Wege zum Bestseller

Es war einer dieser Jobs mit Elf- oder Zwölf-Stunden-Tagen in der Redaktion, an Freizeit war nicht zu denken. Markus Albers, bis Dezember 2007 leitender Redakteur bei „Vanity Fair“, grübelte immer häufiger über Arbeitsbedingungen nach und über die Technologien, mit denen man sie revolutionieren könnte. Als freier Journalist hatte er schon einige Artikel zu dem Thema verfasst. Schließlich kam ihm der Gedanke: Vielleicht steckt da ja sogar ein Buch drin? Albers sprach mit Kollegen, die bereits Erfahrung mit dem Schreiben von Sachbüchern hatten. Sie rieten ihm, ein Exposé zu schreiben und es Literatur-Agenturen anzubieten. Albers recherchierte, erstellte eine Gliederung sowie eine Ideenskizze. Ein Kollege reichte das Exposé an die Agentur Eggers & Landwehr weiter – und die Berliner griffen prompt zu. Im vergangenen August ist Albers‘ Buch „Morgen komm ich später rein“ erschienen, ein Plädoyer für mehr Freiheit im Job. „Es war leichter, als ich dachte“, wundert sich Albers noch heute.

1. Exposè. Tatsächlich scheitern andere Autoren schon im Ansatz, wenn sie ein Buch bei einer Agentur oder einem Verlag anbieten. Dabei stehen die Chancen, mit einer guten Sachbuchidee verlegt zu werden, gar nicht so schlecht, jedenfalls deutlich besser als in der Belletristik. „Umso mehr wundern wir uns, wie schlecht vorbereitet die Vorschläge oft sind“, berichtet Klaus Reinhardt, Lektor beim Hans Huber Verlag in Bern, in seinem Ratgeber „Vom Wissen zum Buch“. Voraussetzung dafür, dass ein Agent oder ein Verlag sich überhaupt mit einer Buchidee befassen, ist ein gutes Exposé (siehe Checkliste unter www.mediummagazin.de, magazin+). Autorin Claudia Cornelsen, die vorwiegend als Ghostwriterin arbeitet und einen eigenen Hörbuchverlag leitet, weiß, worauf es den Abnehmern ankommt: „Das Zusammenspiel von Thema, Autor und Zielgruppe muss stimmig sein.“

Vorausschauend sein ist alles. Die Produktion eines Sachbuches von der Idee bis zur Auslieferung dauert etwa zwölf bis fünfzehn Monate. Der Autor darf also nicht tagesaktuell denken, sondern sollte mindestens ein Jahr weiter sein: Was sind große Themen, die Bestand haben? Welche Ereignisse oder Jahrestage stehen an? „Wer jetzt mit der Finanzkrise kommt, erntet bei den Verlagen nur noch ein Gähnen, denn er ist definitiv zu spät dran“, sagt Heike Wilhelmi, auf Sachbücher spezialisierte Agentin in Hamburg. Eine Buchidee sollte zudem möglichst originell sein – ein schwieriges Unterfangen, denn: „Es ist bereits über alles geschrieben worden“, so Cornelsen. Daher gehe es vor allem darum, eine neue Aufbereitung zu finden: Also nicht den hundertsten Paris-Reiseführer anbieten, sondern lieber ein Nischenthema suchen, etwa „Paris mit Hund“ oder „Goethe in Paris“.

2. Marktanalyse. Ist das Thema gefunden, folgt eine genaue Wettbewerbsanalyse, welche anderen Titel es in diesem Bereich gibt und welche Verlage sich für ein solches Buch interessieren könnten: „In guten Buchhandlungen oder im Verzeichnis lieferbarer Bücher sollte sich der Autor einen Überblick darüber verschaffen, welcher Verlag schon verwandte Bücher zu seinem Thema gemacht hat, die ihm gefallen“, rät Cornelsen. Auch ein Klick zu Amazon ist empfehlenswert, um sich über den Verkaufsrang der konkurrierenden Bücher zu informieren und so den Marktwert der eigenen Idee einzuschätzen.

Spätestens jetzt geht es an die Definition der Zielgruppe: Im Exposé wird der Autor darüber genaue Auskunft geben müssen, möglichst untermauert mit statistischem Material. Cornelsen: „Wenn es nicht mindestens 100.000 potenzielle Leser für mein Buch gibt, lohnt es sich kaum, denn letzten Endes kauft höchstens jeder zehnte.“

3. Das eigene Profil. Besonders wichtig für Journalisten ist, dass das Thema des Buches zum eigenen Profil passt. Nur wer mit seiner Vita belegen kann, dass er genau der richtige Autor für den Titel ist, wird bei Agenturen und Verlagen angehört werden. „Die Kompetenz der Autoren wird immer wichtiger“, weiß Wilhelmi. „Heute werden Bücher stark über den Verfasser beworben. Daher haben in der Regel nur die Leute eine Chance, die ein ganz klares Profil als Journalisten haben.“ Thematisch breiter aufgestellte Schreiber haben es schwer: „Die Verlage sind extrem wählerisch geworden“, weiß Wilhelmi.

Aber auch diese Hürde ist überwindbar: zum Beispiel, indem man sich als branchenfremder Autor mit einem renommierten Experten für ein Buchprojekt zusammentut. So verfasste der Journalist Harald Willenbrock (u. a. „brandeins“) gemeinsam mit der Sommelière Paula Bosch ein Buch über „Weingenuss“. Die Wirtschaftsjournalistin Barbara Bierach, die mit dem provozierenden Titel „Das dämliche Geschlecht“ 2002 einen vielbeachteten Erfolg landete, arbeitete für ein weiteres Buchprojekt mit dem Personalberater Heiner Thorborg zusammen, um zu ergründen, warum es in deutschen Führungsetagen nach wie vor an Frauen mangelt – „Oben ohne“ heißt das gemeinsame Werk.

