Netzwerke, Kontakte, Verbündete suchen und über den Tellerrand schauen – das Fazit, das rund 70 Journalistinnen und Medienfrauen aus fünf Ländern Ende 2008 bei einer Tagung in Wien als Rezept für beruflichen Aufstieg zogen, setzten sie gleich vor Ort um. Die Chance zum Austausch unter dem Motto „Die Zukunft ist weiblich – gute Journalistinnen kommen überall hin" nutzten auffallend viele junge Kolleginnen. Die Resonanz war enorm, die Warteliste lang. Tipps und Lösungsmodelle waren gefragt: Wie sich Karrierewege planen und umsetzen lassen, wo es Nischen gibt, die Frauen gezielt nutzen können oder welche Rolle weibliche Sprache, Sichtweise und (mehr) weibliche Protagonistinnen im Blatt und auf Sendung spielen.
Die Hürden für Journalistinnen auf dem Weg nach oben sind seit Jahrzehnten kaum niedriger geworden. Sie gleichen sich – von einigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie etwa Kinderbetreuung abgesehen – über Ländergrenzen hinweg. Medienfrauen haben überall ähnliche Probleme – mit den Männern, den Strukturen und ab und zu mit sich selbst. Ob als neue Erkenntnis oder als Bestätigung – Teilnehmerinnen und Referentinnen aller Altersgruppen waren sich nach zwei Tagen intensiver Gespräche einig über die Aktualität des Themas. „Wir müssen an den gesellschaftlichen Stellschrauben drehen," forderte Sabine Schicke von der „Nordwest-Zeitung" in Oldenburg, die die Tagung leitete. Sie ist Mitglied des Projektteams Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn (BpB) – Veranstalter des Kongresses in Kooperation mit „medium magazin" (s. a. mm 11/2008), dem „Schweizer Journalist" und dem „Österreichen Journalist" (Medienfachverlag Oberauer).
Frauenwege an die Spitze fördern, fordern und besser planen – wie das gelingt, dafür boten die Diskussionen, aber auch die Lebensläufe der Referentinnen viel Anschauungsmaterial. Ein gutes Dutzend Expertinnen sprach über Macht als Verantwortung, (weibliches) Harmoniebedürfnis als Hemmschwelle und berufliche Chancen, die frau erkennen, sich zutrauen und ergreifen sollte.
Ein LänderverglEich zeigte rasch: Anderen geht es genauso. So sind Frauen in der Schweiz zu rund einem Drittel in der Berufssparte Journalismus vertreten. In Deutschland sind 37 Prozent der Journalisten Frauen, in Österreich 42 Prozent. Bei Leitungspositionen in Lokalredaktionen, Ressorts oder Chefredaktionen gilt jedoch überall: Je höher, desto eher ist Macht männlich besetzt. Vier von rund 100 eidgenössischen Chefredakteuren in Tageszeitungen sind Frauen; in Deutschland ist die Zahl der weiblichen Redaktionschefs mit vier Frauen zwar gleich hoch, die Gesamtzahl der Tageszeitungen allerdings mit rund 300 ungleich höher. Bei den Volontären, so ein weiterer länderübergreifender Trend, sind im deutschsprachigen Raum die jungen Frauen inzwischen eindeutig in der Mehrheit und in der Regel besser ausgebildet.
Woran liegt´s,dass bei gleicher oder sogar besserer Qualifikation Journalistinnen auf dem Weg in verantwortungsvollere Positionen an die gläserne Decke stoßen? Und was können aufstiegswillige Journalistinnen selbst tun? „Karrierebremsen" waren in Wien schnell erkannt: Wichtig ist es, an mangelndem Selbstvertrauen, zu viel Selbstkritik und allzu viel Harmoniebedürfnis zu arbeiten. „Verabschieden Sie sich davon, dass alle Sie lieben. Machen Sie den Mund auf!", empfahl Elfi Geiblinger. Die Programmchefin beim ORF Salzburg hatte alltagserprobte, ebenso humorvoll wie pointiert vorgebrachte Tipps parat. Catherine Duttweiler, Chefredakteurin des „Bieler Tagblatt" in der Schweiz betonte, wie wichtig es sei, die Machtfrage für sich selbst zu klären. Will ich überhaupt eine Führungsposition und Verantwortung übernehmen? Bin ich bereit, dafür Abstriche an der Lebensqualität zu machen, zum Beispiel bei der Arbeitszeit? Und wie lässt sich letztere effektiver und zufriedenstellender organisieren?
Lösungen finden sich gemeinsam leichter: „Suchen Sie sich Verbündete!", brachte Claudia Knauer auf den Punkt, was anderswo „Netzwerken" genannt wird – eine Strategie, in der Männer immer noch die Geübteren sind. Die stellvertretende Chefredakteurin der deutschsprachigen Tageszeitung „Der Nordschleswiger" in Dänemark nahm zwar ihren eigenen Chef als positive Ausnahme in Schutz, hatte aber viel Verständnis für Kolleginnen, die keine Lust mehr haben auf Sätze wie: „Du bist so toll. Du bist so gut. Und zwar genau da, wo du bist." Wenn frau das erlebe, müsse sie mit härteren Bandagen kämpfen. Oder gehen. Catherine Duttweiler machte bei einem Schweizer Radiosender gute Erfahrungen mit „Mentoring" und einem „Development Center" zur Fortbildung für Frauen mit Karrierepotenzial. Mentorinnen oder auch Mentoren sind meist ältere und/oder erfahrenere Kolleginnen und Kollegen, die an ihre „Mentées" Tipps und Erfahrungen weitergeben, konstruktive Kritik üben oder einfach nur Mut machen. All dies kann im Rahmen von internen Fortbildungsangeboten geschehen oder bei externen Weiterbildungen. Wichtig sei, so der Tenor der Tagung in den Räumen des ORF auf dem Wiener Küniglberg, selbst die Initiative zu ergreifen und nicht darauf zu warten, dass der Arbeitgeber einem die Teilnahme anbiete.
