammerlappen textete er auf den Titel und ließ seine Redakteure dann im Heftinneren beschreiben, wie es Unternehmen auch ohne staatliche Hilfe durch die Krise schaffen. Ein wenig Polarisierung kann nicht schaden, findet Förster.
Das Foto stammt aus dem Jahr 1989. Ich war damals für zwei Jahre in London, arbeitete als Zivi in einem Bildungshaus mit Jugendlichen aus dem East End, die ins noble Hampstead gesandt wurden, um den Kopf frei zu kriegen. Ich gab den Sozialarbeiter. Als die Mauer fiel, stieg ich ins Flugzeug, verbrachte ein paar Tage in Good old Germany und kehrte auf die Insel zurück. Was ich damals werden wollte? Unklar. Bildungsreferent vielleicht, Dramaturg oder Feuilletonist. Etwas Gutes sollte es sein, etwas Schönes, etwas mit Sprache. Dass ich einmal Wirtschaftsjournalist werden sollte, gar lernen würde, einen Krawattenknoten zu binden undenkbar. Und doch passierte es, zehn Jahre später, als ich nach dem Germanistikstudium (Die Wiederkehr des Erzählens) in Bonn Fellow an der Universität Cambridge wurde. Jede Woche gab es in den ehrwürdigen Hallen bei Kerzenschein ein Formal Dinner und keine Ausnahmen bei der Kleiderordnung. Immerhin: Der Bart ist geblieben. Und die Lust an der Sprache. Auch Wirtschaft lässt sich erzählen.
Erschienen in Ausgabe 07+08/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 10. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.