Indonesien
Allah für Christen
Christina Schott,
Jakarta
„Allah" nennen in Indonesien und Malaysia nicht nur Muslime ihren Gott, sondern auch Christen benutzen das Wort beim Beten: Wie viele arabische Begriffe gehört es zum Alltagswortschatz der malayischen (sic!) Sprachen. Nach Ansicht des Innenministeriums von Malaysia ist der Begriff „Allah" jedoch ausschließlich für Muslime reserviert. Weil ihn die katholische Wochenzeitung „The Herald" dennoch in ihrer malaysischen Ausgabe verwendete, entzog ihr das Ministerium Ende 2008 die Lizenz, weiterhin in der Landessprache zu veröffentlichen. Es könne Muslime verwirren, wenn „Allah" in nicht-islamischen Kontexten genannt werde, so die Begründung. Nachdem Erzbischof Murphy Pakiam von Kuala Lumpur, zugleich Herausgeber des Blattes, schriftlich um eine Lizenzerneuerung gebeten hatte, hob das Ministerium den Bann auf – unter der Bedingung, dass die Zeitung das Wort „Allah" nicht mehr benutze. „Die Regierung sagt Nein zur nationalen Sprache" titelte darauf hin „The Herald" und nennt das Verbot einen klaren Verstoß gegen die Verfassung. „Das ist, also ob uns jemand verbietet, unseren Vater, Daddy‘ zu nennen", zitiert eine katholische Website eine Leserin. Der malaysische Strafgerichtshof wird in den nächsten Wochen entscheiden, ob ein neues Notstandsgesetz zur Anwendung kommt: Danach dürften die katholischen Zeitungen des Landes das Wort „Allah" weiterverwenden, wenn sie auf ihrer Titelseite den Vermerk „Für Christen" drucken.
Internet: http://www.herald.com.my
Tschechien
Geheim bleibt geheim
Kilian Kirchgeßner, Prag
Es ist ein Verhältnis von besonderer Hassliebe, das in Tschechien zwischen Politikern und Medienleuten herrscht: Man braucht einander, aber man traut sich partout nicht über den Weg. Legendär sind die Aufnahmen, wo Staatschefs vor laufender Kamera ihren Interviewer mit einer Kaskade übelster Beschimpfungen zusammenstauchen oder sogar gleich zuschlagen. Jetzt nehmen die Politiker aus allen Lagern die Pressefreiheit gleich per Gesetz in die Mangel (eine der letzten Amtshandlungen der konservativen Regierung, die im März bei einem Misstrauensvotum gestürzt wurde). Das stößt auf heftige Kritik der tschechischen Journalisten. Stein des Anstoßes ist eine Strafrechts-Novelle, nach der die Protokolle von abgehörten Telefongesprächen nicht mehr veröffentlicht werden dürfen. Besonders brisant ist das deshalb, weil gerade diese Protokolle ein wichtiges Instrument des investigativen Journalismus waren: In der Vergangenheit wurden Redaktionen aus Polizeikreisen immer wieder Bänder zugespielt, die Korruptionsaffären, Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft belegten – Bänder, die bei den Ermittlungsbehörden offenbar stillschweigend verschwinden sollten. Besonders pikant: Der federführende Innenminister Ivan Langer stand einst selbst im Mittelpunkt der Ermittlungen, dank der Abhörprotokolle konnte ihm eine Verbindung zur Unterwelt nachgewiesen werden.
„Das Gesetz macht uns das Leben schwer, es ist einfach unzivilisiert", schimpft Martin Komarek, der Kommentarchef von „Mlada Fronta Dnes", der größten Zeitung des Landes. Die Wurzel des Übels liegt seiner Meinung nach im fehlenden Vertrauen zwischen Medien und Politik: Viele Spitzenpolitiker in Prag hätten keine Ahnung, wie der Journalismus funktioniere – und gerade deshalb reagierten sie nervös und angespannt. Das neue Gesetz nimmt er so spitzbübisch auf, dass es an den braven Soldaten Schwejk erinnert: „Wir dürfen die Protokolle zwar nicht mehr wortwörtlich veröffentlichen. Aber dass wir sie genau studieren und mit ihnen arbeiten, das hat uns ja niemand verboten."
Internet: www.syndikat-novinaru.cz
Philippinen
Daumenschrauben für Journalisten
Hilja Müller, Manila
Journalist sein auf den Philippinen ist kein Traumjob. Kleines Gehalt, großes Risiko. Denn in dem südostasiatischen Land sind lokale Reporter so etwas wie Freiwild. Dafür haben die Gesetzesgeber aus Eigennutz gesorgt. Will ein mächtiger Politiker oder reicher Geschäftsmann einen unliebsamen Journalisten in die Schranken weisen, reicht er eine Verleumdungsklage ein. Schon kommt die Polizei und verhaftet den Beschuldigten. Denn Verleumdungsklagen fallen nicht unter das Zivil-, sondern das Strafrecht. Besonders gerne benutzte First Gentleman Jose Miguel Arroyo, der ständig im Zusammenhang mit Bestechungsskandalen genannt wird, dieses einschüchternde Mittel. Bis es namhaften Journalisten zu bunt wurde und sie im Dezember 2006 eine Sammelklage gegen Präsidentin Arroyos Ehemann einreichten. Seither hält der sich ein wenig zurück. Nun gehen Medienorganisationen gegen ein geplantes Gesetz auf die Barrikaden, das die Daumenschrauben weiter anziehen würde. Die sogenannte "Right to Reply Bill" räumt jedem, der sich in einer Berichterstattung zu Unrecht etwa der Korruption bezichtigt sieht, das Recht ein, einen Beitrag ohne redaktionelle Bearbeitung, an selber Stelle und in selber Länge ins Blatt zu bekommen. Damit würde investigativer Journalismus zur Farce, befürchten Mediengruppen. Befürworter wie Senator Joker Arroyo argumentieren hingegen seelenruhig: "Ohne dieses Gesetz haben Angeprangerte keine Chance auf eine Erwiderung. Darum werden landesweit so viele Journalisten ermordet." So gesehen wäre das neue Gesetz fast ein Segen für Reporter. Denn bei Journalistenmorden rangieren die Philippinen weltweit ganz weit vorne.
