„Das ist keine Justiz, das ist Hütchenspielerei": Die Kollegen Anna Politkowskajas erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Das Moskauer Militärbezirksgericht hat nach wochenlangem Taktieren im Prozess um den Mord an der kritischen Journalistin die Öffentlichkeit ausgeschlossen – angeblich, weil die Geschworenen aus Angst um ihre Sicherheit darum gebeten hatten. Die dementierten prompt und klagten, das Gericht habe sie hintergangen und „wie Idioten dargestellt". „Hinter der Entscheidung steckt Druck von oben, anstatt dass man Gerechtigkeit sucht, wird geschwindelt und vertuscht", klagt Andrei Lipski, stellvertretender Chefredakteur der „Nowaja gaseta", bei der Politkowskaja arbeitete: Durch die Geheimhaltung wollten die Behörden offenbar verheimlichen, wie stark die Sicherheitsdienste selbst an der Tat beteiligt waren. Auf der Anklagebank sitzen neben zwei Tschetschenen ein russischer Polizist und ein Geheimdienstoffizier; sie sollen bei der Vorbereitung des Mordes geholfen haben. Der mutmaßliche Mörder ist weiter flüchtig.
„Wenn der Prozess hinter verschlossenen Türen stattfindet, werden wir selbst für Öffentlichkeit sorgen", sagt Lipski. „Wir haben viele brisanten Informationen, die wir dann herausgeben." Die Warnung hatte offenbar Folgen: Nach dem Skandal mit den Geschworenen kündigte das Gericht an, die Verhandlung solle nun doch öffentlich sein – vorerst zumindest.
Erschienen in Ausgabe 12/2008 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Boris Reitschuster. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.