4. Verkauf & Honorare. Stimmt das Dreieck aus Thema, Zielgruppe und Autor, zeigen mit etwas Glück gleich mehrere Verlage Interesse an dem Buch. So konnte die Agentur von Markus Albers einige Lektoren für sein Exposé begeistern und es kam zu einer Auktion: „Gegen Ende des Prozesses bekam ich im Minutentakt per SMS Zwischenstände, auf welcher Höhe die Gebote gerade sind. Das war schon spannend“, erinnert sich Albers. Der Vorschuss fiel dann so großzügig aus, dass sich der Journalist vier Monate ausschließlich auf das Buch konzentrieren konnte. Steigern mehrere Verlage um ein Buch, fällt das Garantiehonorar in der Regel fünfstellig aus.

„Im Sachbuchbereich ist ein Vorschuss von 15-20.000 Euro guter Durchschnitt“, sagt Wilhelmi. Doch bei Weitem nicht jeder Autor kann für seine Buchidee einen so hohen Vorschuss aushandeln. Vor allem bei Ratgeberthemen liegen die Honorare eher im unteren vierstelligen Bereich.

In der Regel verbessern Autoren ihre Chancen auf einen guten Deal, wenn sie sich nicht direkt an einen Verlag wenden, sondern den Umweg über eine Agentur gehen. „manager-magazin“-Redakteur Christian Rickens, der mit seinem Buch „Die neuen Spießer“ die Bestsellerlisten erreichte, ist überzeugt davon, „dass meine Agentin auf jeden Fall mehr Geld für mich rausgeholt hat als sie mich letztlich gekostet hat.“ Literaturagenten erhalten eine Provision von 15 bis 20 Prozent der Einnahmen aus dem Buch. Dafür helfen sie dem Autor bei der Erstellung von Exposé und Probekapiteln, suchen einen Verlag und handeln die Konditionen aus – für die meisten Schreiber eine sinnvolle Unterstützung. „Die Vergütungsvereinbarungen bei Büchern sind ziemlich kompliziert“, musste Rickens feststellen, „ich habe meinen Vertrag bis heute nicht in jedem Detail durchschaut.“ Ein Autor erhält neben dem Vorschuss einen prozentualen Anteil an den Einnahmen aus dem Buchverkauf. Meistens werden die Prozente mit zunehmender Auflage gesteigert. Nicht selten sehen die Autoren jedoch gar nichts von diesen Anteilen, denn diese werden auf den Vorschuss angerechnet.

Wer keinen Agenten zwischenschaltet, sondern direkt den Lektor oder Programmleiter eines Verlages anspricht – was bei manchen Verlagen durchaus gern gesehen ist –, sollte bei den Vertragsverhandlungen auf der Hut sein: Zur Trickkiste einiger Verlage gehört mitunter das Angebot, den Vorschuss niedrig zu halten und dafür mehr Geld in die Vermarktung des Buches zu investieren. Doch dieser Deal ist fast nie zum Vorteil des Autors. „Nur wenn ein Verlag dem Autor ein hohes Garantiehonorar zahlt, wird er sich auch Mühe geben, das Buch unter die Leute zu bringen“, so die Erfahrung von Claudia Cornelsen.

Buchverlage übernehmen zudem keinerlei Recherchespesen. Wer Reisen unternehmen muss, zahlt die anfallenden Kosten aus eigener Kasse. Markus Albers empfiehlt Journalisten daher, ihr Buch entweder aus bereits vorhandenem Recherchematerial zusammenz
ustellen (etwa aus einer Kolumne), oder es durch Artikel zu dem Buchthema quer zu finanzieren.

5. Vermarktung. Auch nach der Veröffentlichung kommt es darauf an, wie Journalisten ihr Werk für sich zu nutzen verstehen. Heike Wilhelmi betreut eine Reihe von Autoren, die ihre Buchrecherchen im Anschluss noch für Artikel sowie Radio- und Fernsehbeiträge verwerten konnten. „Wer Synergieeffekte schafft, für den sind Sachbücher eine spannende Möglichkeit, Geld zu verdienen“, erklärt die Agentin. Durch die vielfältige Verwertung steigert der Autor zudem seinen Expertenstatus.

So sieht Markus Albers seine Publikation auch als Marketinginstrument für sich selbst: „Es wird für Journalisten immer wichtiger, an der eigenen Marke zu arbeiten. Bücher können – zusammen mit der dazugehörigen Internetpräsenz – ein Werkzeug sein, die Wahrnehmung meiner Person in der Öffentlichkeit zu steuern.“ Pünktlich zur Veröffentlichung seines Buches erstellte Albers eine Website, führt seitdem einen Blog ( www.markusalbers.com) und hält interessierte Nutzer per Twitter (http://twitter.com/albersmark) auf dem neuesten Stand.

Barbara Bierach konnte übrigens auch noch auf andere Weise von ihrem ersten Buch profitieren: „Achtzehn Monate lang habe ich Lesungen, Talkshows und Workshops bestritten und bin heute wesentlich besser darin, öffentlich aufzutreten.“ Ein Nebeneffekt, der sich auch außerhalb von Buchdeckeln auszahlt.

Service:

Was sollte ein Exposè enthalten? Eine Checkliste mit den wichtigsten do´s und dont´s ist abrufbar unter: www.mediummagazin.de, Rubrik +

Erschienen in Ausgabe 04+05/2009 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 60 bis 61 Autor/en: Ulrike Schäfer. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.