Der mediale Krieg

Interviewtermin beim Bürgermeister von Cuidad Juárez: Vorzimmer und Flure vor dem Arbeitszimmer von José Reyes gleichen einer großen Redaktionsstube: Ein Team von CNN hat sogar die eigenen Leibwächter mitgebracht, brasilianische Reporter machen nach dem Gespräch noch ein Foto mit dem Bürgermeister. Japaner und Australier waren auch schon da, und als ich noch nicht aus der Tür des Arbeitszimmers des Bürgermeisters bin, klingelt sein Mobiltelefon. ABC aus New York: „Hi, how are you“, flötet Reyes im besten Englisch ins Handy.

Internationale Medien geben sich seit März in der mexikanischen Grenzstadt die Klinke in die Hand, alarmiert von Berichten über Dutzende Tote täglich im Krieg der mexikanischen Drogenmafias. Reporter und Redakteure, losgeschickt, um Reportagen in die Heimat zu senden, die Juárez als die tödlichste der Welt zeichnen.

Doch als die Teams in Juárez eintreffen, ist der echte Krieg längst Geschichte und wird nur noch von den Medien am Leben gehalten. Seit das Militär die Stadt besetzt hat, herrscht in Juárez Friedhofsruhe. Aber große Tageszeitungen und Fernsehsender berichten noch immer so, als gäbe es täglich mehrere Dutzend Schießereien in der Grenzstadt. So entstehen Nachrichtenaufsager vor der Gerichtsmedizin und Zeitungsreportagen aus Nachtclubs, wo zuletzt vor Wochen ein Mensch erschossen wurde.

Die Armadas von Reportern und Kamerateams können offensichtlich nicht nach Hause berichten, dass alles nicht einmal mehr halb so schlimm ist, weil die Heimatredaktionen was anderes erwarten.

Internet: www.juarez-mexico.com/

Erschienen in Ausgabe 06/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 48 bis 48 Autor/en: Klaus Ehringfeld, Mexiko-Stadt. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.