Internet: www.congress.gov.ph
Italien
Wenn die Wahrheit zu langweilig ist
Martin Zöller, Rom
Antonio Di Pietro ist nicht gerade zimperlich, das ist schon wahr. Der Chef der kleinen, aber umso umtriebigeren italienischen Oppositionspartei „Italien der Werte" hat nicht nur Silvio Berlusconi wegen Korruption angezeigt, sondern er wirft regelmäßig den anderen Oppositionsparteien und sogar dem Staatspräsidenten Giorgio Napolitano vor, vor Berlusconi zu kuschen. Als „Mafioso" hat er den Staatspräsidenten aber noch nie bezeichnet. Doch so stand es kürzlich in allen Zeitungen.
„Di Pietro, eine Schande: Er beleidigt den Staatspräsidenten als Mafioso", hieß es, oder: „Die Pietro setzt Staatspräsident mit Cosa Nostra gleich". So hätte er sich geäußert, bei einer Demonstration in Rom. Sogar die Staatsanwaltschaft von Rom ermittelte wegen Beleidigung des Präsidenten. Als die Beamten das Video mit den tatsächlichen Worten Di Pietros sahen, stellten sie ihre Ermittlungen ein: Di Pietro hatte nur gesagt: „Können wir Sie kritisieren, Herr Staatspräsident, oder nicht? Schweigen tötet. Schweigen ist mafiöses Verhalten." Er hatte begründet, warum er nicht mit seiner Kritik am höchsten Amt des Staates hinterm Berg halten wolle.
Wie ist aber der Sturm im Wasserglas zu erklären? Marco Travaglio, Italiens bekanntester investigativer Journalist, meint: „Das ist ein grundsätzliches Problem in Italien: Zeitungen und Nachrichten fehlt die Distanz zur Politik. Sie bilden nur ab, was Politiker sagen." Entscheidend sei, dass alle gleich lang zur Wort kommen – wie gut der Sachverhalt selbst erklärt ist, sei egal. Als die Nachricht von Di Pietros „Mafia-Attacke" auf den Staatspräsidenten in der Welt gewesen sei, hätte die Ursache nicht mehr interessiert, denn jetzt wollte jeder Politiker kommentieren und seine Entrüstung äußern. „Bei uns ist die Nachricht nicht das, was wirklich passiert, sondern das, was Politiker sagen", meint Travaglio bitter: „Und wenn das, was sie sagen, nicht der Wirklichkeit entspricht, dann stimmt die Wirklichkeit nicht."
Internet: www.youtube.com/watch?v=eGFDxU2bsPQ
Dänemark
Krise als Chance
Clemens Bomdorf,
Kopenhagen
In der Krise scheint es, dass ausgerechnet die der melancholischen Grundhaltung beschuldigten Nordeuropäer „positive thinking" zu ihrem Motto erhoben hätten. Ein befreundeter Isländer, der durch den Kollaps de
r Krone und der Immobilienpreise einen enormen Schuldenberg angehäuft hat, sagte mir nicht nur „ist doch nur Geld", sondern erklärte auch noch, einen möglichen Jobverlust allenfalls als „Herausforderung" zu sehen. Als ich in der Saab-Stadt Trollhättan war, um mich bei den Einwohnern zu erkundigen, wie sehr sie ein Ende des größten privaten Arbeitgebers fürchten, war der Tenor ähnlich. Und statt Schreckensmeldungen über den drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit titelte der Wirtschaftsteil der linksliberalen „Dagens Nyheter" am Tag, an dem Saab Insolvenz beantragte, „Här finns jobben" (Hier gibt es Arbeit) und verwies darauf, dass Unternehmen, die auf erneuerbare Energien setzen, nicht weit von Trollhättan dringend Arbeitskräfte brauchen; Vorqualifikation aus der Autobranche erwünscht. Die vom Gewerkschaftsverbund kontrollierte Boulevardzeitung „Aftonbladet" veröffentlichte wenige Tage später eine Liste mit 11.629 freien Stellen. Während fast überall Zeitungen dicht machen oder zumindest die Umfänge wegen fallender Anzeigenerlöse drastisch reduzieren, sieht in Dänemark selbst die Medienbranche das Gute an der Krise. So schrieb das Wirtschaftsblatt „Børsen" Anfang März, dass die zunehmende Zahl von Zwangsauktionen den Zeitungen zu Gute kämen – mittels steigenden Anzeigenaufkommens für ebensolche Versteigerungen. Das nennt sich dann wohl Zweckoptimsmus, oder ist es Sarkasmus?
Internet: www.borsen.dk
Serie
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Erschienen in Ausgabe 04+05/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 62 bis 63. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.