„Geben, nicht nur nehmen", nannte Birgit Wentzien als weitere hilfreiche Leitlinie auf dem Weg nach oben. Die Leiterin des ARD-Hauptstadt-Studios Berlin des Südwestdeutschen Rundfunks warb für die Vorteile des „Mentorings": Sie habe bei ihrem beruflichen Aufstieg viel Unterstützung erfahren, auch von Männern. Mentoring-Projekte können Journalistinnen selbst aufbauen – gemeinsam mit Kolleginnen, oder indem sie bestehende Netzwerke nutzen wie zum Beispiel den Journalistinnenbund (JB) in Deutschland, dessen Mentorinnenprogramm deren Vorsitzende Eva Kohlrusch vorstellte.
Frauen-Förderung in Redaktionen? Personalentwicklung sei bei Regionalzeitungen leider kein Thema, weder für Frauen noch für Männer, kritisierte Friedrich Roeingh, Chefredakteur der „Westdeutschen Zeitung" (WZ) bei einer der Podiumsdiskussionen. Manchmal, so die Erfahrung seines Kollegen Christian Lindner, Chefredakteur der „Rhein-Zeitung", fehle es jungen Kolleginnen an Mut und Bereitschaft, weiterzukommen: „Am Anfang der Wegstrecke ist der Frauenanteil hoch. Aber dann, verschwinden‘ geeignete Kandidatinnen irgendwann". Lindners Erfahrung: „Jüngere Frauen wollen klarere Strukturen, Kompetenzen, Organisation und beherrschbarere Arbeitszeiten." Dies seien Wünsche, die ihm auf Nachfrage genannt würden – meist aber erst nach einer Kündigung.
Was also tun? Während Lindner auf Trainee-Programme, fundierte Volontärsausbildung und das „entsprechende Klima" zählt, das es zu schaffen gelte, und Roeingh einfordert, dass Frauen sich auch „individuell selber emanzipieren" müssten, indem sie sich gezielter um ihre Karrieren kümmern, lösten diese Antworten bei Elfi Geiblinger Ärger aus. Die ORF-Frau hielt dagegen: Natürlich müssten Frauen auch an sich selbst arbeiten, wenn sie vorankommen wollen. „Aber wenn hoch qualifizierte gute junge Frauen in so großer Zahl gehen, dann würden bei mir alle Alarmglocken läuten. Da muss ich doch als Chef hingucken: Warum gehen die!?"
Expertinnen ins Blatt. An „Selbstbescheidung, Selbstkritik und dem Schiss vor der Öffentlichkeit müssen wir Frauen noch arbeiten", mahnte hingegen JB-Chefin Eva Kohlrusch an. "Wer hinein will in bestimmt Machtpositionen, muss auch verzichten können. Zum Beispiel auf das Ideal, eine tolle Schreiberin zu sein." Die Star-Kolumnistin der „Bunten" spricht aus eigener Erfahrung: Sie war unter anderem als erste Frau einige Jahre Mitglied der „Bild"-Chefredaktion, bevor sie wieder vor alle als Autorin tätig wurde. Sie plädiert zudem nicht nur für einen nach innen, sondern auch nach außen gerichteten Lösungsansatz: Bewusst die Vielfalt sprachlicher Formulierungen und we
ibliche Qualität herausarbeiten, wo immer es möglich sei. Ihr ebenso pragmatischer wie eigentlich verblüffend einfacher Vorschlag: Statt vorwiegend Männer für O-Töne im jeweiligen Medium heranzuziehen, sollten verstärkt Frauen zu Wort kommen – und auch abgebildet werden. „Tageszeitungen müssen in Zielgruppen denken", bekräftigte Friedrich Roeingh diesen Ansatz. Dem diene schon eine „Strichliste", die die Repräsentanz von Frauen und Männern, Altergruppen etc. im Medium festhält.
Online-Welt. Bei der Bestandsaufnahme weiblicher Karrieren in den Medien fällt auf, dass gerade in Online-Medien Journalistinnen ganz oben mitmischen. Doch wer glaubt, das bedeute auch veränderte, familienfreundlichere Arbeitsbedngungen, irrt sich. Katja Riefler, selbst Online-Pionierin, die sich früh mit ihrem eigenen Beratungsunternehmen „risolutions" selbstständig gemacht hat, erklärt, warum: Weil Onlineredaktionen – im Gegensatz zu Start-ups und innovativen Internetfirmen – die Arbeitsstrukturen ihrer traditionellen Medienhäuser übernommen haben. Dennoch sieht sie auf diesem Feld gute Chancen für Journalistinnen. Sie rät: Frauen sollten mutiger werden, müssten lernen zu experimentieren und ihre Perfektionsansprüche reduzieren. Gleichwohl bedinge Erfolg im Netz konsequente Analysen des eigenen Angebots: Wer nutzt meinen und wem nutzt mein Internetauftritt? Welche Themenspezialisierung kann ich bieten, welche ist sinnvoll? Fragen, die sich jedermann, aber eben auch Journalistinnen stellen sollten.
Linktipp:
Die ausführliche Dokumentation der Tagung: www.bpb.de/veranstaltungen/SJ7P6S
Deutscher Journalistinnenbund: www.journalistinnenbund.de
Österreichische Medienfrauen: www.medienfrauen.at
Global Media Monitoring Project: www.whomakesthenews.org
Erschienen in Ausgabe 01+02/2009 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 48 bis 49 Autor/en: Liane von Droste Mitarbeit: Astrid Kuffner. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.